Unbeflecktes Herz Mariä
Selig, die reinen Herzens sind
Geliebte Gottes!
Heute feiern wir das Fest des Unbefleckten Herzens Mariä. Papst Pius XII. hat die Verehrung des Unbefleckten Herzens der Gottesmutter im Jahr 1944 zu einem der bedeutenderen Marienfeste erhoben und auf den Oktavtag der Festwoche von Mariä Himmelfahrt gesetzt.
Das Bild des Herzens
Die Verehrung des Unbefleckten Herzens Mariä hat einen ähnlichen Zweck, wie die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu. – Wenn wir sagen, ein Mensch habe ein gutes Herz, dann wollen wir in der Regel nicht damit sagen, daß jemand ein gesundes Herz habe, das kraftvoll das Blut durch die Adern zirkulieren läßt. Wir wollen damit sagen, daß die Persönlichkeit eines Menschen tugendhaft, gütig, voll Liebe und Wohlwollen ist. Unsere Andacht gilt demnach nicht einem bestimmten Organ am Leib der allerseligsten Jungfrau Maria, sondern wir verehren das, wofür das Bild ihres Herzens steht. Wir verehrten ihre Liebe. Wir verehren das, was Maria geliebt hat.
Das Herz repräsentiert die ganze Persönlichkeit eines Menschen, seine Gesinnungen, sein geistiges und sittliches Innenleben; besonders Liebe, Erbarmen und die Kraft zur Hingabe. Wir sollen also auf das Unbefleckte Herz Mariens blicken, insofern es die ganze Liebe und Persönlichkeit der Gottesmutter repräsentiert. Wie wir im Herzen Jesu die ganze Liebe und Persönlichkeit unseres göttlichen Erlösers verehren, genauso repräsentiert das Unbefleckte Herz die ganze Persönlichkeit und Liebe Mariens. – Wie die Herz-Jesu-Litanei mit jeder Anrufung versucht, den ganzen Reichtum der göttlichen Persönlichkeit unseres Herrn Jesus Christus vor uns auszufalten, damit wir die Schätze Seines heiligsten Herzens bestaunen und verehren können, so erhalten wir auch durch die einzelnen Anrufungen der Lauretanischen Litanei einen Einblick in das Innenleben der Gottesmutter, in den Reichtum und die Schönheit ihres Unbefleckten Herzens. Zahlreiche und ganz wunderbare Schätze der Gnade sind in diesem makellosen Herzen enthalten. Gläubig wollen wir heute in diese übernatürliche Schatzkammer eintreten, um gerade eine Eigenschaft des Unbefleckten Herzens Mariä zu betrachten – die Reinheit.
„Selig, die reinen Herzens sind!“
In der Litanei wird die Gottesmutter als „Mater purissima“ – „Du reinste Mutter“ angerufen. Das Unbefleckte Herz Mariens ist die Erfüllung dessen, was der Sohn Gottes bei Seiner Bergpredigt seliggepriesen hatte: „Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen“ (Mt. 5, 8). – Je sauberer die Fensterscheiben eines Haus sind, um so ungehinderter kann das Sonnenlicht durch die Fenster hindurch in einzelnen Räume hineinfallen und sie mit Helligkeit erfüllen. – Die Herzensreinheit ist die lautere Gesinnung, die sich im ganzen moralischen Bereich des Lebens, entsprechend dem eigenen Stand und Beruf, ein reines, gutes Gewissen bewahrt. Sie ist jene seelische Geradheit und kristallklare Aufrichtigkeit, die sich ungeteilt Gott und Seinem heiligen Willen hingibt; die offen und empfänglich ist, nicht nur für die Weisungen der allgemeinen Gebote des Dekalogs, sondern selbst gegenüber den unmerklichen Einladungen der göttlichen Gnade, welche sanft durch die Einsprechungen des Gewissens dazu aneifert, das Gute zu tun und das Böse zu meiden. – Die Herzensreinheit führt zur Christusnähe und Gottähnlichkeit, wie wir gerade am Beispiel der Gottesmutter sehen. Aufgrund ihrer makellosen Herzensreinheit war sie ganz durchflutet von der Fülle der aller Gnaden; war sie so empfänglich für alles Göttliche. Ihr Herz war so durchlässig für das unfaßbare, ewige „Licht der Welt“ (8, 12), das aufgrund Seiner Überhelle noch von keinem Auge geschaut wurde. Dank des reinsten, unbefleckten Herzens Mariä konnte das „Licht der Welt“ im Fleische sichtbar gemacht werden. Sie hat das göttliche Licht in ihrem reinsten Schoß wie ein Brennglas aufgefangen und gebündelt. „Selig bist du, Jungfrau Maria, den Himmel und Erde nicht zu fassen vermögen hast du in deinem reinsten Schoß getragen.“ Daß wir Gott in Menschennatur schauen dürfen, haben wir der Reinheit des Unbefleckten Herzens zu verdanken. Es geschah um ihrer Reinheit willen: „Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ Die Menschwerdung Gottes aus Maria war die Wirkung, der Effekt ihrer makellosen Herzensreinheit.
Die notwendige Reinigung des Menschenherzens
Der Herzensreinheit entgegengesetzt ist „die Unreinheit und Unzüchtigkeit aller Art, was Götzendienst ist und keinen Anteil am Reiche Gottes hat.“ (vgl. Eph. 5, 5). – Der Mensch ist ein Geschöpf. Er ist zusammengesetzt aus Leib und Seele, aus Geist und Materie. Weil die menschliche Natur auch körperlich ist, deshalb haben wir die gefährlich Neigung in uns, statt nach geistigen, göttlichen Dingen in exzessiver Weise nach materiellen Dingen zu verlangen. Wohlgemerkt es gibt eine geordnete Hinneigung zu materiellen Geschöpfen. Wir brauchen die Speise. Wir brauchen zum Leben bestimmte irdische Güter. Wir sollen den Mitmenschen lieben. Aber aufgrund der Folgen der Erbsünde tendieren wir zu einem ungeordneten, übertriebenen, exzessiven Verlangen danach. Wenn wir dem ungeordneten Verlangen nach materiellen Geschöpfen und Genüssen nachgeben, dann verunreinigen wir unser Herz. Dann beschmutzen wir es.
Ein reines Herz haben, bedeutet losgelöst zu sein von der ungeordneten Anhänglichkeit an materielle, irdische Dinge. Ein reines Herz weiß die Güter dieses Lebens in der rechten, geordneten Weise zu gebrauchen. Es liebt die materiellen Geschöpfe nur in der Weise, wie es dem Wille Gottes entspricht. D.h. es liebt die geschaffenen Güter auch nur zu dem Zweck, wozu Gott will, daß wir sie lieben sollen. Ein reines Herz weiß sich ferner von den aufbegehrenden Leidenschaften, von den ungeordneten Strebungen loszureißen, sie zu besiegen, sie zu überwinden.
Das Herz der Gottesmutter wird „unbefleckt“ genannt. Das bedeutet, es ist absolut rein. Wir alle kennen das. Im Haushalt muß Vieles immer und immer wieder gereinigt werden. Seien es die erwähnten Fenster, sei das Inventar und ei Böden, sei es das Geschirr oder die Wäsche. Nach der Reinigung sagen wir, es sei nun sauber. Doch aus Erfahrung wissen wir: Es gibt Reinheitsgrade! Je nachdem, wie sorgfältig die Reinigung beim Putz, beim Abwasch, bei der Wäsche vorgenommen wurde gibt es entsprechende Grade der Sauberkeit. – In derselben Weise gibt es auch Grade im Hinblick auf die Herzensreinheit. Jeder, der sich im Stande der heiligmachenden Gnade befindet, hat im Grunde ein „reines Herz“. Aber der Mensch, der darüber hinaus ein abgetötetes Leben führen, wie etwa ein heiligmäßiger Mönch oder Einsiedler, hat ein „reineres Herz“, als der laue Durchschnittskatholik, der mehr schlecht als recht auf dem schmalen Grad zur Todsünde balanciert.
Die allerseligste Jungfrau, deren Herz unbefleckt, d.h. absolut rein ist, hat keinerlei ungeordnete Anhänglichkeiten an geschaffene Dinge. Sie ist völlig frei davon, weil sie niemals unter dem Einfluß der Erbsünde gestanden ist und folglich auch nie von deren schrecklichen Folgen berührt wurde. Ihre Seele wurde unbefleckt empfangen. Sie blieb von der Erbsünde ausgenommen und verspürte, im Gegensatz zu uns, die Tendenz zur Sünde nicht. Ihre Reinheit ist also so makellos, daß es gar nicht möglich war, sie zu beflecken. Damit überragt ihre Reinheit auch die der größten Heiligen. Egal wie sehr diese ihr Herz abgetötet hatten. Egal wie lange sie der Versuchung erfolgreich widerstanden. Egal wie lange sie ihr Herz durch eine strenge, disziplinierte Lebensordnung gereinigt haben. Bis zum letzten Atemzug blieb der „fomes peccati“, der „Zündstoff der Sünde“, also die Neigung zu sündigen in ihnen lebendig. Selbst die größten Heiligen mußten bis zu ihrem letzten Atemzug gegen die ungeordneten Neigungen kämpfen. Damit haben sie sich große Verdienste vor Gott erworben. – Und auch wir finden uns jeden Tag aufs neue auf den Kampfplatz gestellt, um die Versuchungen zu bekämpfen, um die ungeordnete Liebe zu den geschaffenen Dingen zu überwinden. Das wird auch bei uns so bleiben, selbst wenn jemand einen hohen Grad der Heiligkeit erreichen sollte.
Das Tor der Liebe
Für Maria war all das gänzlich unbekannt. Sie verspürte nie auch nur die leiseste Neigung zur Sünde in sich. Sie wurde von den Geschöpfen nie in der Weise angezogen, daß sie sich damit hätte beschmutzen können. Sie war unbefleckt rein. – Ihr Herz liebt Gott allein. Sie liebt Gott. Und sie liebt den Nächsten um Gottes willen. Weil die Gottesliebe der allerseligsten Jungfrau ganz rein ist, deshalb ist auch ihre Nächstenliebe makellos rein. Weil sie die reinste Nächstenliebe hat – ganz frei von persönlichen Erwartungen und jeder Verzweckung, sondern allein um Gottes willen – deshalb konnte sie die Mutter der gesamten Menschheit, die Mutter der Christenheit, die Mutter der Gläubigen werden. Ihre Liebe sorgt sich um jeden Menschen, weil jeder Mensch nach dem Willen Gottes in den Himmel kommen soll. Sie sorgt sich um die Bekehrung der Heiden, der Ungläubigen, der Sünder, damit sie nicht ewig verlorengehen. Aufgrund ihrer makellos reinen Nächstenliebe kann sich jeder Mensch an die allerseligste Jungfrau Maria wenden. Deshalb können wir uns stets mit unseren Gebeten, mit unseren Problemen und in unseren Zweifeln und Ängsten an sie wenden.
Weil das Herz der Jungfrau Maria eine derart reine Gottesliebe in sich trägt, die nur von der unendlichen Gottesliebe des heiligsten Herzen Jesu übertroffen wird, deshalb hat sie auch eine derart reine Nächstenliebe, die nur von der unendlichen Nächstenliebe des heiligsten Herzens Jesu überboten wird. Allein die Tatsache, daß Maria ein Geschöpf und damit begrenzt ist, setzt ihrer Liebe zu Gott und ihrer Liebe zum Nächsten eine Grenze, im Vergleich zu der unendlichen Liebe des heiligsten Herzens Jesu. Trotz dieser Grenze ist das Unbefleckte Herz Mariä das vollkommenste Meisterwerk Gottes. Es ist die vollendete Kopie des heiligsten Herzens Jesu. Ihr reines Herz hat den höchsten Grad der Ähnlichkeit mit unserem Herrn Jesus Christus erreicht. Wir können also sagen: Die Reinheit ist das Tor der Liebe. Je größer die Herzensreinheit, desto größer die Liebe zu Gott; und in der Folge, um so größer auch die Liebe zum Nächsten.
„Sie werden Gott schauen!“
Denjenigen, die ihr Herz im täglichen Kampf von der ungeordneten Anhänglichkeiten an die Geschöpfe immer mehr reinigen, wird – entsprechend dem Grad ihrer Reinheit – als der ihrer Tugend zugeeignete Lohn die Gottesschau versprochen. „Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ Schon der König David stellt im 23. Psalm die Frage: „Wer darf hinaufsteigen zum Berg des Herrn?“ (3). Wer darf hinaufsteigen in den Himmel? Wer darf sich Gott nahen? Ihn schauen? – Und David selbst gibt die Antwort: „Wer reine Hände hat und ein lauteres Herz“ (5). Der hl. Papst Leo der Große sagt: „Wo das Seelenauge von der Umnachtung der Sündenschuld und Weltlust frei geworden ist, da darf sich sein reiner Blick an der Schau Gottes weiden und vermag dann auch nur einzig in Ihm gesättigt zu werden.“
Die vorbereitende, beginnende Gottesschau im Pilgerstand besteht zunächst in einer tiefen, umfassenden „Glaubensschau“ der göttlichen Wahrheiten und Gnadengeheimnisse. Mit zunehmendem inneren Reinheitsgrad kann der Heilige Geist in einer Seele eine um so größere Wirktätigkeit entfalten; und der Glaubensschau mittels der Gabe der Weisheit und der Gabe des Verstandes eine ungeahnte Tiefe und Schärfe verleihen. Diese kann sich bis zur „geheimen Gottesschau“, der sogenannten „mystischen Beschauung“ steigern. Dabei wird die Seele auf übernatürliche Weise erleuchtet, sodaß ihr ein tiefes Erkennen, Lieben und Genießen Gottes, Seiner Wesenseigenschaften und Gnadengeheimnisse ermöglicht wird. Christus selbst hat über den Zusammenhang der übernatürlichen Gottesschau und der Herzensreinheit gesagt: „Wer immer Mich liebt, der wird von meinem Vater geliebt, und Ich werde ihn lieben und Mich ihm offenbaren “ (Joh. 14, 21). Die mystische Gottesschau bleibt jedoch zeitlebens von einem noch größeren Dunkel umfangen. Erst mit dem Tod wird die dunkle Glaubensschau schließlich im jenseitigen Verklärungszustand übergehen in die klare, unverhüllte beseligende Wesensschau des dreifaltigen Gottes. Dort „werden wir Gott schauen, wie Er ist“ (1. Joh. 3, 2).
Leitbild für die moderne Welt
Papst Pius XII. hat durch die Einsetzung des heutigen Festes das Unbefleckte Herz der Gottesmutter zum Leitstern für die moderne Welt erklärt. Denn die Welt der Moderne ist derart von der ungeordneten Anhänglichkeit an materielle Güter beherrscht, daß sie gerade dadurch aufs Zutreffendste charakterisiert wird. Die Vereinnahmung durch geschaffene Güter und die Unreinheit der Herzen ist das Charakteristikum der Moderne! – Die Ursache der religiösen Gleichgültigkeit unserer Tage, der Grund warum sich nur noch eine geringe Zahl von Menschen für den katholischen Glauben interessiert, findet sich in der Unreinheit der Herzen. Die Fenster der meisten Herzen sind mit einer dicken, schmutzigen Kruste verklebt.
Denken wir etwa an die Habsucht, an die Jagd nach Geld, Komfort und Wohlstand. Sie hat die Menschen gefühllos, herzlos und lieblos werden lassen. Weil die Menschen ganz vereinnahmt sind vom Geld, von ihren Hobbys, vom Urlaub, deshalb kümmern sie sich um nichts anderes als sich selbst. Sie kümmern sich nicht mehr um die Regierung ihres Landes, nicht um das Gemeinwohl im Staat, nicht um die Zukunft ihres Volkes. Das alles ist ihnen egal, solange sie genug Geld zum leben haben, solange die Regale im Supermarkt voll sind, solange die Kinos, Clubs und Gasthäuser öffnen dürfen und die Reisefreiheit nicht eingeschränkt ist.
Oder denken wir an die Unreinheit auf dem geschlechtlichen Gebiet. Wie anders könnte man unsere moderne Gesellschaft beschreiben, als daß sie besessen ist vom Dämon der Fleischeslust und der Unkeuschheit? Auch die Exzesse auf diesem Gebiet haben die Menschen gefühllos, herzlos und lieblos gemacht. Jeder Sinn für Anstand ist geschwunden, so daß heute ein Maß von Unsittlichkeit nicht nur möglich, sondern sogar salonfähig geworden ist, über das man vor fünfzig, sechzig Jahren nicht einmal hätte reden wollen. Viele Menschen verhalten sich wie Tiere, die sich um nichts anderes kümmern als das hemmungslose Ausleben ihrer Trieben. Die Unreinheit der Herzen verdunkelt das Licht des gesunden Menschenverstandes. Sie macht den Menschen dem Tiere gleich. Ja, schlimmer noch als das Tier. Denn selbst Tiere richten ihre Art nicht dadurch zugrunde, daß sie ihre eigene Nachkommenschaft im Mutterschoß töten.
Die Vereinnahmung durch materielle Dinge steigert sich in unseren Tagen bis zur Verachtung und zum Haß Gottes. Aus einer allgemeinen Gleichgültigkeit wird zunehmend eine aggressive Haltung. Dorthin bewegen wir uns gerade. Die moderne Gesellschaft verachtet, ja haßt Gottes Ordnung, Seinen Anspruch, Seine Autorität. Sie hat keine Furcht vor Ihm. Auch nicht vor Seiner Gerechtigkeit. Deshalb fahren so viele Menschen sofort hoch und werden aggressiv, wenn man sie über Gottes Forderungen, über Gottes Gericht und ihre Pflichten Gott gegenüber aufklärt. Alles das läßt sich zurückführen auf die beschmutzten, verblendeten, verfinsterten Herzen so vieler Menschen.
Das Herz, welches Gott liebt
Diesem unreinen Zeitalter hält die Kirche das Unbefleckte Herz Mariens entgegen. Das Herz, welches Gott liebt! Denn die Kirche weiß, daß wir einst gerichtet werden, wenn wir aus diesem Leben scheiden. Sie weiß, daß das Urteil sich an dem orientieren wird, was wir in diesem Leben geliebt haben, woran unser Herz gehangen hat. „Denn wo dein Schatz ist, da ist auf dein Herz“ (Mt. 6, 21). Gott wird uns im persönlichen Gericht nach unserem Tod nur eine einzige Frage stellen: „Was hast du geliebt?“ – Und wenn wir dann zugeben müßten, daß wir in diesem Leben Gott vom Thron unseres Herzens herabgestürzt und statt dessen materielle, geschaffene, unreine Güter zu unseren Götzenbildern erhoben haben, dann werden wir zur Hölle verdammt werden, weil wir eben das geliebt haben, was die Hölle ist – ein Geschöpf ohne Gott, ohne Gottes Ordnung, ohne Gottes Liebe! – Wenn wir hingegen Gott geliebt haben und Ihm den Vorzug vor allem Geschaffenen gegeben haben, indem wir beharrlich und tapfer den Kampf wider die Versuchungen gekämpft haben, dann dürfen wir das ewige Leben erhoffen. Aber selbst dann werden wir noch beurteilt nach dem Maß, nach dem Grad unserer Gottesliebe: „Bist du auf all Meine Gnadenerweise eingegangen? Hast du treu mit der Gnade, die Ich dir angeboten habe mitgewirkt? Hast du Mich geliebt, aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele, mit deinem ganzen Gemüt und aus allen deinen Kräften? Hast du deinen Glauben offen bekannt wenn es erforderlich war? Hast du die Opfer gebracht, die Ich von dir gefordert habe?“ – Das sind die Fragen der Liebe, die uns Gott stellen wird. Und unsere Antworten werden unsere Ewigkeit bestimmen. Denn die Gottesliebe ist der Sinn des Lebens hier auf Erden und sie ist der Sinn des Lebens in der Ewigkeit.
Das ist der Grund, warum die Kirche Männer und Frauen zur Ehre der Altäre erhebt. Die Märtyrer, Bekenner, Jungfrauen, einfach alle Heiligen, sind Menschen, die mit ihrem Leben das gemacht haben, was sie damit tun sollten – Gott in aller Reinheit zu lieben. Gott über alles zu lieben, selbst mehr als ihr eigenes Leben. In dieser Hinsicht haben die Heiligen im Grunde nichts Außerordentliches geleistet. Gott erwartet das von allen Menschen. Was hingegen an den Heiligen, deren Feste die Kirche feiert, außerordentlich ist, das ist, daß sie sich selbst überwunden haben. Dem hl. Dominikus wird der Satz zugeschrieben: „Der größte Sieg ist der Sieg über sich selbst.“ Dieser Sieg der Heiligen besteht in dem Triumph über die sündhaften Neigungen in ihrem Herzen. Wer Gott wirklich treu und über alles liebt, der wird mit Seiner Gnadenhilfe auch über die ungeordneten Begierden und Neigungen seiner niederen Natur siegen. Dieser Sieg ist das Außerordentliche, das die Heiligen ausmacht! – Hingegen daß der Mensch Gott im allgemeinen liebt, ist noch nichts Außerordentliches. Dazu ist der Mensch geschaffen. Wenn Sie ihren Autoschlüssel ins Zündschloß stecken, drehen und daraufhin der Motor anspringt, so daß sie wegfahren können, werden Sie sich nicht darüber verwundern, denn dazu ist ihr Auto gebaut worden. Unser Herz ist „gebaut“, um Gott über alles zu lieben. Damit wir aber auch den Sieg der Heiligen erringen können, gibt uns Gott durch die Kirche das Unbefleckte Herz Mariens zum Leitstern und zur Zuflucht.
So wollen wir am Fest des Unbefleckten Herzens Mariä, dem „Herz, das Gott liebt“, unsere besondere Verehrung erweisen. Denn es ist jenes reine, makellose Herz, das Gott für sich selbst erschaffen hat, wie er auch unser Herz für Sich erschaffen hat. Das Herz der Gottesmutter ist uns darin Vorbild. Und so soll sich unsere Verehrung vor allem darin ausdrücken, daß wir versuchen, das Unbefleckte Herz in seiner Reinheit nachzuahmen. D.h. aus Liebe zu Gott die Sünde verabscheuen, die Versuchungen überwinden, die ungeordneten Begierden bekämpfen. Wenn wir Maria in unseren Kämpfen um die Herzensreinheit, um die Reinheit unserer Liebe anrufen, dann wird sie uns helfen, den Grand der Reinheit zu erreichen, den Gottes Vorsehung uns zugedacht hat. Dann wird sich die Verheißung der siebten Seligkeit auch bei unserem Eintritt in die Ewigkeit erfüllen: „Selig die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ Amen.