23. Sonntag nach Pfingsten
Der Ablaß
Geliebte Gottes!
Wir haben uns in den Wochen des kirchlichen Herbstes eingehend mit dem Bußsakrament befaßt. Es ist ein Wunderwerk der göttlichen Allmacht und der Barmherzigkeit Gottes. Es tilgt die Sünde. D.h. es tilgt die Schuld der Sünden vollständig und wenigstens auch einen Teil der Strafe, welche jede Sünde nach sich zieht. Dennoch müssen wir nach der hl. Beichte Buße tun. Zum einen in Form bestimmter Bußwerke, die uns entweder der Beichtvater aufgegeben hat, oder welche die Kirche durch das Fast- und Abstinenzgebot für uns anordnet. Zum andern, indem wir alles, was Gottes weise Vorsehung an Widerwärtigkeiten und Leiden in diesem Leben über uns verhängt, im Geiste der Buße annehmen, um auf diese Weise unser Fegfeuer noch hier auf Erden, wenigstens teilweise, abzubüßen. In diesem Zusammenhang muß nun auch noch eigens vom Ablaß gesprochen werden. Der Ablaß steht mit dem Bußsakrament in enger Beziehung. Er ist eine sehr nützliche Einrichtung, über die es sich lohnt gut Bescheid zu wissen. Doch leider ist den meisten Katholiken – abgesehen von dem Wissen, daß im Mittelalter damit Schindluder getrieben wurde – nur wenig über die Lehre vom Ablaß bekannt. Versuchen wir uns also ein wenig Klarheit über dieses Thema zu verschaffen.
Was ist ein Ablaß?
Was versteht man überhaupt unter einem Ablaß? – Der Katechismus definiert: „Ein Ablaß ist der Nachlaß zeitlicher Sündenstrafen, der uns nach erfolgter Beichte, von der Kirche außerhalb des Bußsakraments erteilt wird.“
Es sollte jedem klar sein, daß die gesamte zeitliche Strafe für eine einzige gebeichtete und nachgelassene Todsünde nie und nimmer mit nur einem Rosenkranz vollständig abgegolten sein kann. Es bleibt gewiß auch nach der eifrigen Erfüllung der vom Beichtvater aufgegebenen Buße eine Reststrafe bestehen, und zwar in einem Maß, das Gott allein bekannt ist. Auch dieses restliche Maß muß noch in irgend einer Weise abgebüßt werden. Entweder in diesem Leben oder nach dem Tod im Fegfeuer. Das Fegfeuer wird deshalb auch „Reinigungsort“ genannt, weil dort die im Gnadenstand entschlafenen Seelen, von den restlichen Sünden und Sündenstrafen geläutert werden. Bei der Abbüßung des Restes zeitlicher Sündenstrafen kommt uns die Kirche zu Hilfe durch die Ablässe.
Bußsakrament und Ablaß haben für den Sünder eine große Bedeutung hinsichtlich des Heiles. Sie hängen eng mit einander zusammen, sind jedoch zwei verschiedene Dinge, deren Unterschied wir gut kennen sollten.
Erster Unterschied: Im Bußsakrament werden Sündenschuld und Sündenstrafen und zwar sowohl die ewige Strafe – die ewige Verdammnis – als auch zeitliche Strafen nachgelassen. Durch den Ablaß aber, werden nur Sündenstrafen, und zwar nur zeitliche Sündenstrafen nachgelassen. – Das Bußsakrament ist in etwa mit einem Arzt vergleichbar, der alle Arten von Krankheiten, von den schwersten bis zu den leichtesten, behandeln und heilen kann. Selbst tödliche Wunden werden von diesem Arzt wieder geschlossen. Der Ablaß hingegen ist eher mit einem Physiotherapeuten in der Reha zu vergleichen, der, nach bereits erfolgter ärztlicher Behandlung, die ausheilende Wunde pflegt und die beim Heilungsprozeß auftretenden Schmerzen lindert.
Zweiter Unterschied: Es ist wahr, sowohl im Bußsakrament als auch durch den Ablaß werden zeitliche Strafen nachgelassen. Darin kommen beide überein. Es bleibt aber ein Unterschied. Dieser besteht darin, woher sie ihre Kraft beziehen. Im Bußsakrament werden die zeitlichen Strafen in der Kraft des Sakramentes, also in der Kraft Jesu Christiselbst nachgelassen; beim Ablaß hingegen, in der Vollmacht der Kirche. – Auch hierzu zur Veranschaulichung ein Vergleich: In beiden, sowohl in einer Wassermühle als auch in einer Windmühle wird Getreide zu Mehl gemahlen. In der Wirkung kommen beide Mühlen überein. Aus Getreide wird Mehl. Aber in der Wassermühle erfolgt dies durch die Kraft des Wassers, in der Windmühle durch die Kraft des Windes. So ist es auch bei der Tilgung der zeitlichen Strafen. Das Bußsakrament wirkt in der Kraft Jesu Christi. Der Ablaß in der Vollmacht der Kirche.
Dritter Unterschied: Der Nachlaß der Sündenstrafen im Bußsakrament geschieht zugleich mit dem Nachlaß der Sündenschuld. – Der Nachlaß der Sündenstrafen im Ablaß erfolgt erst, nachdem zuvor die Sündenschuld durch die Lossprechung vergeben worden ist.
Der Ablaß tilgt also keine Sünden. Er erläßt weder die ewige Strafe noch vermittelt er die heiligmachende Gnade. Er setzt vielmehr als notwendige Vorbedingung die bereits erfolgte Sündenvergebung voraus und verlangt, daß sich der Empfänger im Stand der heiligmachenden Gnade befindet. Falsch ist deshalb die Behauptung, durch den Ablaß würden die Sünden selbst vergeben. Der Strafnachlaß kann erst dann erfolgen, wenn zuvor die Schuld getilgt worden ist. Solange dem Sünder die Schuld nicht nachgelassen ist, bleibt er strafwürdig – und damit auch straffällig.
Der Ablaß befreit den Sünder auch nicht von der Pflicht, Schadensersatz zu leisten, etwa das Ärgernis wiedergutzumachen, eine Verleumdung richtigzustellen oder ein bußfertiges Leben zu führen. Nur wer es ernst nimmt mit der Bekehrung, hat Aussicht, einen Ablaß zu gewinnen.
Ursprung und Wesen des Ablasses
Wir sagten, daß die Ablässe in der Vollmacht der Kirche wirken. Woher nimmt nun die Kirche diese Vollmacht? – Von Christus. Christus selbst hat Seiner Braut, der katholischen Kirche, große Vollmachten übertragen. Der Priester, der die Sünden in der Beichte nachläßt, schöpft seine Vollmacht aus den Worten Jesu: „Denen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen“ (Joh. 20, 23). Der Priester der Bußwerke auferlegt, schöpft seine Vollmacht aus den Worten des Heilands: „Alles, was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein“ (Mt. 18, 18). Die Kirche endlich, wenn sie Ablässe erteilt, stützt ihre Gewalt auf die Worte Christi: „Alles, was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein“ (Mt. 18, 18). Wenn der Heiland Seinen Aposteln die göttliche Vollmacht gegeben hat, alle Sünden und die ewige Strafe nachzulassen, warum sollte Er ihnen nicht auch die viele geringere Gewalt gegeben haben, auch zeitliche Sündenstrafen nachzulassen?
Die Kirche ist ein Ganzes. Sie ist ein geheimnisvoller Leib, der nie stirbt. Sie ist die Braut Christi, die Mutter vieler Kinder. Viele ihrer Kinder haben in ihrem irdischen Leben mehr gelitten, als sie schuldig waren, mehr gebüßt, als sie gesündigt hatten. Denken wir an die unbefleckte und makellose Jungfrau und Gottesmutter Maria. Nicht der Hauch einer Sünde haftete ihrer Seele an. Damit hatte sich auch keine Strafe verdient. Und doch hatte sie in ihrem Leben zu leiden. Insbesondere unter dem Kreuz. Denken wir aber auch an die entsetzlichen Qualen der hl. Märtyrer, an die Mühen und Leiden der hl. Apostel, an das Fasten und die Einsamkeit der Einsiedler, an die Abtötungen und die Gebete so vieler Ordensleute und Sühneseelen. Ohne allen Zweifel haben sie mehr in ihrem Leben gebüßt, als sie an zeitlichen Strafen zu tragen schuldig waren. Ist das nun alles überflüssig und unnütz gewesen? Natürlich nicht! Es ist auf diese Weise ein Meer an Genugtuung entstanden. Es ist ein reicher Schatz an Verdiensten aufgehäuft worden, der von der Kirche, der gemeinsamen Mutter aller, verwaltet und ausgeteilt wird.
Doch schauen wir noch tiefer. Hat Christus in Seinem Leiden, in Seinem Blut und in Seinem Tod etwa nur genau soviel getan, als unbedingt notwendig war, um uns zu erlösen? Nein! Bekanntlich hat Er mehr getan, als notwendig war! Er hat am Kreuz eine überreiche Erlösung, ein Meer von unergründlicher Tiefe, ein Ozean ohne Ufer, einen unerschöpflichen Schatz der Wiedergutmachung verdient. Wer verwaltet ihn? Seine Braut, die Kirche. Kann oder darf man es ihr übelnehmen, wenn sie diesen Schatz zugunsten ihrer Kinder gebraucht? Wenn sie mit beiden Händen die Genugtuung Christi und der Heiligen der göttlichen Gerechtigkeit als Ersatz, als einen Ausgleich anbietet für die gerechten Strafen, die wir noch zu leiden haben? Kann man es der Kirche übelnehmen, wenn sie stets neue, reiche und vielfältige Ablässe erteilt? Gewiß nicht. Denn dazu hat Christus im Übermaß leiden wollen, damit die Verdienste Seiner unendlichen Barmherzigkeit durch die Hände Seiner Braut im Übermaß ausgeteilt würden.
Durch die Ablässe läßt die Kirche ihre büßenden Kinder an den unermeßlichen Verdiensten Christi und der Heiligen teilnehmen. Das zeigt uns, wie tief der Glaube an die Gemeinschaft der Heiligen, d.h. der übernatürlichen Gemeinschaft aller Katholiken mit Christus dem Haupt und untereinander als Glieder an dem einen mystischen Leib, mit der Lehre vom Ablaß verflochten ist. Die starken Glieder am mystischen Leib, die reich an Verdiensten sind, treten für die ärmeren und schwächeren Glieder ein.
Auf diese Weise wird auch ersichtlich, daß der Ablaß seinem Wesen nach kein reiner Gnadenakt ist, in dem die Sündenstrafe ohne irgendeine Gegenleistung geschenkweise einfach erlassen würde, sondern ein gerechter Ausgleich aus dem unerschöpflichen Schatz der Genugtuung Christi und der Heiligen.
In der Praxis erfolgte dies bereits in den ersten Jahrhunderten. Damals wurden zur Abbüßung zeitlicher Strafen oft sehr lange und sehr schwere Bußübungen auferlegt. Jedoch wurden schon damals von Fall zu Fall einzelnen Büßern „auf die Fürbitte der Märtyrer“ eine teilweise Nachlassung der auferlegten Buße gewährt. Später gestattete die Kirche einzelnen Büßern, besonders im Falle schwer Krankheit, wodurch die Fortsetzung der schwere Kirchenbuße nicht mehr möglich war, daß sich der Erkrankte als stellvertretende Unterstützer in seiner noch ausstehenden Bußleistung einige Mönche zur Hilfe zu nehmen dürfe. Aufgrund des nachlassenden Bußeifers milderte die Kirche ihre Bußpraxis. An die Stelle der früheren schweren Kirchenbußen traten kleinere Bußwerke: Almosen, Gebete, Wallfahrten. Für deren Leistung wurden zeitliche Sündenstrafen erlassen. Bei diesen Straferlassen bietet die Kirche Gott kraft ihrer Binde- und Lösegewalt aus dem Schatz der Genugtuung Christi und der Heiligen eine entsprechende Sühne an für das, was der Sühneleistung des Büßers mangelt. Solche Straferlasse für geringe Bußwerke nennen wir Ablässe.
Einteilung der Ablässe
Wie werden die Ablässe nun eingeteilt? Die Ablässe werden einmal nach dem jeweiligen Umfang des Straferlasses in zwei Gruppen eingeteilt. Man unterscheidet vollkommene und unvollkommene Ablässe. – Der Erlaß aller zeitlichen Sündenstrafen wird vollkommener Ablaß genannt. Dazu gehört z.B. der Portiunkula-Ablaß, der Jubiläums-Ablaß und der Sterbeablaß. – Der unvollkommene Ablaß erläßt nur einen Teil der zeitlichen Sündenstrafen. Ein unvollkommener Ablaß ist mit fast jedem kirchlich approbierten Gebet verbunden. Das Maß des gewährten Strafnachlasses wird dabei in Form einer Zeitangabe bemessen: in Tagen, Jahren, Quadragesen. Ein Ablaß von 1 Jahr, 100 Tagen, oder 40 Tagen (d.h. eine Quadragese) bezeichnet den Nachlaß von Sündenstrafen in dem Maß, als man früher in der angegebenen Zeit durch die schwere Kirchenbuße vor Gott abgebüßt hätte. Es werden einem also die sühnenden Verdienste der Christi und der Heiligen zugewandt, als hätte man selber 1 Jahr, 100 Tage oder eine Quadragese schwerer Kirchenbuße auf sich genommen.
Die zweite Form der Einteilung bezieht sich auf die Gruppen, denen Ablässe gewährt werden. Man unterscheidet Ablässe, welche von Lebenden für sich selbst gewonnen werden von solchen, die den armen Seelen zugewandt werden können. Generell gilt, daß man Ablässe entweder für sich selbst oder für die Verstorbenen gewinnen kann – nicht hingegen für andere lebende Menschen. Fast alle Ablässe können den armen Seelen „fürbittweise“ zugewendet werden. „Fürbittweise“ heißt: Die mit dem Ablaßwerk verbundene Genugtuung Christi und der Heilige, werden Gott dargereicht mit der Bitte, Er möge sich mit ihnen begnügen und im Hinblick auf sie den armen Seelen die Strafe erlassen. Es steht also keineswegs fest, daß dieser bestimmte Verstorbene, dem ich etwa einen vollkommenen Ablaß zuwenden möchte, auch tatsächlich in den Genuß desselben kommen und aus dem Fegfeuer befreit wird. Die Zuwendung erfolgt nur als Fürbitte. Welchem Verstorbenen wie viele Strafen genau nachgelassen werden, hängt einzig und allein von Gottes Huld ab.
Bedingungen zur Ablaßgewinnung
Bleibt noch die Frage zu klären, was zur Gewinnung eines Ablasses erforderlich ist? Welche Bedingungen sind zu erfüllen? Neben dem Getauftsein und der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche müssen außerdem drei Dinge gegeben sein.
Erste Bedingung: Der Stand der heiligmachenden Gnade wenigstens am Ende des vorgeschriebenen Ablaßwerkes. Dies ist die erste und wesentlichste Erfordernis. Denn wer nicht im Stand der Gnade ist, der ist im Stand der Todsünde. Wer im Stand der Todsünde ist, der ist der ewigen Strafe schuldig. Wie sollte es aber Sinn machen, demjenigen die zeitlichen Strafen nachzulassen, der noch nicht einmal frei von ewigen Strafe ist?
Zweite Bedingung: Die Absicht die Ablässe zu gewinnen. Man muß die innere Absicht haben. Dabei ist es hinreichend wenigsten allgemein den Vorsatz zu fassen, die mit Gebeten und Werken verbunden Ablässe gewinnen zu wollen. Es empfiehlt sich also von Zeit zu Zeit immer wieder die Intention zu erneuern, alle Ablässe, welche die Kirche gewährt, gewinnen zu wollen. Das genügt um alle Ablässe zu gewinnen, auch wenn wir nicht ausdrücklich daran denken, ja selbst die, von denen wir gar nicht wissen, daß sie von der Kirche für dieses oder jenes Gebet gewährt werden.
Dritte Bedingung: Die genaue (!) Verrichtung der vorgeschriebenen Werke. Das Ablaßwerk ist meist ein Gebet, verbunden mit einer bestimmten Körperhaltung bzw. bestimmte Gebete in Verbindung mit dem Besuch eines bestimmten Ortes; je nachdem die Kirche das jeweilige Ablaßwerk festgesetzt hat. Ein Ablaßgebet muß nun genau in der von der Kirche erlassenen Form gebetet werden und ein Ablaßwerk muß genau in der vorgeschriebenen Art und Weise verrichtet werden. Eine Abänderung durch Weglassen eines Teiles oder auch durch eigenmächtige Abwandlung oder Hinzufügung verhindert die Gewinnung des Ablasses.
Oft liest man bei den Ablaß-Reskript die Wendung: „zu den gewöhnlichen Bedingungen“. Für die Gewinnung der vollkommenen Ablässe zählen zu den drei genannten auch für gewöhnlich die hl. Kommunion am Ablaßtag selbst und die Beichte innerhalb einer Woche zu den „gewöhnlichen Bedingungen“. Wer alle 14 Tage beichtet oder ersatzweise wenigstens fünfmal in der Woche zur heiligen Kommunion geht, kann alle vollkommenen Ablässe gewinnen, für welche die Beichte ausdrücklich vorgeschrieben ist.
Oft ist zur Gewinnung eines vollkommenen Ablasses das sog. „Gebet noch der Meinung des Heiligen Vaters“ als zusätzliche Bedingung verlangt. Um dieser Bedingung nachzukommen ist es nicht erforderlich, daß der Apostolische Stuhl augenblicklich besetzt ist. Wer „nach der Meinung des Heiligen Vaters“ betet, der betet in den Anliegen, die mit dem Papstamt verbunden sind. Konkret betet man um die Erhöhung der Kirche, das Verschwinden der Häresien, die Überwindung der Schismen, die Ausbreitung des katholischen Glaubens, die Bekehrung der Sünder und um Frieden und Eintracht zwischen den christlichen Staatsoberhäuptern. Das versteht man unter der „Gebetsmeinung des Heiligen Vaters“. In dieser Meinung muß, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes angegeben ist, wenigstens ein „Vater unser“, ein „Ave Maria“ und ein „Ehre sei dem Vater“ gebetet werden.
Zu beachten ist außerdem: Jedes Ablaßgebet und auch das Gebet in der „Meinung des Heiligen Vaters“ muß mündlichgebetet werden! D.h. es muß zwar nicht laut gebetet werden. Man kann es leise beten. Aber es müssen sich dabei die Lippen bewegen. (CIC can. 934 §1). Kein Laut und auch kein Flüstern ist nötig. Wenn sich nur die Lippen bewegen, so ist es ein mündliches Gebet.
Eine nützliche Einrichtung
Aus all dem Gesagten ist klar ersichtlich, daß es sich bei den Ablässen um eine sehr heilsame Einrichtung handelt: Wer Ablässe gewinnen will, muß gewöhnlich die Sakramente der Buße und des Altares empfangen. Das ist sehr heilsam! Er muß Bußwerke verrichten. Ebenfalls sehr heilsam! Er muß seine Gebete vermehren. Sehr heilsam! Seine Strafen werden nachgelassen: Ganz gewiß heilsam! Er wendet so manche irdischen Übel ab, die sonst notwendigerweise über sein Leben in Form von Krankheiten, Unglücksfällen, Versuchungen und dergleichen als Buße hereinbrechen würden. Nicht minder heilsam! Die Hilfe, die er den armen Seelen im Fegfeuer zugewenden ist ein sehr verdienstliches Werk der Barmherzigkeit, welches von Gott besonders belohnt wird. Also ebenfalls sehr heilsam! Das Fegfeuer wird abgekürzt. Der Einzug in den Himmel wird beschleunigt. Überaus heilsam!
Manche spotten über den Ablaß und machen der Kirche Vorwürfe, weil im Mittelalter mit den Ablässen Mißbrauch getrieben wurde. Auch das Heiligste kann mißbraucht werden. Ja, man kann sogar fragen, ob es überhaupt irgendeine heilige Sache gibt, die nicht von bösen Menschen mißbraucht worden wäre? Der Mißbrauch vermindert nicht den Wert einer guten Sache. Wären die Ablässe nicht gut, so wären nicht so viele Feinde gegen sie aufgetreten. Mit anderen Worten: Es sind nie die schlechtesten Früchte, worüber die Wespen herfallen.
Als im Jahr 1776 durch Papst Pius VI. ein Jubiläumsablaß ausgeschrieben wurde, da war der Andrang der Gläubigen zu den hl. Sakramenten der Buße und des Altares so häufig und so gewaltig, daß der vom katholischen Glauben abgefallene französische Religionsspötter Voltaire, der in seinem langen Leben mit all seinen Kräften in Wort und Schrift am Untergang der katholischen Religion gearbeitet hatte, offen eingestehen mußte, daß der Jubiläumsablaß der Kirche und der katholischen Religion mehr genutzt habe, als alle seine Arbeiten und all seine Schmähschriften dieser geschadet hätten.
Wir wollen die Ablässe also in der rechten Weise als große Kostbarkeiten betrachten und auch gebrauchen. Sie sind eine besondere Teilnahme an den Genugtuung Christ und der Heiligen. Die heilsamen Wirkungen der Ablässe bietet uns die Möglichkeit dafür zu sorgen, daß in unserer Sterbestunde das vielleicht schönste und tröstlichste der „sieben Worte Jesu am Kreuz“ an uns Wirklichkeit wird: „Heute noch wirst du mich mir im Paradiese sein“ (Lk. 23, 43). Amen.