6. Sonntag nach Pfingsten
Petrus, das Oberhaupt der Kirche
Geliebte Gottes!
Zur Beantwortung der Frage, was die katholische Kirche sei, haben wir zuletzt auf die Definition des hl. Kirchenlehrers Robert Bellarmin zurückgegriffen: „Die Kirche ist die sichtbare Gemeinschaft aller Getauften, die denselben Glauben bekennen, dieselben Sakramente empfangen und im Gehorsam vereint sind unter dem gemeinsamen Oberhaupte, dem Römischen Papst.“
Schon aus dieser kurzen Wesensbeschreibung geht deutlich hervor, welch große Bedeutung dem „gemeinsamen Oberhaupt“ der Katholiken zukommt. – Wodurch sonst hätten wir auch die Gewißheit, daß wir den zur Kirchenzugehörigkeit erforderlichen „wahren Glauben“ bekennen? Nur durch eine gemeinsame, unfehlbare Glaubensnorm; und das ist der Glaube, den das „gemeinsame Oberhaupt“ bekennt – der Papst. – Wodurch hätten wir die Gewißheit, daß wir „dieselben Sakramente empfangen“? Dadurch, daß wir dieselben sakramentalen Riten zur Feier der hl. Sakramente verwenden, wie es das „gemeinsame Oberhaupt“ tut; oder wenigstens solche, die von demselben gutgeheißen sind. – Und wie könnten wir uns sicher sein, tatsächlich das zu wollen und zu tun, was Gott wohlgefällig ist, wenn nicht im Gehorsam gegen das „gemeinsame Oberhaupt“ – den Römischen Papst? Am Verhältnis zum gemeinsamen Oberhaupt entscheidet sich die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche. Als Katholik muß man dem Papst – sofern es einen gibt – unterworfen sein und nur diesem; sonst ist man kein Katholik.
Aufgrund der herausragenden Bedeutung des Papsttums, von dem alles in der katholischen Kirche abhängt, ist es nicht verwunderlich, daß sich die Angriffe der Feinde der Kirche hauptsächlich gegen die Autorität des Papstes und damit gegen seine Stellung als gemeinsames Oberhaupt der katholischen Kirche richten. Der päpstliche Primat sei eine absolutistische Anmaßung, sei die Hybris römischer Herrschsucht, sei Papstkult und Götzendienst, sei eine Erfindung des Satans.
Um diese Angriffe zurückzuweisen, müssen wir unsere Aufmerksamkeit heute der Frage zuwenden, wen Christus zum sichtbaren Oberhaupt der Kirche bestellt und mit welchen Vollmachten er dieses Oberhaupt ausgestattet hat. Auch wenn wir natürlich die Antwort genau kennen und sofort sagen können, daß der hl. Petrus von unserem göttlichen Erlöser zum sichtbaren Oberhaupt der Kirche eingesetzt wurde, so ist es doch nicht müßig, sich eingehender mit diesem Thema zu befassen. – Daß der hl. Apostel Petrus von Christus selbst zum Oberhaupt der Kirche eingesetzt wurde, können wir beweisen:
- aus den Worten des Heilandes.
- aus dem Verhalten des hl. Petrus.
- aus dem Verhalten der übrigen Apostel.
Aus den Worten des Heilandes
Aus den Worten, die unser göttlicher Erlöser bei drei Begebenheiten an Simon Petrus gerichtet hat, geht sonnenklar hervor, daß dieser zum sichtbaren Oberhaupt der katholischen Kirche bestellt wurde. Der Heiland hat nämlich nur diesem Apostel:
a) einen besonderen Namen beigegeben.
b) versprochen, ihn zum Oberhaupt Seiner Kirche zu machen.
c) das Amt des Oberhauptes auch tatsächlich übertragen.
a) Die Namensgebung
Schon bei der allerersten Begegnung des Simon mit dem Heiland ereignete sich etwas Außergewöhnliches. Der hl. Johannes berichtet in seinem Evangelium davon, wie der hl. Andreas, nachdem er durch den hl. Johannes den Täufer mit Jesus bekannt gemacht worden war, zu seinem Bruder Simon hinging und sagte: „Wir haben den Messias gefunden.“ (Joh. 1,41). Darauf führte Andreas den Simon zu Jesus. Und bevor sie auch nur ein einziges Wort miteinander gewechselt hatten, geschah Folgendes: „Da sah in Jesus an; und sprach: ‚Du bist Simon, der Sohn des Jona; du wirst Kephas, das ist Petrus [also Fels] heißen.“ (Joh. 1,42).
Um die Bedeutung und Tragweite der Namensgebung des hl. Petrus verstehen zu können, müssen wir zunächst einen Gedanken voranstellen. – Mit der bildlichen Bezeichnung „Fels“ wird im Alten Testament niemand Geringerer als Gott selbst bezeichnet. In Israel ist diese Benennung Gottes ein Ausdruck der Unerschütterlichkeit und Zuverlässigkeit Jahves und des Schutzes, den Er den Seinen bietet. So rief David aus: „Der Herr ist mein Fels, meine Stärke und mein Erretter.“ (2. Kön. 22,2). – Gott wird aber im Alten Testament nicht nur mit einem Felsen verglichen (vgl. Deut. 32,4.15; Ps. 17,3; Ps. 30,4; Ps. 61,7). Der Ausdruck tritt wiederholt als Gottesname auf, wie Jahve und Elohim. So spricht der hebräische Text des Buches Deuteronomium von dem „Felsen, der Israel erzeugt hat“. Wörtlich heißt es im Lied des Moses: „Den Felsen, der dich gezeugt hat, hast du verlassen.“ (Deut. 32,18). Daß die heidnischen Götzen nicht mit dem Gott Israels vergleichbar sind, drückt der alttestamentliche Gesetzgeber in den Worten aus:„Denn ihr Fels ist nicht wie unser Fels.“ (Deut. 32,31). Während Gott ein Fels ist, der dem Frommen Sicherheit verleiht, so ist er dem Ungläubigen ein Stein des Anstoßes, an dem er strauchelt. So warnt der Prophet Isaias: „Den Herrn der Heerschaaren, Ihn haltet heilig. … Dann wird Er euch zur Heiligung gereichen; zum Stein des Anstoßes aber den beiden [ungläubigen] Häusern Israels und zum Fels des Ärgernisses, und zum Fallstrick und zum Verderben den Bewohnern von Jerusalem.“ (Is. 8,13 f.).
Als wesensgleicher Gottessohn wandte Jesus ganz folgerichtig eben dieses Bild auf Sich selbst an: „Habt ihr niemals in der Schrift gelesen: ‚Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden‘? Wer auf diesen Stein fällt, wird zerschmettert werden; auf wen Er aber fällt, den wird Er zermalmen.“ (Mt. 21,42.44).
Anspielend auf die alttestamentliche Gottesbezeichnung wird Christus auch vom hl. Apostel Paulus der „geistige Felsen“ genannt, welcher Israel durch die Wüste begleitete und ihm geistiges Wasser gab. Den Korinthern erklärte er über den vierzigjährigen Wüstenzug der Hebräer: „Sie tranken nämlich aus einem geistigen Felsen, der sie begleitete. Der Fels aber war Christus.“ (1. Kor. 10,4). Als Moses damals in der Wüste mit seinem Stab auf den Felsen schlug, da brach aus diesem Felsen eine sprudelnde Quelle klaren Wassers hervor. Gleiches geschah am Karfreitag, als der Soldat gewissermaßen mit dem Stab seiner Lanze gegen den neutestamentlichen Felsen schlug „und sogleich floß Blut und Wasser heraus.“ (Joh. 19,34).
Jesus Christus ist wesensgleicher Sohn Gottes und damit wahrer Gott. Er ist der eigentliche Fels, der eigentliche Petrus auf den die Kirche gegründet ist. Aufgrund Seiner Gottheit ist Er unüberwindlich, unerschütterlich und unfehlbar. Denen, die an Ihn glauben, wird Er zu einer festen Burg; den Ungläubigen hingegen zum Stein des Anstoßes, unter dem sie zu ewigem Verderben zermalmt werden. – Aus Ihm bricht die nie versiegende Quelle des Heiles hervor: Die klaren Wasser der reinen Glaubenslehre; sowie die lebendigen Ströme des übernatürlichen Gnadenlebens in Form Seines kostbaren Blutes. Kurz: Christus selbst ist das unverbrüchliche Felsenfundament seiner Kirche.
Nach diesen Vorüberlegungen können wir nun die Bedeutung dessen verstehen, was uns der Evangelist von der ersten Begegnung Jesu mit dem Simon, dem Sohn des Jona und Bruder des Andreas berichtet hat: „Da sah in Jesus an.“ Dabei drang Sein göttlicher Blick tiefer, bis auf den Grund der Seele des Simon und durch ihn hindurch auf alle Nachfolger Petri, bis zum Ende der Welt. So wie ein Baumeister den Stein, den er zum Eckstein ausersehen hat, prüfend in seiner Hand wiegt, so wog der göttliche Steinmetz die Seele Seines zukünftigen Stellvertreters und sprach voll Wohlgefallen: „Du wirst Kephas, das ist ‚Petrus‘ heißen.“
Keinem anderen der Apostel hat der Heiland einen neuen Namen gegeben. Keinem anderen Apostel hat der Heiland einen Gottesnamen gegeben! Nur den Simon benannte Er um. Und wir wissen, welch göttliche Macht einem Wort innewohnt, welches das fleischgewordene Wort Gottes gebraucht. Ein solches Wort bewirkt, was es bezeichnet: „Du sollst, wie Ich, „der Fels“ heißen und es der Kraft nach auch sein. Freilich, bis du nicht Gott wie Ich. Aber Ich werde dir Anteil an Meiner göttlichen Kraft und unverbrüchlichen Zuverlässigkeit verleihen.“ Mit der Namensgebung deutete der Heiland schon in sanfter Weise an, zu welcher Höhe er den Simon erheben werde und welch göttliche Vorrechte und Vollmachten Er mit ihm und mit seinen Nachfolgern zu teilen beabsichtigte.
Noch war dieser Name, sowohl für Simon Petrus selbst als auch für die übrigen Apostel, geheimnisvoll. Erst mußte der geeignete Zeitpunkt kommen, um ihnen dieses Geheimnis zu eröffnen.
b) Die Verheißung
Die passende Gelegenheit hierfür fand sich im zweiten Lehrjahr Jesu, als Er sich mit den Aposteln in der Gegend von Cäsarea-Philippi aufhielt. Dort stellte der Heiland den Aposteln die Frage: „Für wen halten die Menschen den Menschensohn?“ (Mt. 16,13 ff.). – Schon hier bemerkt der hl. Hieronymus in seinem Kommentar zum Matthäus-Evangelium, wie treffend der Heiland diese Frage formuliert hat. „Denn diejenigen, welche nur vom „Menschensohn“ sprechen, sind eben Menschen. Die aber Seine Gottheit erkennen, werden nicht Menschen, sondern Götter genannt.“ Bloße Menschen erkennen nur Menschliches. Dementsprechend antworteten die Apostel auf die Frage, was die Menschen vom Menschensohn sagen, auf bloß menschliche Weise: „Einige für Johannes den Täufer, andere für Elias, wieder andere für Jeremias oder einen der Propheten.“ Jene, die nur Menschen sind, blicken auf Christus nach Menschenart, urteilen nach Menschenart und irren nach Menschenart. Denn Jesus ist weder der auferstandene Johannes der Täufer, noch der wiedergekehrte Elias, noch Jeremias oder sonst einer der Propheten. Das Menschenurteil irrt häufig in den Angelegenheiten Gottes und in den Fragen der Religion.
Also hakte der Heiland nach und fragte weiter: „Ihr aber, für wen haltet ihr Mich?“ „Ihr aber“, sagt Er, „Ihr urteilt nicht nach Menschenweise.“ „Kluger Leser“, bemerkt hierzu der hl. Hieronymus, „beachte, daß nach dem Folgenden und dem Zusammenhang der Rede die Apostel nicht Menschen, sondern Götter genannt werden. Jene, die eben Menschen sind, denken nach Menschenart; ihr aber, die ihr Götter seid, für wen haltet ihr Mich?“ Auf diese zentrale Frage gibt Simon Petrus allein die Antwort: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Schon die Tatsache, daß einzig und allein Simon Petrus die Antwort auf die an alle gerichtete Frage gab, war eine göttliche Fügung; wurde doch schon dadurch deutlich, daß er im Bekenntnis des wahren Glaubens Haupt und Mund aller Apostel sein sollte.
Das erste, herrliche, offene und wahre Bekenntnis des Glaubens, daß Christus nicht nur der verheißene menschliche Messias, sondern der wesensgleiche Sohn Gottes und damit selbst wahrer Gott sei, sollte nicht ohne Lob und auch nicht ohne Belohnung bleiben. Beides wurde dem Simon zuteil. Erwägen wir sowohl das Lob des Heilandes als auch Sein daraus erwachsendes Versprechen, mit dem Er das Bekenntnis Petri belohnte.
Der Heiland hob an: „Selig bist du, Simon, Sohn des Jona, denn nicht Fleisch und Blut hat dir das geoffenbart, sondern Mein Vater, der im Himmel ist.“ Ja, selig bist du! Warum selig? Weil dein abgegebenes Glaubensbekenntnis nicht von deiner natürlichen Einsicht herstammt, die du aus „Fleisch und Blut“ hättest gewinnen können, d.h. aus Meiner sichtbaren Menschheit; aus der Weisheit Meiner Worte, aus Meinen großartigen Wundern und Machterweisen an den Naturgewalten, an den Dämonen, ja selbst an den Toten. Nein, „nicht Fleisch und Blut hat dir das geoffenbart“; nicht deine Augen; nicht deine Ohren, nicht dein Tastsinn oder sonst einer deiner fünf Sinne. Auch bist du nicht nachdenkend und schlußfolgernd zu dieser Erkenntnis gelangt, „sondern Mein Vater, der im Himmel ist“, hat es dir offenbart. Vom himmlischen Vater, von dem alles Licht der Erkenntnis und jede vollkommene Gabe ausgeht, ist es dir kundgetan worden. Er hat dich belehrt.
Was Fleisch und Blut nicht offenbaren konnten – denn die Gottheit kann man nicht sehen, hören, riechen, schmecken oder betasten; was Fleisch und Blut nicht offenbaren konnten, das ist dem Simon im untrüglichen Licht des Heiligen Geistes offengelegt worden. Das „Licht aus der Höhe“ hat ihn erleuchtet und ihn mit unfehlbarer Sicherheit diese Wahrheit aussprechen lassen, daß Jesus Christus der wesensgleiche Gottessohn ist. Somit ist das Bekenntnis der Gottheit Christi aus dem Mund des hl. Petrus nicht menschlichen Ursprungs. Nein, es hat den unfehlbaren Gott selbst zum Urheber.
Deshalb weist uns der hl. Hieronymus noch auf ein sehr schönes Detail hin. Nämlich auf die Anrede, mit welcher der Heiland den Petrus seliggepriesen hat: „Simon, Sohn des Jona“. Der hebräische Name „Jona“ heißt in unsere Sprache übersetzt soviel wie „Taube“! Nachdem Simon Petrus also erstmals, vom Heiligen Geist, der zuvor am Jordan auf den Sohn Gottes in Gestalt einer Taube herniedergekommen war (Mt. 3,16), unfehlbar belehrt, den Glauben an die Gottheit Christi bekannt hatte, da nannte ihn der Heiland wörtlich „Sohn der Taube“. „Selig bist du, Simon, Bar Jona, Sohn der Taube, denn nicht Fleisch und Blut hat dir das geoffenbart, sondern Mein Vater, der im Himmel ist.“
In dieser Seligpreisung des Heilandes wurzelt die gesamte Lehre von der Unfehlbarkeit des hl. Petrus, von der Unfehlbarkeit der Päpste und von der Unfehlbarkeit der katholischen Kirche. Ihr Kern besteht in der untrennbaren Verbindung der göttlichen Unfehlbarkeit mit dem Petrus, dem „Sohn der Taube“. Was Petrus uns lehrt, das stammt nicht von fehlbaren Menschen, sondern vom unfehlbaren Gott. Denn Gott hat den hl. Petrus mit Sich verähnlicht; denn wer Gott erkennt, der ist Ihm in gewisser Weise ähnlich geworden.
Auf das Lob folgte der Lohn. Christus fuhr nämlich fort: „Und Ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will Ich Meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“ – „Du, Petrus, hast Mir soeben in Wahrheit gesagt, wer Ich bin. Jetzt will Ich dir kundtun, wer du bist. Du bist das Felsenfundament. Der erste und wichtigste Stein, der alles trägt. Durch den Beistand des Heiligen Geistes bist du derart in der göttlichen Wahrheit gefestigt, daß dein Bekenntnis stets die unerschütterliche Stütze und die unveränderliche Norm des wahren Glaubens Meiner Kirche sein kann. Die Hölle mag mit ihrer geballten Macht gegen dich anstürmen – entweder durch offene Verfolgung, Apostasie oder Schisma, oder durch heimtückische Häresien, kaum merkliche Fälschungen oder subtile Irrlehren – gegen dich wird sie nichts vermögen. Dein Urteil wird stets zuverlässig und unverbrüchlich sein; wie ein Fels in der Brandung.“
Darauf folgte der krönende Abschluß der Grundsteinlegung der katholischen Kirche, wozu die „Gabe der Unfehlbarkeit“ lediglich eine notwendige Vorbedingung und Grundvoraussetzung ist, nämlich die Übertragung der höchsten Autorität, die es gibt; die Übertragung der inappellablen Vollgewalt, im Namen Gottes zu binden und zu lösen. „Dir will Ich die Schlüssel des Himmelreiches geben. Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“ – Aus diesen Worten wird nun eindeutig ersichtlich, welche Stellung der hl. Petrus in der Kirche Gottes einnehmen soll. Ganz offensichtlich die Stelle des Oberhauptes. Das Himmelreich ist die Kirche Gottes. Petrus soll die Schlüsselgewalt für das Gottesreich erhalten. Wer hat die Gewalt über die Schlüssel eines Hauses? Natürlich der Hausherr. Wenn Petrus die Schlüssel des Himmelreiches verheißen wurden, dann ist er, über alle anderen hinausgehoben, zum gemeinsamen Oberhaupt bestimmt. – Der volle Umfang und der Charakter dieser, dem Petrus übertragenen Vollgewalt über die Kirche, wird schärfer bestimmt durch den Zusatz, daß alles, was er binden oder lösen wird auf Erden, auch im Himmel gebunden und gelöst sein soll. Was auch immer also der Mensch Petrus binden wird, das bindet Gott durch ihn. Und was auch immer der Mensch Petrus lösen wird, das löst Gott durch ihn. Das sind die Schlüssel des Himmelreiches! Was für eine Gewalt!
Zusammenfassend können wir sagen, daß der Heiland bei Cäsarea-Philippi dem Simon Petrus die Verheißung gab, ihm einst alles zu übertragen, was Er selbst besitzt: Seine göttliche Unfehlbarkeit, Seine unveränderliche Beständigkeit, sowie die Vollgewalt Seiner göttlichen Autorität. Damit hat Er dem hl. Petrus klar versprochen, ihn zum Oberhaupt der Kirche an Seiner statt zu machen.
c) Die Übertragung
Was der Heiland versprochen hat, das hat Er auch gehalten. Nach Seiner Auferstehung erschien Jesus sieben von Seinen Aposteln am See Genezareth, welche sich eine ganze Nacht vergeblich beim Fischfang abgemüht hatten. Der Herr prüfte ihren Gehorsam und wirkte ein zweites Mal das Wunder eines reichen Fischfanges. Dann aß Er am Ufer mit den Aposteln und stellte dem Simon Petrus in Gegenwart der übrigen Apostel dreimal die Frage: „Simon, Sohn des Jona, liebst du Mich?“ (Joh. 21,16 ff.). Jedesmal antwortete der hl. Petrus: „Ja, Herr, Du weißt, daß ich Dich liebe.“ Und zum Lohn beauftragte ihn Jesus, seine Lämmer und seine Schafe zu weiden. „Weide Meine Lämmer, weide Meine Schafe.“
Welches sind die Lämmer Jesu? Das sind die Gläubigen. Welches sind die Schafe? Das sind die Vorsteher der Gläubigen. Was sind die Lämmer und Schafe zusammen? Die Herde Jesu, der Schafstall Christi, die katholische Kirche. Und wer ist der oberste Hirte dieser Herde? Der mit der Unfehlbarkeit und Vollgewalt des göttlichen Felsens ausgestattete Simon Petrus, der „Sohn der Taube“.
Der Hirte ist der Anführer, das Haupt all derer, die zu seiner Herde gehören. Die Herde des Petrus ist aber keine andere als die Herde Christi, bestehend aus allen Schafen Christi. Also ist der hl. Petrus Hirte und Haupt aller Gläubigen.
Das Verhalten des hl. Petrus
Die Auszeichnung, welche der Heiland dem hl. Petrus verliehen hat, stimmt sodann vollkommen mit den übrigen Auszeichnungen überein, mit denen Christus das Oberhaupt der Apostel bedacht hat. – So begab sich der Herr in das Schifflein des hl. Petrus, als Er vom See aus dem Volk predigte. Er bezahlte die Steuermünze für Sich und für den hl. Petrus. Für Petrus betete Er, damit Sein Glaube nicht wanke, und damit er seine Brüder im Glauben stärke. Nach dem Zeugnis des hl. Paulus ist der Heiland nach Seiner Auferstehung als Erstem unter den Aposteln, dem Petrus erschienen. Kurz vor Seiner Himmelfahrt sagte Er dem Petrus seinen künftigen Martertod voraus. Das alles stimmt damit überein, daß der Heiland den hl. Petrus tatsächlich zum Oberhaupt Seiner Kirche bestellt hat, wie wir gesehen haben.
Jedoch hat auch der hl. Petrus selbst durch sein ganzes Verhalten gezeigt, daß er an der Stelle Christi zum Oberhaupt der Kirche bestellt worden war. Nach der Himmelfahrt des Herrn nahm der hl. Petrus sofort das Steuerruder der Kirche in die Hand. – Er war es, der die Wahl eines neuen Apostels an Stelle des Verräters Judas Iskarioth veranlaßte und leitete. – Beim Pfingstfest ergriff er vor der versammelten Volksmenge das Wort. „Petrus erhob seine Stimme.“ (Apg. 2,14), heißt es. Dreitausend Seelen bekehrten sich auf seine erste Predigt. – Im Beisein des hl. Johannes wirkte er das erste Wunder. Er sprach zu dem Lahmen an der Tempelpforte: „Im Namen Jesu Christi, des Nazareners, steh auf und wandle.“ (Apg. 3,6). – Über das betrügerische Ehepaar Ananias und Saphira saß er zu Gericht und verhängte die Strafe, welche von Gott sofort vollzogen wurde. „Als Ananias diese Worte [des Urteilsspruches Petri] hörte, fiel er nieder und gab den Geist auf. Und große Furcht kam über alle, die es hörten.“ (Apg. 5,7). – Petrus war es, der jene außerordentlich wichtige Entscheidung traf, welche für die Ausbreitung der Kirche über die ganze Welt von größter Bedeutung war, indem er die ersten Heiden in die Kirche aufnahm. – Er sprach ferner auch die erste Exkommunikation aus, indem er den Zauberer Simon Magus, der sich mit Geld das Apostelamt kaufen wollte, von der Kirchengemeinschaft ausschloß. – Als die Apostel in Jerusalem zum Apostelkonzil versammelt waren, da nahm er zuerst das Wort, und wie die Heilige Schrift sagt: „Da schwieg die ganze Menge.“ (Apg. 15,12). – Er war es, der seinen Sitz schließlich in Rom, in der Hauptstadt der Welt, aufschlug.
Wohlgemerkt! All das tat der hl. Petrus, ohne daß die übrigen Apostel Einspruch gegen ihn erhoben hätten, obwohl sie bei derlei Dingen zugegen waren und obwohl sie darum wußten. Sie wußten eben ganz genau, daß Petrus ihr Haupt, das Oberhaupt der Kirche war; daß Jesus Christus selbst ihm diese Vollmacht gegeben hatte; ja daß in Wirklichkeit Jesus durch Petrus die Kirche regiert.
Das Verhalten der übrigen Apostel
Gerade das einmütige Verhalten der übrigen Apostel ist umso bemerkenswerter, als der Status des hl. Petrus zu der Zeit, als Jesus noch inmitten der Apostel weilte, keineswegs so unangefochten war. Immer wieder gerieten die Jünger in der Frage aneinander, „wer von ihnen der Größere sei“, wer „im Himmelreich zur Rechten und zur Linken“ des Heilandes sitzen dürfe, wer der Erste sei. Selbst beim letzten Abendmahl berichtet uns das Lukas-Evangelium von einem Rangstreit der Apostel (Lk. 22,24). Nach der Himmelfahrt des Herrn aber wird der Vorrang, der Primat Petri, unumstritten von ihnen anerkannt.
Mehrmals werden die Apostel in den neutestamentlichen Büchern mit Namen aufgezählt. Immer steht Petrus zuerst. – Der hl. Matthäus, selbst einer der Apostel, schreibt in seinem Evangelium: „Die Namen der zwölf Apostel sind diese. Der erste: Simon, welcher Petrus genannt wird.“ (Mt. 10,2). Wie ist das zu erklären, daß der hl. Matthäus seinem Mitapostel Petrus den Titel „der erste“ beilegt? – War Petrus zuerst berufen? Nein, das war Andreas. Wurde er von Jesus am meisten geliebt? Nein, das war Johannes. War er der Älteste? Das ist nicht anzunehmen. – Natürlich muß stets irgendeiner an die erste Stelle gesetzt werden. Aber das Bemerkenswerte ist, daß bei allen Apostellisten im Neuen Testament der Name Petri stets als Erstes genannt wird, während die Reihenfolge der übrigen Apostel wechselt. Nur bei Petrus heißt es „der erste“, während es bei den anderen nicht heißt „der zweite“, „der dritte“, usw. Auch wird Petrus immer mit Namen genannt, während die Übrigen oft bloß allgemein erwähnt werden. Da ist die Rede von „Petrus und die Übrigen“, „Petrus und die Elf“, „Petrus und die anderen“. – Wie Petrus stets an erster Stelle genannt wird, so steht ein anderer, nämlich Judas Iskarioth, stets an letzter Stelle. Ist das ein Zufall? Gewiß nicht! Es ist Absicht. Es geschieht, um die Untreue und den Verrat des Judas herauszustellen. Also ist es auch kein Zufall, daß Petrus stets ausdrücklich an die erste Stelle gesetzt wird. Es ist ganz offensichtlich genauso Absicht. Welche Absicht? Es soll angezeigt und ausgedrückt werden, daß unter allen Aposteln Petrus der erste, der höchste, das Haupt der Apostel, der Stellvertreter Christi, also auch das Oberhaupt der katholischen Kirche ist.
Das beweist uns aber, daß der hl. Petrus, der ja keine dieser Aufzählungen selbst verfaßt hat, nach der Himmelfahrt des Herrn unter den Aposteln unumstrittenes Oberhaupt war. Die Apostel verhielten sich gegen den hl. Petrus wie gegen Jesus, dessen Stelle er vertrat.
Der Glaube der gesamten Christenheit
Was wollte man also mehr verlangen? Der Heiland hat dem Simon von Anfang an die Gottesbezeichnung „Fels“ zum neuen Namen gegeben. Er hat ihn überall ausgezeichnet; Er hat ihm das oberste Kirchenamt verheißen; Er hat es ihm gegeben; der hl. Petrus hat sich tatsächlich so benommen, wie es nur dem Oberhaupt der Kirche zustehen würde. Die übrigen Apostel haben ihn ohne Neid und ohne Rangstreitigkeiten als den Ersten behandelt. Die ganze rechtgläubige Christenheit hat genau das über Jahrhunderte hinweg anerkannt.
Bemerkenswerterweise war der Glaube erst im 19. Jahrhundert durch den Liberalismus derart angegriffen, daß das Vatikanische Konzil von 1870 zur Definition eines Dogmas schreiten mußte, wodurch alle von der katholischen Kirche ausgeschlossen wurden, die zu behaupten wagen, der hl. Petrus sei nicht der Fürst aller Apostel und von Christus selbst zum sichtbaren Haupt der streitenden Kirche eingesetzt worden. Dem modernen Menschen mußte diese offensichtliche Tatsache in höchster Feierlichkeit erklärt und unter Androhung der schwersten Kirchenstrafe eingeprägt werden, obwohl diese Wahrheit seit Jahrhunderten in riesengroßen Buchstaben um die Kuppel der Peterskirche in Rom zu lesen ist: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will Ich Meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“
Geben wir also dem hl. Petrus und seinen Nachfolgern auf dem Römischen Stuhl mit Freuden die Ehrenbezeichnungen „Apostelfürst“, „Oberhaupt der katholischen Kirche“, „Stellvertreter Jesu Christi“. Wir tun dann genau dasselbe, was unser Heiland selbst getan hat und was die Apostel getan haben. – Wenn wir jedoch den hl. Petrus ehren wollen, dann müssen wir besonders darum beten, daß die modernistische Novus-Ordo-Kirche des 2. Vatikanums aus Rom vertrieben und endlich wieder ein wahrer Nachfolger Petri den Apostolischen Stuhl besteigen wird. Diesen Papst, den wir so innig herbeisehnen, müssen wir dann aber auch ehren, indem wir ihm kindliche Liebe, treuen Gehorsam und die größte Anhänglichkeit erweisen – innerlich und äußerlich.
Durch eine solche Gebetsmeinung und eine solche Willenshaltung gegen einen wahren Papst zeigen wir auch in der papstlosen Zeit von heute, daß wir Glieder der Kirche, wahre Jünger Jesu Christi; Kurz: Daß wir katholisch sind. Amen.