14. Sonntag nach Pfingsten
Beweggründe zum Gottvertrauen
Geliebte Gottes!
Man könnte das heutige Evangelium mit vollem Recht das „Hohelied der göttlichen Vorsehung“ nennen. Unser Herr und Erlöser Jesus Christus fordert darin die ungeteilte Hingabe an Gott, an Seinen heiligen Willen und an Seinen weisen Plan, den Er mit jedem Menschen hat; erst recht mit all jenen, die durch den Empfang der hl. Taufe zu Seinen Kindern wiedergeboren worden sind. Christus fordert eine ungeteilte Hingabe. Eine geteilte Hingabe ist ungenügend: „Niemand kann zwei Herrn dienen.“ „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ – Darin besteht ja das große Hindernis, daß wir zwar Gott lieben wollen, daß wir Ihm allein dienen wollen, dabei aber vorsichtshalber auch auf den irdischen Götzen Mammon setzen – auf das Geld, auf das dicke Sparbuch, auf die Vermögensanlage oder die Gold- und Silbermünzen. Wir beten halbherzig, weil wir im Falle, daß das Gebet nicht hilft, darauf bauen, daß jene Vorkehrungen greifen werden, die wir mittels unserer Begabungen und Schaffenskraft selbst getroffen haben. Wohlgemerkt! Es sei nichts gegen Sparsamkeit und geschickte Verwaltung der eigenen Güter gesagt. Jeder muß sich um den Unterhalt für sich und seine Familie sorgen. Außerdem ist es ein Gebot der Klugheit, Rücklagen zu schaffen und seine Handlungen vorausschauend zu planen, damit sie zum gewünschten Erfolg führen.
Sorge, aber ohne Angst
Jesus sagt nicht: „Macht euch keine Sorgen! Trefft keine Vorsorge!“ Das sagt er nicht! Denn es ist der erklärte Wille Gottes, daß der Mensch im Schweiße seines Angesichtes sein Brot essen soll (vgl. Gen. 3). Und dazu gehört auch die Sorge darum. – Wir sollen also Vorkehrungen treffen, so gut wir können. Wir sollen unsere Kräfte mit Fleiß einsetzen, um unseren Lebensunterhalt aufzubringen: Essen, Trinken, Kleidung, Wohnung, Gesundheitspflege. Dafür sollen wir sehr wohl sorgen und uns auch darum sorgen! Jedoch fordert der Herr: „Seid nicht ängstlich besorgt.“ Es geht um die Angst! Die Angst als Motiv für die Sorgen, um das irdische Fortkommen. Die Angst, sonst auf der Strecke zu bleiben. Die Angst, die uns dazu veranlaßt, alle Hoffnung auf die eigene Anstrengung, Planung und Sorge zu setzt. Wenn die Angst die Triebfeder für unser Sorgen ist, dann ist unsere Hingabe an Gott geteilt. – Warum? Die ängstliche Sorge ist nichts anderes als ein unausgesprochener Zweifel gegenüber Gottes Güte und Vorsehung. – Warum haben wir Angst? Weil wir fürchten, daß wir uns auf Gott im entscheidenden Augenblick eben doch nicht verlassen können, daß Gott sich vielleicht doch nicht um uns kümmert, daß Er uns womöglich doch im Stich läßt. Deshalb versucht der Mensch in seiner Angst soviel Sicherheiten wie nur möglich zu schaffen. Je mehr der Glaube abnimmt, um so mehr Versicherungen werden abgeschlossen. Das Versicherungswesen hat sich vor allem in der Moderne perfektioniert, in einer Epoche, für die das Abnehmen des Glaubensgeistes charakteristisch ist. Freilich sind Versicherungen berechtigt, nützlich, ja sogar notwendig. Aber wenn man liest, was man heute nicht alles versichern kann und was von den Menschen tatsächlich versichert wird, so kann man darin durchaus einen Indikator für das Abnehmen des Gottvertrauens einerseits und für die Zunahme der ängstlichen Sorge andererseits sehen.
Gerade vor dem beängstigenden Hintergrund der unabsehbaren Veränderungen, die uns voraussichtlich in den nächsten Wochen und Monaten bevorstehen, müssen auch wir unser Gottvertrauen stärken. Dazu müssen wir 1. der Frage auf den Grund gehen, worauf sich unser Glaube an die Vorsehung Gottes gründet. Warum müssen wir auf Gott vertrauen? Und 2. wollen wir kurz die sieben Beweggründe zum Gottvertrauen, die unser göttlicher Erlöser uns soeben im Evangelium gegeben hat, kurz erwägen.
Das Fundament der Vorsehung Gottes
Der Glaube an die göttliche Vorsehung ist nicht nur ein wichtiges Thema aufgrund der aktuellen Umstände, in denen wir leben, sondern vor allem im Hinblick auf das geistliche Leben insgesamt. Der Glaube an Gottes Vorsehung, d.h. die Überzeugung von dem weisen Plan, den Gott mit jedem von uns verfolgt, ist der Prüfstein für die Echtheit unseres Glaubens. Natürlich hat man den übernatürlichen Glauben, wenn man den Glaubensakt setzt, d.h. jenen Akt der inneren Zustimmung zu alledem, was Gott geoffenbart hat und uns durch das kirchliche Lehramt zu glauben vorlegt. Darin besteht der Glaube. Doch erschöpft sich der Glaube nicht in einem Akt des Intellekts. Er muß sich ausdehnen auf die Praxis. Er muß eine prägende Kraft sein für unser ganzes Leben. Im Gottvertrauen, welches Christus fordert, wird der Glaube lebendig. Die vertrauensvolle Hingabe an Gottes Wille und Leitung macht den Glauben erst zum „gelebten Glauben“.
Warum dürfen wir auf Gottes Vorsehung vertrauen? Was ist das Fundament, auf dem unser Gottvertrauen ruht? – Es ist die Liebe Gottes zu Seinen Geschöpfen. – Um uns diesen Zusammenhang klar zu machen, müssen wir ein wenig ausholen. Wir wissen: Gott hat die Welt aus dem Nichts erschaffen. Gott allein hat das Sein aus sich selbst, und deshalb war ursprünglich nichts außer Gott. Mit der Schöpfung hat Gott Himmel und Erde und alles, was sich darin befindet, aus dem Nichts ins Dasein gerufen. D.h. Er hat allem Geschaffenen Anteil am Sein gegeben. Gott ist das Sein. Deshalb nennt Er Seinen Namen am brennenden Dornbusch „Ich bin der ‚Ich-bin‘“, „Ich bin der Seiende“. – Gott ist das Sein. Die Schöpfung hat das Sein. Jedes Geschöpf hat das Sein von Gott empfangen. Sie alle sind von Gott gemacht worden. Sie alle sind von Ihm erschaffen.
Nun verhält es sich aber bei den Werken Gottes anders als bei den Werken unserer Hände. Ein Werk, das von Menschhänden gemacht ist, kann fortbestehen und besteht oftmals lange Zeit fort, auch wenn der Urheber, der Erbauer, der Schöpfer, sich nicht mehr um sein Werk kümmert. Ein Haus, ein Palast, eine Kathedrale, ein Denkmal kann Jahre, Jahrhunderte, Jahrtausende bestehen, auch wenn der Baumeister nicht mehr an sein Werk denkt, sich nicht mehr darum kümmert, ja wenn dieser bereits längst gestorben ist. Die Heiden und die Vertreter der sog. „Aufklärung“ denken in derselben Weise von Gott. Er habe die Welt geschaffen. Gott habe die Schöpfung als eine riesige Maschine – ein gigantisches Uhrwerk – ins Dasein gerufen, die nach ihrer Vollendung vollkommen selbständig weiterläuft, um die sich ihr Erbauer ferner nicht mehr zu kümmern braucht und um die er sich auch tatsächlich nicht mehr kümmert. Der Uhrmacher-Gott habe die Welt geschaffen, um sie sich selbst zu überlassen, um sie im Stich zu lassen. Das ist das Gottesbild des Deismus. Sie schicken Gott in Pension und leugnen, daß sich Gott weiterhin um Seine Schöpfung sorgt. – Kann diese Vorstellung richtig sein? Kann die Welt tatsächlich und im wahrsten Sinne des Wortes so „selbst-ständig“ fortbestehen? Kann sie wie ein Bauwerk aus eigener Kraft bestehen bleiben, ohne daß Gott dafür zu sorgen hätte? Ganz und gar nicht! Warum? – Wir haben den Grund schon genannt. Weil die Schöpfung nicht das Sein aus sich selbst hat, sondern von Gott, der das Sein ist, empfangen hat. Es genügt jedoch nicht, daß die Schöpfung von Gott ins Dasein gerufen wurde! Sie ist nicht nur in ihrer Entstehung absolut von Gott abhängig. Sie ist es auch in ihrem Fortbestand. Gott muß die Schöpfung fortwährend im Dasein erhalten. Man spricht von einer „creatio continua“, von einer „fortwährenden Schöpfung“. Zur Illustration ein Beispiel: Stellen wir uns eine Projektionsleinwand vor, eine Kinoleinwand. Die Leinwand ist dunkel. Doch auf der dunklen Leinwand kann ein Bild erschaffen werden. Das geschieht mittels eines Filmprojektors. Der Projektor wirft ein Lichtbild auf die Leinwand. Gleichsam aus dem Nichts wird etwa das Bild eines Menschen auf der Leinwand sichtbar. Der Filmprojektor hat es ins Dasein gerufen, es gleichsam erschaffen. – Wie lange besteht das Lichtbild fort? So lange und keinen Augenblick länger, als der Projektor das Licht auf die Leinwand wirft. Sobald der Projektor ausgeschaltet wird, fällt auch das von ihm erschaffene Bild umgehend ins Nichts zurück. Es kann nicht unabhängig von ihm fortbestehen. Die schöpferische Tätigkeit des Projektors muß die ganze Zeit ununterbrochen fortdauern. – Wie also die dunkle Leinwand aus sich selbst weder ein Lichtbild hervorbringen noch ein solches im Dasein erhalten kann, so müssen wir auch von allen Geschöpfen und von der ganzen Welt denken. Sie haben sich weder das Sein selbst gegeben, sich selbst erschaffen; noch können sie sich im Dasein erhalten, sie müssen ununterbrochen durch Gottes Tätigkeit im Sein erhalten werden. – Was folgt daraus? Es folgt daraus, daß alles Geschaffene nur solange bestehen kann, als ihm von Gott fortwährend das Dasein mitgeteilt wird. Würde Gott auch nur einen Augenblick aufhören, die Schöpfung oder auch nur eines Seiner Geschöpfe – einen Planeten, einen Menschen, ein Bakterium, ein Atom – im Dasein zu erhalten, so würde das betreffende Geschöpf augenblicklich ins Nichts zurückfallen. So wie das Lichtbild sofort aufhört zu existieren, sobald der Projektor auch für nur den Bruchteil einer Sekunde ausfällt. Gott muß die Welt fortwährend aktiv im Sein erhalten. Er muß an Seinen Geschöpfen und in ihnen ununterbrochen tätig sein und wirken – im gewaltigen Gebirgsmassiv genauso wie im winzigsten Atom. Er muß sich ununterbrochen um uns sorgen. Und dabei ist Er jedem von uns in einer unfaßbaren Weise nahe, weil Er uns und alles an uns und um uns im Dasein erhalten muß. Er muß unseren Leib und alle seine Teile beständig im Dasein erhalten. Er muß unsere Seele im Dasein erhalten. Ja, sogar unsere Gedanken, unsere Ideen bedürfen Seiner seinsstiftenden Unterstützung. Er sorgt jeden Augenblick dafür, daß wir weiterhin existieren, daß wir uns bewegen, ja sogar, daß wir denken können.
Nun müssen wir jedoch noch weiterfragen und uns darüber klar werden, warum Gott so handelt. Warum hat Gott die Welt erschaffen? Warum erhält Er sie fortwährend im Dasein? – Fest steht: Gott hätte die Welt und die einzelnen Geschöpfe nicht erschaffen müssen. Er war nicht dazu gezwungen. Es war ein freier Willensakt Gottes. Warum hat Er sich dazu entschlossen? Gott hat die Welt erschaffen, um Seine Liebe und Seine Güte zu offenbaren; um Seine Liebe und Güte mitzuteilen und zu verherrlichen. Die gesamte Schöpfung ist in ihrem Dasein ganz von der Liebe Gottes abhängig. – Im Schöpfungsbericht lesen wir am Ende jedes Schöpfungstages, da Gott sprach „Es werde ...“, die Worte „Und Gott sah, daß es gut war.“ Zu jedem Geschöpf sprach Gott: „Ich will, daß du da bist. Ich will, daß es dich gibt. Und es ist gut, daß es dich gibt. Es ist gut, daß du da bist.“ Dieses Wort der Liebe schenkt jedem Geschöpf das Dasein – vom höchsten Engel bis zum kleinsten Elektron. Aber mehr noch! Die Tatsache, daß all das, was geschaffen wurde, fortwährend existiert und im Dasein erhalten wird, ist der deutlichste Beweis dafür, daß Gottes Liebe unverbrüchlich ist. Die Tatsache, daß wir dasind, beweist, daß Gott uns liebt. Denn unsere Erhaltung im Dasein ist nichts anderes als das fortwährende und nie verhallende Wort der Liebe Gottes: „Es ist gut, daß es dich gibt. Es ist gut, daß du da bist.“ – Gott erhält sogar den Sünder im Dasein, wenn er gegen Ihn sündigt, wenn er Ihn lästert. Gott hält ihn im Dasein. Ja, Er erhält selbst den Teufel im Dasein. Gottes Liebe ist so souverän und unverbrüchlich, daß Er sein seinsstiftendes Schöpfungswort selbst dem Teufel gegenüber nicht zurücknimmt. Freilich, Gott straft den Teufel bis in alle Ewigkeit, weil der Satan die göttliche Liebe nicht erwidern will. Trotzdem hat Gott ihn nicht im wahrsten Sinne des Wortes „ver-nichtet“. Und gerade deswegen liefert uns die fortwährende Existenz des Teufels vielleicht den am meisten beeindruckenden und damit vollkommensten Beweis dafür, daß Gott Seine seinsstiftende Liebe niemals widerruft. Selbst dann nicht, wenn sich ein Geschöpf in Haß und Auflehnung von Ihm abwendet und dabei Seine unverbrüchliche Liebe in ewige Qual verkehrt.
Hier sind wir an dem tiefsten Grund angelangt, worauf sich unser Glaube an Gottes Fürsorge und Vorsehung für jeden einzelnen von uns gründen muß. Zu jedem einzelnen von Ihnen, liebe Gläubige, spricht Gott jeden Moment: „Es ist gut, daß es dich gibt. Es ist gut, daß du da bist.“ Mit einem Wort: „Ich liebe dich.“ – Und wer wüßte nicht, daß ein Liebender stets besorgt ist um das Wohlergehen des Geliebten. Gott sorgt sich um uns. Er kümmert sich um uns, mehr als wir ahnen. Mehr als ein Bräutigam um seine Braut. Mehr als ein Vater um sein geliebtes Kind. Deshalb können, dürfen und müssen wir Vertrauen auf Gott haben und uns Seiner Vorsehung vollkommen hingeben. Er wird uns niemals im Stich lasse. Er kann gar nicht auf aufhören, an uns zu denken und sich um uns zu kümmern!
Sieben Beweggründe zum Gottvertrauen
Um unser Gottvertrauen zu vertiefen, liefert uns unser Herr Jesus Christus im heutigen Sonntagsevangelium sieben Beweggründe.
Erstens: Christus sagt: „Ist nicht das Leben mehr als die Speise und der Leib mehr als die Kleidung?“ (Mt. 6, 25). Mit dem hl. Hieronymus dürfen wir aus den Worten Christi folgern: Gott hat uns das Größere gegeben. Er hat uns geschaffen, uns Leib und Leben geschenkt. Wenn Er das Größere – das Leben – gegeben hat, dürfen wir dann nicht auch zuversichtlich auf das Kleinere hoffen? Also auf all das, was wir zum Leben brauchen? Freilich werden wir durch Engpässe geführt und Bedrängnisse leiden müssen. Nur so kann sich unser Gottvertrauen beweisen. Ohne Anfechtung bleibt der Tugendhafte unbekannt. Doch dürfen wir gerade in der Prüfung auf das „tägliche Brot“, um das wir im „Vater unser“ für „heute“ beten sollen, stets hoffen. Wir sollen nicht kleinmütig, nicht nervös oder verzagt sein und auch nicht in eigensüchtiger und engstirniger Sorge der Versuchung erliegen, unseren Unterhalt durch Anwendung unlautere Mittel, also gegen Gottes Gebot, zu „besorgen“. Die Hoffnung auf das Notwendige soll immer getragen sein von der Zufriedenheit mit dem, was uns zuteil wird. So schreibt der hl. Paulus an Timotheus: „Wir haben doch nichts in die Welt hereingebracht, wir können auch nichts mit hinausnehmen. Haben wir Nahrung und Kleidung, so wollen wir damit zufrieden sein. Die aber reich werden wollen, fallen in Versuchung und Schlinge und in viele törichte und schändliche Begierden, welche den Menschen in Untergang und Verderben stürzen..“ (1. Tim. 6, 7-9).
Zweitens: Christus verweist auf die göttliche Fürsorge für jene Geschöpfe, die in der Schöpfungsordnung viel niedriger stehen als der Mensch. „Betrachtet die Vögel des Himmels! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammel nicht in Scheunen, und doch ernährt sie euer himmlischer Vater“ (Mt. 6, 26). Gott kleidet sie, versorgt sie in allem weit besser, als menschliche Kunst es vermöchte. „Betrachtet die Lilien des Feldes ... sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Aber nicht einmal Salomon in all seiner Herrlichkeit war gekleidet wie eine von ihnen“ (Mt. 6, 28).
Drittens: Daraus folgt unser Vorzug vor allen anderen sichtbaren Geschöpfen: „Seid ihr nicht viel mehr als sie?“ (Mt. 6, 26) „Wenn Gott das Gras, das heute auf dem Feld steht und morgen in den Ofen geworfen wird, also kleidet, wieviel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen!“ (Mt. 6, 30). Wir sind Gott lieber, also wird Er sich auch um so mehr unserer Bedürfnisse annehmen. Dieser Gedanke soll unser Vertrauen auf Gott stärken, um von Ihm Hilfe zu erwarten. Er soll uns aber auch trösten, wenn Gottes Vorsehung die von uns erwünschte Hilfe versagt. Denn keine Blume kann für das Himmelreich Tugendverdienste sammeln. Und kein Vogel kann verdienstliche Opfer bringen und leiden. Somit sollen selbst die Prüfungen in uns die selbstbewußte Gesinnung wachrufen: Gott will das Beste für mich. Ich bin Ihm mehr wert. Deshalb prüft Er mich und gibt mir Gelegenheit, um übernatürliche Schätze zu erwerben!
Viertens: Christus erinnert an die Nutzlosigkeit der ängstlichen Sorge. Sie bringt rein gar nichts. „Wer von euch kann mit all seinem Sorgen seiner Leibeslänge auch nur eine Elle hinzufügen?“ (Mt. 6, 27). Der Mensch soll arbeiten. Er soll seine Pflichten erfüllen. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ (2. Thess. 3, 8). Wenn einer seine Pflicht tut, dann hat er alles Notwendige getan, um sich der Hilfe Gottes würdig zu machen. Alles was darüber hinausgeht – alle Angst und Furcht, aller Gram und Kummer – helfen ja doch nichts. Sie machen alles nur schwerer und bedrückender. Außerdem wird Gott durch derlei Gedanken beleidigt, weil sie den Vorwurf beinhalten, als würde sich Gott um nichts kümmern.
Fünftens: Christus entlarvt die ängstliche Sorge für das Zeitliche als das, was sie ist – die Gesinnung des Unglaubens und des Heidentums. „Denn um all das [Essen, Trinken, Kleidung] kümmern sich die Heiden“ (Mt. 6, 32). Wer fortwährend den Verlust oder den Mangel an zeitlichen Dingen fürchtet, lebt offensichtlich allein für diese Welt, nicht für die Ewigkeit. Das ist eines Katholiken unwürdig.
Sechstens: Der Herr verweist uns auf die Allwissenheit Gottes: „Euer Vater weiß ja, daß ihr all dessen bedürft“ (Mt. 6, 32). Gott weiß, was und warum uns etwas fehlt. Wozu also die kleinmütigen Gedanken, als habe Gott uns vergessen? „Euer Vater weiß“! D.h. das Wissen Gottes ist mit väterlichem Wohlwollen verbunden. Gott weiß vollkommen, aus welch heilsamen Gründen Er diese Bedrängnis, jene Entbehrung oder ausgerechnet diesen Verlust über uns verhängt. – Darüber hinaus weiß Gott, im Gegensatz zu uns, außerdem auch, wie Er uns helfen wird. Gewiß ist, daß Er uns nicht zu Hilfe eilen wird wegen unseres Zweifels oder aufgrund unseres Haderns mit Seinem weisen Plan. Wie oft sagte doch Christus im Evangelium: „Dein Glaube hat dir geholfen“! Niemals hören wir aus Seinem Mund: „Dein Kummer, dein Zweifel, deine Verzagtheit, deine Auflehnung hat dir genützt.“
Siebtens schließlich lenkt unser Herr all unsere Gedanken auf das höchste und letzte Ziel: „Suchet also zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit“ (Mt. 25, 33). D.h. wenn uns irdische Nöte und Bedrängnisse befallen, sollen wir den Schluß ziehen, daß wir uns um bessere, höhere, geistige, für jedermann zugängliche und unvergängliche Güter umsehen sollen. Die übernatürlichen Güter, die uns das Reich Gottes finden und erreichen lassen. Das kann nur gelingen, wenn wir die Gerechtigkeit üben, d.h. wenn wir aus dem Glauben leben. Wenn wir Gott das vollkommene und ungeteilte Vertrauen schenken, das er verdient. – Wir müssen das Reich Gottes „suchen“, weil es verloren war; weil es unendlich viel wert ist; und von dem, der es sucht, auch gefunden wird. Es muß „zuerst“ gesucht werden. Weil alles andere Nebensache ist. Wenn der Mensch die Suche nach dem Reich Gottes als seine Hauptaufgabe betrachtet, so wird ihm Gott das Irdische als Zugabe in der notwendigen Weise schenken: „So wird euch dieses alles hinzugegeben werden.“
Wer sich ganz auf Gott verläßt, für den sorgt Gott. Von diesem Vertrauen auf Gottes Vorsehung war die Gedankenwelt des hl. Franz von Assisi durchdrungen: Arm leben. Nur für Gott da sein. Sich ganz Gottes Fürsorge überlassen. Und er ist nicht enttäuscht worden, weil Gott für die Armen im Geiste Seine Hand offen hält. Gar zu leicht vergessen wir Menschen über der Mannigfaltigkeit unserer Geschäfte und Sorgen den Blick zu den höchsten, unvergänglichen Gütern zu erheben. Wer den Himmel vor allem sucht, erhält die Erde als Zugabe. Wer die Erde vor allem sucht, verliert Erde und Himmel zusammen. Ja, wir bedürfen der Nahrung für den Leib. Aber auch die Seele muß Speise erhalten. Wir brauchen die Kleidung zum Schutz des Leibes, aber wir brauchen für die Seele auch das hochzeitliche Gewand der Gnade, die uns heiligt und uns zu einem Gotteskind macht. Sobald sich einer aufrichtig um das ewige Heil seiner Seele sorgt, dem ist die Hand des himmlischen Vaters geöffnet, und er wird Segen um Segen empfangen: „Suchet also zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und dies alles wird euch dazu gegeben werden.“ Amen.