Hochfest von der Erscheinung des Herrn
„Werde licht, Jerusalem!“
Geliebte Gottes!
Die Sonne scheint leuchtend vom blauen Himmel an einem heißen Juli-Tag, auch wenn ein Blinder sie nicht sieht. Den gleichen Glanz hat die Sonne an einem wolkenverhangenen Wintertag, auch wenn die Sehkraft unseres Auges nicht durch die Wolkendecke dringt, um sie zu sehen. Wozu diese Binsenweisheiten?
Ein Prophet hat das kommende Jerusalem, die himmlische Wohnstätte Christi, gesehen. Es ist wieder der Prophet Isaias, der „Prophet der Menschwerdung“, der auch der „Evangelist des Alten Testamentes“ genannt wird, und der uns inzwischen zu einem vertrauten Begleiter durch die Advents- und Weihnachtszeit geworden ist. Er war so hingerissen von der Schönheit dessen, was er da geschaut hat, daß er ein herrliches Lied dichtete. Es ist jenes Lied, das wir soeben als Epistel gehört haben: „Auf! Werde licht, Jerusalem! Siehe, es kommt dein Licht. Die Herrlichkeit des Herrn ging strahlend auf über dir.“
Das übernatürliche Licht
Der Prophet Isaias allein hatte es gesehen, keiner seiner Landsleute, keiner seiner Zeitgenossen. Aber das lag an den Augen! Ihre Augen waren gehalten, seine nicht. Ihre fleischlichen Augen reichten nur für das Blickfeld der natürlichen Welt. Isaias hingegen sah den leuchtenden Stern über Jerusalem mit Gottes Auge. Seine Sehkraft wurde von Gott auf übernatürliche Weise ertüchtigt, geschärft, erhöht. Wenn man sehen will wie er, braucht es prophetische Augen.
Das ist 2000 Jahre, nachdem der Wunderstern über Jerusalem verblaßt ist, nicht anders geworden. Es kam das große Licht, das Isaias 700 Jahre mit „prophetischen Augen“ im Voraus gesehen hatte. Und es kamen die Weisen aus dem Morgenland, die dem Wunderstern mit „gläubigen Augen“ gefolgt waren.
Tausend Bethlehemiten sahen nur ein Kind in einem Stall, sonst nichts. Was ist schon dieses kleine Kind? Waren seine Eltern nicht offensichtlich arme Leute? Und wie schmutzig und dunkel war die Stallhöhle in der dieses Kind geboren wurde. Wie erbärmlich! Gewöhnliche Augen reichen allein zu dieser oberflächlichen Erkenntnis.
Eben jene Magier aus dem Osten knieten nieder, und es schien ihnen eine hohe Ehre, auf dem Boden dieser ärmlichen Unterkunft knien zu dürfen. Auch war es ihnen hohe Beglückung, ihren mitgebrachten Reichtum verschenken zu dürfen. Es lag an den Augen. Sie hatten die übernatürlich hellen Augen.
An sich ist es nicht verwunderlich, daß die Einwohner Bethlehems nicht hinausgegangen sind, um anzubeten. Sie hatten nur Menschenaugen, fleischliche Augen. – Trotzdem sind sie tadelnswert! Denn sie hatten Moses und die Propheten. Diese haben ja das auserwählte Volk lange im Voraus wissen lassen, was ihnen Gott aus großer zeitlicher Ferne über den Messias geoffenbart hatte. Wie es die Schriftgelehrten in Jerusalem wußten, so hätten es auch die Bethlehemiten wissen müssen, was von der Davidstadt durch die Propheten verheißen war. Aber ihnen fehlte das übernatürliche Augenlicht des Glaubens, das sie zum Sehen hätten haben müssen.
Wirklich staunenswert ist es nun aber, daß es die anderen gab, deren Augen Gott übernatürlich hellsichtig gemacht hatte, so daß sie sehen konnten, was sonst nur Gott sieht. Eben, daß da doch mehr da war, als ein Kind in einem ärmlichen Stall, den der hl. Joseph inzwischen zu einem kleinen Haus ausgebaut hatte. Daß Gottes Sohn Mensch geworden ist und die Heilszeit endlich begonnen hatte. – Denn, welches bloße Kind vermag schon die Gestirne des Nachthimmels zu lenken? Welches Neugeborene, das ja noch unfähig ist auch nur ein einziges sinnvolles Wort zu sagen, vermag die Weisen und Gelehrten ferner Völker zu sich zu rufen?
Bis heute ist es so geblieben. Auch nachdem das göttliche Kind Seinen Weg vollendet, und das „neue Jerusalem“, also die katholische Kirche, aufgebaut hat. Auf die Augen kommt es an! Sind sie vom Licht des Glaubens erleuchtet? Oder sind sie rein fleischlich, also blind für die Welt Gottes? „Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker“, auch das hatte schon der Prophet Isaias gesagt.
Der Glaube im Licht bloß fleischlicher Augen
Wie viele sehen nicht im katholischen Glauben einen „phantastischen Mythos“, eine längst durch die rationale Wissenschaft widerlegte, und durch das moderne Menschenbild „überwundene“ Weltanschauung, welche die bemitleidenswerten Generationen des Mittelalters am Fortschritt gehindert habe. Andere bleiben im besten Fall am Äußeren des Katholizismus hängen und loben höchstens seine kulturellen und künstlerischen Leistungen.
In ähnlicher Gefahr schwebt auch der Katholik von heute – also wir. Überall finden wir religiöse Gleichgültigkeit, ja sogar Feindseligkeit gegen alles Katholische vor: in Hochschulvorträgen, in Tausenden von Büchern, Broschüren, Zeitungen, Blogs und Podcasts, im Geschäftsleben, in Politik und Kultur. Überall ist der Unglaube maßgebend geworden. In solcher Umgebung – weil so viele anders glauben als wir; weil so viele gar nicht mehr glauben – besteht auch für uns die Gefahr, daß man sich anpaßt, daß man bloß noch aus Liebhaberei an äußerlichen Dingen der katholischen Religion hängen bleibt, daß der religiöse Eifer erlahmt und alles einerlei wird. Bildlich gesprochen: Daß der Stern des Glaubens also auch vor unseren Augen verblaßt.
Ausgerechnet diejenigen, die am meisten über den Glauben spötteln oder sich darüber erhaben dünken, wissen nicht einmal mehr das Allergrundlegendste, nämlich: was „glauben“ eigentlich bedeutet. Sie meinen, „glauben“ hieße, sich mit verbundenen Augen in einem unbekannten Land der Träume, der Phantastereien, der Ammenmärchen herumführen zu lassen; hieße, die Vernunft ausschalten, um sich dann ein X für ein U vormachen zu lassen. „Glauben“ hieße mit einem Wort das gerade Gegenteil von Vernunft und Wissen.
Für andere – eher gefühlsbetonte Menschen – ist der Glaube nur eine fromme Gefühlsduselei, eine Sache des Herzens, der fühlbaren Gotteserfahrung, eine Welt voller Visionen und Botschaften, nicht im geringsten Sache des Verstandes. Daher kommt es nicht selten vor, daß sie sich statt vom Glaubenslicht von „charismatischen“ Irrlichtern leiten lassen und dabei bisweilen sogar buchstäblich in Teufels Küche landen.
Was heißt glauben?
Deshalb ist es für uns um so wichtiger zu wissen, was gemeint ist, wenn wir vom Licht des Glaubens sprechen. Was heißt „glauben“? – Es heißt, alles fest für wahr halten, was Gott geoffenbart hat und durch Seine Kirche – die römisch-katholische Kirche – uns zu glauben vorstellt.
Gott ist die ewige Wahrheit! Wie sich Gott nicht ändern kann, so kann sich auch die zu glaubende Wahrheit nicht ändern. Unser Glaube ist gleichsam die Antwort des Menschen auf den Anruf der göttlichen Wahrheit.
Die Tugend des Glaubens ist also keine Gefühlssache, kein bloßes Meinen, sondern eine felsenfeste Überzeugung, die darauf gründet, daß Gott weder sich Selbst, noch uns täuschen kann; und daß sich, aufgrund Seines unfehlbaren Beistandes, auch die katholische Kirche weder selbst, noch uns täuschen kann.
Deshalb ist der Akt des Glaubens ein festes „Für-wahr-halten“, das sich auf die unfehlbare Wahrhaftigkeit Gottes und der Kirche stützt.
Für eine sichere Überzeugung haben wir im natürlichen Erkenntnisbereich eine doppelte Quelle. – Entweder weil unser Verstand bzw. unsere fünf Sinne es uns unmittelbar sagen. In diesem Fall sagen wir: Wir „wissen“ es! Wir wissen z.B., ob die Sonne am Himmel steht oder nicht. Wir sehen es ja mit unseren eigenen Augen. Ebenso wissen wir 2+2=4. Wir wissen es, weil unser Verstand diese Wahrheit unmittelbar einsieht. – Der zweite Weg zur Wahrheitserkenntnis ist ein mittebarer. Wir sehen es nicht unmittelbar ein, sondern jemand anderes hat es gesagt. Jemand, der es sicher weiß, und auf dessen Wort wir uns verlassen können. Dann „glauben“ wir es ihm. – Das meiste was wir in der Schule, auf der Hochschule, aus Büchern gelernt haben, mußte anfänglich dem Lehrer, dem Professor, dem Buchautor geglaubt werden, bis wir es mit unserem Verstand selber durchdringen konnten und uns ihre Lehre als Wissen angeeignet hatten. – Auch das meiste, was wir im Alltag erfahren, müssen wir glauben. So etwa die Nachrichten über die Wetterlage in Norddeutschland, die Kriegsentwicklungen in der Ukraine und im Gazastreifen. Davon können wir nichts aus eigener Erfahrung wissen. Aber wir glauben denen, die es wissen müssen; den Journalisten, den Menschen vor Ort, die uns darüber berichten. Weil wir auf die Autorität dieser Menschen hin glauben, spricht man vom „menschlichen Glauben“.
Solange uns Bescheidenheit und Liebe zur Wahrheit noch etwas gelten, so lange ist es sicher unsere Pflicht, daß wir manches, was über unsere Einsicht hinausreicht, auf das Wort eines anderen hin, fest für wahr halten müssen. Und an der Spitze der Reihe all derer, denen wir Glauben schenken müssen, steht Gott, dessen Worte mehr zu bedeuten haben, als das Wissen aller Augenzeugen, Gelehrten und Fachleute zusammengenommen. Weil sich unser Glaube auf die Autorität Gottes stützt, nennt man ihn, den „göttlichen Glauben“. Er geht auf in der gläubigen Seele, wie der Morgenstern, der die Finsternis zerreißt, wie es der Prophet Isaias gesagt hat: „Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker. Über dir aber geht der Herr auf, und Seine Herrlichkeit erscheint in dir.“
Ist es vernünftig zu glauben?
Manche behaupten, es sei durch und durch unvernünftig etwas für wahr zu halten, das man nicht sieht. Und dabei lesen gerade solche Menschen jeden Tag die Nachrichten und setzen dabei selbst einen großen Akt des menschlichen Glaubens: Sie glauben nämlich, was da in Wort und Bild berichtet wird von fernen Städten, die sie selbst nie gesehen, von Kriegen, von Versammlungen und Konferenzen, von Sportveranstaltungen, denen sie selbst nicht beigewohnt haben. Das Berichtete für unumstößlich wahr zu halten, halten diese Menschen selbstverständlich für vernünftig. Warum? – Sie haben Gründe, den Nachrichten und denen, die sie uns präsentieren zu glauben. Ihr Glaube stützt sich auf die Glaubwürdigkeit jener, die uns berichten.
Daß freilich beim „menschlichen Glauben“ Vorsicht geboten ist, haben wir in den letzten Jahren lernen müssen, nachdem wir feststellen mußten, wieviel Manipulation und Korruption gerade im Bereich der modernen Medienberichterstattung möglich ist. Nichts destotrotz glauben, und müssen wir solchen Menschen glauben, die uns glaubwürdig erscheinen.
Unser heiliger Glaube lehrt uns nun manche Wahrheiten, die unser Verstand nicht ergründen kann, wir halten es für wahr auf Gottes Wort hin. Ist das unvernünftig? Es wäre unvernünftig, wenn wir keine Gründe hätten, zu glauben. Der hl. Thomas von Aquin sagt an einer Stelle einmal: „Wir würden nicht glauben, wenn wir nicht sähen, daß wir glauben müßten wegen der Evidenz der Gründe.“
Nicht blindlings, nicht mit verschlossenen Augen brauchen wir unsere katholischen Glaubenswahrheiten anzunehmen. Es ist freilich wahr, die Geheimnisse des Christentums – Dreifaltigkeit, Menschwerdung Gottes, Altarsakrament, etc. – können wir aus eigener Einsicht nicht begreifen, aber ihre Glaubwürdigkeit können wir mit unserem Verstand voll erkennen und mit Sicherheit beweisen.
Und wie das? – Jeder gesunde Menschenverstand sieht ein: Wenn es (1.) einen allwissenden, heiligen Gott gibt und (2.) dieser Gott zu uns Menschen gesprochen hat, und (3.) diese Seine Worte und Lehren in der katholischen Kirche unverfälscht bewahrt sind – dann muß ich meinen schwachen Verstand vor Gottes Belehrung beugen und diese Lehre felsenfest für wahr halten, also glauben.
Jene drei Grundpfeiler des Glaubens aber: 1. Gottes Dasein, 2. Seine tatsächliche Offenbarung und Belehrung durch Jesus Christus, und 3. die katholische Kirche als den fortlebenden Christus – können wir durch unseren Verstand erkennen und beweisen. Unser Verstand führt uns also so weit, daß wir sagen müssen: Die Glaubenslehren, welche die katholische Kirche uns zu glauben vorstellt, sind wirklich Gottes Lehren. Gott Selbst ist jener Zeuge, der uns durch die katholische Kirche lehrt, was ist und was nicht ist; was gut ist und was böse ist. – Und wie wollte man Gott, der die Wahrheit ist – dem Allwissenden und dem Allheiligen – die Glaubwürdigkeit absprechen. Deshalb ist es höchst vernünftig, Gott Glauben zu schenken. Hingegen ist es höchste Unvernunft, Gottes Wort und Gottes Zeugnis in Zweifel zu ziehen oder Ihm gar den Glauben zu verweigern.
Wir glauben also nicht blindlings! Ja, schon Christus verlangte von Seinen Zeitgenossen keinen blinden Glauben. Er rief den Juden zu: „Wenn Ich die Werke Meines Vaters nicht tue, so glaubt Mir nicht. Wenn Ich sie aber tue, so glaubet.“ (Joh. 10,37f.). Die Wunder, die Erfüllung aller Prophetien sind die Ausweise Christi, die unserem Verstand glaubwürdig und vernünftig erkennen lassen, daß Er der von Gott gesandte Messias ist. Ja, daß Er selber Gott; und daß alles was Er uns sagt, wahr ist und deshalb geglaubt werden muß.
Die Notwendigkeit des Glaubens
Bisweilen hört man die Redensart: „Es kommt nicht darauf an, was man glaubt, wenn man nur rechtschaffen lebt.“
Nein, das ist falsch! Gott Selbst ist auf unsere Erde herabgekommen. Aus dem Schoß der Ewigkeit hat der Sohn Gottes seine großen Lehren auf unsere Erde gebracht; und jetzt sollte es einerlei sein, welche Wahrheiten der menschgewordene Gott uns gelehrt hat? Es sollte einerlei sein, was unser Gott von uns fordert, was Er befiehlt? Das alles sollte man einfach auch ignorieren können, wenn man nur „rechtschaffen“ lebt?
Dabei stellt sich doch die Frage: Kann man denn „rechtschaffen“ Leben, wenn man Gott ignoriert? Oder ist es nicht gerade höchstes Unrecht und damit höchste Unrechtschaffenheit, Gott den Schöpfer und allerhöchsten Herrn – Seine Lehre, Sein Gesetz – zur Nebensächlichkeit und zur Beliebigkeit zu erklären?
Nein, wenn es Gott gibt, und Er zu uns durch Christus und die katholische Kirche gesprochen hat und spricht, dann müssen wir glauben!
Der Heiland selbst hat den Unglauben mit scharfen Worten bedroht: „Wer nicht glaubt, ist schon gerichtet.“ (Joh. 3,18). „Wer nicht glaubt, der wird verdammt werden.“ (Mk. 16,16). Und der hl. Völkerapostel betont im Hebräerbrief: „Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen.“ (Heb. 11,6).
Eigenschaften des Glaubens
Wenn aber der Glaube zum ewigen Heile notwendig ist, so handelt es sich dabei selbstverständlich nur um den einen wahren Glauben! Nicht um einen Glauben, den sich so viele Menschen in ihren Gedanken persönlich zurechtlegen. Deshalb muß unser Glaube, um vor Gott wohlgefällig zu sein, vier Eigenschaften haben. Unser Glaube muß: 1. allgemein, 2. fest, 3. lebendig und 4. standhaft sein.
Allgemein ist er, wenn wir nicht nur einiges, sondern alles glauben, was uns die katholische Kirche als Gottes Wort zu glauben vorlegt. Dadurch haben wir die Gewißheit, daß Gott es geoffenbart hat. Deshalb dürfen wir nicht das eine, was die Kirche lehrt für wahr halten, aber das andere leugnen. Das hieße Gott zum Lügner stempeln. Wir dürfen also keine private Auswahl treffen! Denn, sonst hätten wir den katholischen Glauben aufgegeben. Dann würden wir ja nicht mehr glauben, weil Gott (!) es gesagt hat, sondern wegen der Einsicht unseres eigenen schwachen Verstandes.
Fest ist der heilige Glaube, wenn wir freiwillig nicht daran zweifeln. – Der unfreiwillige Zweifel, dem wir kein Gehör schenken, ist keine Sünde. Er ist eine Versuchung des bösen Feindes, der uns den Glauben entreißen will. Um so mehr müssen wir uns hüten, durch glaubensfeindlichen Medienkonsum und gefährliche Gespräche, derlei Versuchungen heraufzubeschwören, geschweige denn, die Wahrheiten unseres Glaubens freiwillig in Zweifel zu ziehen.
Lebendig ist unser Glaube, wenn wir seine Lehren nicht nur „für wahr halten“, sondern, wenn wir auch nach seinen Vorschriften leben. Der hl. Apostel Jakobus sagt: „Wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne [entsprechende] Werke tot.“ (Jak. 2,26). Und der Völkerapostel sagt im Galaterbrief: „In Christus Jesus gilt [nur] der Glaube, der durch die [Werke der] Liebe wirksam ist.“ (5,6). Wie wir das Leben des Körpers aus seiner Bewegung erkennen, so erkennen wir das Leben des Glaubens aus den guten Werken, die aus diesem Glauben hervorgehen, die gemäß dem Glauben beschaffen, also aus dem Glauben heraus getan sind. Wie der Leib tot ist, wenn die Seele ihn verläßt, so der Glaube, wenn die übernatürliche Liebe weicht, im Denken, Reden und Tun, oder durch Unterlassung.
Schließlich muß der Glaube Standhaftigkeit aufweisen. Das ist der Fall, wenn wir bereit sind, eher alles hinzugeben – selbst das Leben – als vom Glauben abzufallen oder unseren Glauben zu verleugnen.
Wohltaten des Glaubens
Ein solcher Glaube wird dem Katholiken zahllose Wohltaten auf seiner irdischen Pilgerschaft spenden. Er ist der helle Leitstern, der sein helles Licht scheinen läßt im Dunkel des Lebens. – Ja, ist es nicht furchtbar ohne Glauben auf dem stürmischen Meer des Lebens ins Ungewisse hineinzusteuern? Schrecklich, mit all unserem Hasten und Schaffen, mit unseren Mühen und Enttäuschungen tagein tagaus, nicht wissend, worauf das alles hinausläuft: „Vielleicht gibt es eine Ewigkeit, die mich erwartet! Und für die ich mein Leben lang nichts getan habe!“ Ein schrecklicher Gedanke! Wie furchteinflößend, sich im unausweichlichen Tod allein und in banger Ungewißheit hinauswagen zu müssen, in ein unbekanntes „Jenseits“.
Der menschliche Verstand verlangt nach Sicherheit in den wichtigsten Fragen des Lebens. Und der Glaube, gestützt auf Gottes unfehlbares Wort, spendet ihm dieses tröstliche Licht. Er gibt dem Menschenverstand vollumfängliche Antwort, erleuchtet unser Leben, so daß wir wissen, wo unsere wahre Bestimmung ist, und ob wir auf dem richtigen Weg sind.
Eine andere Wohltat des Glaubens besteht darin, daß er unserem Herzen selbst im Leiden Glück und Trost spendet. Er weist uns hin auf den großen Feierabend nach dem mühseligen Arbeitstag dieses Lebens; auf den Himmel, wo wir auch diejenigen wiedersehen werden, deren Tod uns das Herz schwer macht.
Er fordert uns auf, die Hände zu falten, im Gebet und beim Sakramentenempfang bei Gott die übernatürliche Stärkung zu finden, derer wir bedürfen, um in der Liebe auszuharren, bis ans Ende unserer Tage.
Das Glaubenslicht mahnt uns sodann, mit reinem Herzen durchs Leben zu gehen und so alle Gewissensbisse bis hin zur Verzweiflung, sowie körperliche und geistige Zerrüttung zu meiden, die sich so oft im Gefolge der Sünde befinden.
Ferner wird der Glaube sogar zur tragenden Brücke über den gähnenden Abgrund unserer Sünden hinweg. Denn in seinem Licht finden wir immer wieder neue Kraft auch nach einem Fehltritt, wie er ja jedem Menschen zustoßen kann, uns erneut aufzuraffen, im Beichtstuhl ein reumütiges Sündenbekenntnis abzulegen, und uns durch die Worte der hl. Lossprechung eine übernatürliche Gnadenbrücke über die Abgründe menschlicher Schwäche und Bosheit hinweg bauen zu lassen, weiter dem lichten Stern folgend, dem himmlischen Jerusalem entgegen.
Ja, sogar den Abgrund des Todes vermag der Glaube zu überbrücken, wenn wir auf dem Totenbett in seinem Licht auf unser Leben zurückblicken und sagen dürfen: „Mein Gott, Dank sei Dir dafür, daß Du mich im wahren Glauben sterben läßt.“
So beschaffen, wird der Glaube auch für uns zu jenem Licht, das der Prophet Isaias über dem neuen Jerusalem – der katholischen Kirche aufgehen – sah. „Auf! Werde licht, Jerusalem! Siehe, es kommt dein Licht. Seine Herrlichkeit erscheint in dir.“ Es ist jenes Licht, das schon den drei Weisen den Weg leuchtete, das die Völker aller Erdteile und aller Zeiten anzieht und zusammenströmen läßt. In diese endlose Karawane, die seither den drei morgenländischen Pilgern zur Krippe nachfolgt, wollen auch wir uns einreihen.
Der Pilgerzug der Völker im Licht des Glaubens
Nur der Gläubige mit den geschärften Augen sieht in der Kirche, den fortlebenden Christus, der lehrt und erlöst. Nur der Katholik sieht mit den Augen des Glaubens, wie die Prophezeiung wahr geworden ist; daß ganze Völker und Generationen in ihrem Lichte wandeln, wie der Prophet es uns vom übernatürlichen Licht erleuchtet kündete: „Völker wandeln in deinem Lichte und Könige im Glanze deines Aufgangs.“
Das heute von so vielen nationalen und konservativen Kräften in Politik und Gesellschaft beschworene „christliche Abendland“ wäre nicht denkbar, ohne die zwei Jahrtausende Predigt der katholischen Kirche über „Zeit und Ewigkeit“, über den „Sinn des Lebens“, „Seele und Leib“, „Kreuz und Erlösung“, „Gerechtigkeit und Liebe“, über „Sünde und Gericht“, über „Sündennachlaß und die Letzten Dinge“.
So wurden die heidnischen Völker christianisiert und katholisch. Sie begannen im Licht der göttlichen Wahrheit, das in Form des Papsttums seinen sichtbaren Sitz im katholischen Rom genommen hatte, zu wandeln.
Könige wandelten im Glanz des am Horizont der Geschichte aufsteigenden Glaubenslichtes. Alle Stämme und Völker und Nationen wandten sich nach Rom, dem Haupt des Leuchtturms der katholischen Wahrheit. Vom katholischen Rom sprach also der Prophet Isaias, wenn er weissagte: „Sie alle sammeln sich und kommen zu dir; deine Söhne [die Heiden] kommen aus der Ferne, und deine Töchter erheben sich von allen Seiten [des Erdkreises]. Da wirst du schauen und vor Freude überströmen; staunen und weit werden wird dein Herz, wenn zu dir kommen wird, die Fülle des Meeres [d.h. die Menschen von den entlegendsten Inseln], wenn der Völker Schätze zu dir wandern. … mit Gaben von Gold und Weihrauch, laut kündend das Lob des Herrn.“
Sie kommen mit Gaben von Gold und Weihrauch
Die rohe Kraft der Germanen wurde gezähmt, das stolze Gemüt der Slaven gemäßigt, und der scharfe Geist der Romanen erleuchtet. So daß sie alle zusammen ihr Bestes, ihre natürlichen Gaben und Schätze veredeln und zusammenlegen konnten, zum Wachsen der katholischen Kirche und der abendländischen Kultur.
Solange das Licht des Glaubenssternes in Form der Päpste über Rom leuchtete, konnten selbst die finsteren Rauchschwaden der Irrlehren, der Verfolgungen; die Vulkanausbrüche der modernen Radikalismen – Protestantismus, Rationalismus, Empirismus, Materialismus, Liberalismus, Kapitalismus, Sozialismus, Kommunismus, Modernismus, Indifferentismus – den katholischen Glauben nicht zum verschwinden bringen. Nein, aus jedem Anschlag ging die katholische Kirche, bisweilen nach einem starken Aderlaß, doch innerlich gestärkt im übernatürlichen Glauben hervor. Und dabei ist auch das, nur die Außenseite!
Selbst der Gläubige ahnt nur das unsichtbare Wirken der hl. Sakramente in den Seelen, das Wunder des Heiligen Geistes in den Herzen, die Liebesglut vieler Heiliger, die hohe Erleuchtung nie preisgegebener Gnadenstunden, die langen Gebete einsamer und verkannter Gottesfreunde. Auch das sind Reichtümer! Ja, es sind die höchsten übernatürlichen Reichtümer des „neuen Jerusalem“; von seinen besten Bewohnern zusammengetragen.
Von eben diesen Schätzen ging stets jene geheimnisvolle Gnadenkraft aus, die bis zu jenen Völkern reichte, die noch keine Christen waren, und deren Sitten beeinflußte, um so den Tag anzubahnen, daß auch die verbleibenden Heiden sich aufmachen würden, um geleitet vom Licht der katholischen Glaubenswahrheit, mit dem Gold ihrer Liebe, dem Weihrauch der Anbetung und der Myrrhe ihrer guten Werke, zur Krippe pilgern würden.
Der Tag steht freilich noch bevor, daß die Strahlen des katholischen Glaubenssternes in jedes Volk auf dem Erdenrund soweit hineinleuchten, daß er sich in den Grundsätzen aller Verfassungen niederschlagen wird, daß er das öffentliche und private Leben prägt, und aus allen Völkern und Nationen ein einziges macht, das dann, als das eine „Volk der Kinder Gottes“ vereint, im Licht des katholischen Glaubens gen Jerusalem pilgert, dem Jerusalem der Ewigkeit entgegen.
Die Herrlichkeit des himmlischen Jerusalem
Schließlich wird es noch einmal ganz andere Augen brauchen – Augen, nicht des Glaubens, sondern der Glorie – wenn die Vollverwirklichung der Prophezeiung des Isaias eintritt, die mit den drei Weisen aus dem Morgenland ihren Anfang nahm. Dann, wenn der wiederkommende verklärte Christus – strahlender als der hellste Stern – das Gottesreich vollendet, und das neue Jerusalem – die Gottesstadt der Apokalypse – die selige Heimat aller Erlösten sein wird und ihr ewiger Jubel das Gold ihrer übernatürlichen Liebe, der Weihrauch ihre hingebungsvolle Anbetung und die Myrrhe die Strapazen ihrer zurückliegenden irdischen Pilgerschaft sein wird. – „Auf! Werde licht, Jerusalem! Siehe, es kommt dein Licht. Die Herrlichkeit des Herrn ging strahlend auf über dir. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker. Über dir aber geht der Herr auf, und Seine Herrlichkeit erscheint in dir. Völker wandeln in deinem Lichte und Könige im Glanze deines Aufgangs. … Sie alle kommen mit Gaben von Gold und Weihrauch, laut kündend das Lob des Herrn.“ Amen.