Fest Mariä Mutterschaft
Das Sündenbekenntnis im Bußgericht
Geliebte Gottes!
Damit wir nicht den Faden verlieren, werden wir heute trotz des Festes der Mutterschaft Mariens erneut auf das Bußsakrament zurückkommen. Nach der Gewissenserforschung, der Reue und dem Vorsatz zur Besserung schreitet der Sünder, der Gottes Erbarmen finden will zum Sündenbekenntnis. Die Selbstanklage vor einem gültig geweihten Priester ist hierzu unumgänglich. Denn: Unser Herr Jesus Christus sprach am Abend des Ostertages, als Er erstmals nach Seiner Auferstehung den Aposteln erschien: „Empfanget den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden nachlaßt, denen sind sie nachgelassen. Welchen ihr die Sünden behaltet, denen sind sie behalten“ (Joh. 20, 22 f.). Das Bußsakrament ist das österliche Sakrament. Es ist das Sakrament der geistigen Auferstehung vom Tod der Sünde.
Notwendigkeit des Bekenntnisses
Die Apostel erhielten den Auftrag, die Sünden nachzulassen oder zu behalten. Bei jedem Sünder, der zu einem Apostel zur Beichte kam, war es nötig, daß der von Christus Ermächtigte eine Entscheidung treffen mußte. Der Apostel mußte abwägen, welche von den zwei Gewalten angewandt werden sollte: Nachlassen oder Behalten. Dazu muß er aber wie ein Richter urteilen. Dieses Urteil muß, wie jedes Urteil, begründet sein; und zwar im Falle des Urteils im Bußgericht am Seelenzustand des Sünders. Der Apostel soll ja dem Würdigen die Sünden nachlassen und dem Unwürdigen die Sünden behalten. Jedes andere Urteil wäre unbegründet und damit ungerecht. Der Apostel kann jedoch von sich aus den inneren Seelenzustand des Sünders nicht beurteilen ohne die Vergangenheit der jeweiligen Person zu kennen. Er kann auch keine Zeugen vorladen. Deshalb bleibt nichts anderes übrig, um das innere Leben des Sünders kennen zu lernen, als daß der Sünder selbst seine Sünden offenbart. Der Pönitent selbst muß als Zeuge gegen sich aussagen. Weil der Beichtende, der einzige Mensch ist, der den Seelenzustand kennt, muß er vor dem Bußgericht als Ankläger, als Angeklagter und als Zeuge in einer Person auftreten. Anders als auf dem Weg der Selbstanklage ist es unmöglich zur geistigen Auferstehung, zur Vergebung der Sündenschuld zu gelangen. Keineswegs handelt es sich hierbei einfach um eine Erfindung der Kirche, wie ihr von Gegnern des Bußsakraments boshaft unterstellt wird: Die Kirche wolle nur die Gewissen der Menschen aushorchen, um Macht über sie zu erlangen und sie gefügig machen zu können. Wie muß dieses Bekenntnis beschaffen sein? Die Beichte muß 1. vollständig, 2. deutlich und 3. aufrichtig sein.
Die Vollständigkeit des Sündenbekenntnisses
Zur Vollständigkeit ist erforderlich, daß man wenigstens alle schweren Sünde beichtet, deren man sich bewußt ist; und auch die genaue Zahl der schweren Sünden, soweit man sich derselben erinnern kann, benennt. – Diese Zahl ist das Kreuz der Beichtväter. Wenn es auch wie oft in Predigt und Katechese gesagt wird, man solle die Todsünden stets beziffern, so wird sie doch immer wieder vergessen. Die Zahl wird auch nicht selten zu unbestimmt angegeben. Die Ausdrücke „ein paarmal, ab und zu, manchmal, öfters, etlichemal“ usw., sollten im Zusammenhang mit Todsünden aus dem Beichtstuhl verbannt werden. Sie können nur dazu dienen, die Beichte zu verlängern, weil der Priester jedesmal nachfragen muß. – Wenn die genaue Zahl nicht gefunden werden kann, so versuche man sie nach Kräften zu beziffern. Beispielsweise sage man: „Diese Sünde ist im Monat so und so oft geschehen; oder jede Woche so oft, oder jeden Tag so oft.“ Das genügt. Zur Vollständigkeit gehört außerdem, daß wir auch die notwendigen Umstände beichten; d.h. solche Umstände, wodurch eine Sünde in ihrer Art geändert oder eine Sünde, die ohne diesen Umstand „läßlich“ wäre, zu einer „Todsünde“ wird. Es ist ein Unterschied, ob ein Mensch einen Kaugummi stiehlt oder ein Smartphone. Der Umstand des Wertes der gestohlenen Sache ändert die Gewichtung der Sünde. Es ist ein Unterschied ob jemand eine Notlüge gebraucht, um einer lästigen Streiterei aus dem Weg zu gehen oder ob jemand einen Meineid vor Gericht schwört und dabei Gott zum Zeugen anruft. Die Umstände können ein falsches Zeugnis gravierend erschweren. Das Sündenbekenntnis sollte sich jedoch auf das wesentliche beschränken. Es muß nicht in Gebetsform vorgetragen werden: „Herr ich habe dich beleidigt ...“. Auch braucht es nicht in der Beschreibung kleinster Details ausufern. Es soll eine einfache Anklage sein. Am besten in einfachen Aussagesätzen, wie sie sich aus dem Beichtspiegel ergeben etwa: „Ich habe schlecht über meinen Nächsten geredet.“ „Ich habe unandächtig gebetet.“ „Ich war dreimal sonntags nicht bei der heiligen Messe, obwohl ich dazu Gelegenheit gehabt hätte.“ Sollte der Priester darüber hinaus Dinge wissen müssen, wird er nachfragen. Einzig bei Sünden, wo sich der Beichtende unsicher ist, ob es sich um eine Todsünde, eine läßliche Sünde oder überhaupt eine Sünde gehandelt hat, soll er die Angelegenheit mit hinreichender Ausführlichkeit schildern. Abgesehen von Unsicherheit, die das Gewissen beunruhigt, sollte das Sündenbekenntnis keine ausufernden Erzählungen beinhalten. Das Bekenntnis sei also so lang wie nötig und so kurz wie möglich.
Gleich nachdem man den Beichtstuhl betreten und den Segen des Priesters empfangen hat, sind noch zwei Dinge anzugeben bevor man mit dem Sündenbekenntnis beginnt: 1. Der Zeitraum, der seit der letzten gültigen Beichte vergangen ist. Und 2. der persönliche Stand. Ob man ledig, verheiratet ist; ob man dem Priester- oder Ordensstand angehört. Nach diesen Angaben kann die Selbstanklage beginnen. Löblicherweise schließt man das Sündenbekenntnis mit einer Formel ab, wie etwa: „Mein Jesus Barmherzigkeit.“ Oder: „Diese und alle meine Sünden tun mir von Herzen leid. Ich bitte um Buße und Lossprechung.“ Dies signalisiert dem Beichtvater, daß das Beichtkind sein Bekenntnis beendet hat und er mit dem Zuspruch beginnen kann. Unpassend wäre es, zu sagen: „Das war’s“ oder „Jetzt fällt mir nichts mehr ein“.
Die Deutlichkeit des Sündenbekenntnisses
Des weiteren sei die Beichte deutlich. Die Deutlichkeit muß sich zum einen darin zeigen, daß die jeweilige Sünde eindeutig bezeichnet wird. Man muß das Kind beim Namen nennen und nicht durch mehrdeutige Umschreibungen vernebeln. Die Deutlichkeit muß auch die Ordnung der Gedanken betreffen. Der Beichtvater soll aus dem, was wir sagen, verstehen können, was wir meinen, was wir ihm damit sagen wollen. Schließlich bezieht sich die Deutlichkeit natürlich auch auf die Aussprache, indem man so spricht, daß der Beichtvater das Gesprochene auch hören und verstehen kann. Um verstanden zu werden ist nicht unbedingt eine größere Lautstärke von Bedeutung, was manche Beichtstühle nicht zulassen würden. Ein langsames, deutlich ausgesprochenes Sündenbekenntnis ist, selbst wenn es nur geflüstert wird, gut vernehmbar. Im Gegensatz dazu kann undeutliches Genuschel zur Verschleierung peinlicher Dinge nicht als Beichte gelten.
Die Aufrichtigkeit des Sündenbekenntnisses
Schließlich die letzte Eigenschaft des Sündenbekenntnisses. Die Beichte soll aufrichtig sein, d.h. man soll sich so anklagen, wie man sich vor Gott schuldig erkennt, ohne etwas zu verschweigen oder zu beschönigen. In der Aufrichtigkeit liegt aber nun gerade oft die Schwierigkeit einer guten Beichte. Es ist eine demütigende und beschämende Sache, vor einem fremden Menschen die eigenen Sünden, die man so gerne vor allen Menschen und sogar vor sich selber verbergen möchte, in aller Offenheit und Wahrheit einzugestehen; Sünden, woran man am liebsten nicht mehr denken möchte, für die man kaum einen Namen findet. Diese Schwierigkeit ist die Ursache dafür, daß manche Beichtkinder ihre Sünden verschweigen, oder dafür, daß sie ihre Sünden im Beichtstuhl verkleinern. Das ist ein Problem! Eine verschwiegene Todsünde macht ja bekanntlich die Beichte ungültig. Außerdem begeht man auch noch eine zusätzliche schwere Sünde, nämlich die des Sakrilegs, des Gottesraubes also, weil man ein heiliges Sakrament mißbraucht hat. Das komplette Sündenbekenntnis einer solchen Beichte ist ungültig. Selbst wenn die Lossprechung erfolgt ist, bleiben die Sünden behalten. Eine solche Beichte muß vollständig wiederholt werden. – Davon zu unterscheiden ist der Fall, daß Todsünden, die einem zwar bei der Gewissenserforschung eingefallen sind, dann jedoch beim Bekenntnis im Beichtstuhl unfreiwillig vergessen werden. Vergessene Todsünden sind keine verschwiegenen Todsünden! Vergessene Todsünden gelten als nachgelassen, müssen aber bei der nächsten heiligen Beichte nachgebeichtet werden.
Hilfestellung zur aufrichtigen Beichte
Was könnte uns nun helfen die Schwierigkeiten, die eine aufrichtigen Beichte bisweilen im Wege stehen, auszuräumen? Welche Gründe sollen es uns einfacher machen, uns unserer Sünden aufrichtig anzuklagen? Wir finden eine Hilfe, 1. wenn wir bedenken, vor wem wir unsere Sünden bekennen; und 2. welche Früchte uns eine aufrichtige Beichte schenkt.
Ein erster Grund also, wodurch wir die falsche Scham bekämpfen können, liegt in dem Gedanken, vor wem das Sündenbekenntnis abgelegt wird. Vor wem müssen wir unsere Sünden bekennen? Natürlich vor einem gültig geweihten Priester. Dieser Priester ist aber ein Mensch, der aus dem, was er hört, gehört hat und hören wird, die menschliche Gebrechlichkeit kennt. Er selbst ist von Schwachheit umgeben ist. Er ist eine Mensch, der selbst gesündigt, selbst gebeichtet hat, und der auch selbst beichten muß! Deshalb muß ihn alles, was er weiß von sich und von anderen, alles, was er hört und gehört und erfahren hat, zur Milde und Barmherzigkeit antreiben. Wir müssen unsere Sünden vor einem Priester bekennen, der als Stellvertreter Christi sein Amt um so besser ausüben wird, je mehr er die Barmherzigkeit Jesu Christi anzieht und sich erinnert, daß Christus gesagt hat: „Ich bin gekommen, um zu suchen, was verloren war“ (Mt. 18, 11). „Es ist mehr Freude im Himmel über einen Sünder, der Buße tut, als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen“ (Mt. 18, 12). Machen wir uns also keine Sorgen: „Was wird der Pater jetzt von mir denken, wenn ich ihm diese oder jene Sünde bekenne?“ – Er wird denken: „Das ist ein demütiger, ein reumütiger, ein aufrichtiger Sünder. Er macht mir die Verwaltung des Bußsakramentes leicht. Durch sein aufrichtiges Sündenbekenntnis öffnet er mir die Augen für Sünden, die ich auch selbst begehe, mir jedoch noch gar nicht bewußt geworden sind.“ Solche Gedanken denkt der Beichtvater. – Haben wir also keine Furcht! Machen wir uns auch keine Sorgen, was er uns sagen wird. Er wird Worte sprechen voller Barmherzigkeit. Je schwerer die Wunden sind, um so sanfter berührt sie der Arzt.
Außerdem sollen wir bedenken: Wir beichten zwar vor einem Priester, aber in Wirklichkeit klagen wir uns allein vor Gott an. Deshalb ist der Beichtvater als Mensch zu strengstem Schweigen verpflichtet. Nur als Stellvertreter Gottes nimmt er das Sündenbekenntnis entgegen. Als Mensch außerhalb des Beichtstuhls weiß er nichts mehr davon. Er muß schweigen, mag der Sünder leben oder tot sein. Er muß schweigen! Das ist ein Gesetz ohne Ausnahme. Mag ihn das Schweigen selbst das eigene Leben kosten; mag durch sein Schweigen selbst die Welt zugrunde gehen, er muß schweigen. Mag er die Sünden nachgelassen haben oder nicht, er muß schweigen. Das Beichtgeheimnis zu wahren ist ein heiliges und strenges Gesetz, das bei Verstoß mit der von selbst eintretenden Exkommunikation des Beichtvaters bestraft wird.
Früchte, die das Sündenbekenntnis zeitigt
Schließlich wollen wir noch auf die Früchte einer aufrichtigen Beichte blicken. Wenn wir aufrichtig beichten, was finden wir dann? Wir finden im Beichtvater einen gütigen Vater, der Mitleid mit uns hat, uns tröstet, uns aufrichtet. Was wir vielleicht den leiblichen Eltern nicht sagen mögen, das können wir ihm ganz offen anvertrauen.
Was finden wir noch im Beichtstuhl? Einen Lehrer, der unsere Zweifel zerstreut, der unsere Unwissenheit verjagt, der uns den Weg zeigt und uns die Mittel angibt, um zu einem wahrhaft heiligen und frommen Leben zu gelangen. Wir finden einen Arzt, dem wir die Wunden unserer Seele zeigen können, und der auch die Macht hat, sie zu heilen und zu schließen. Beichten wir aufrichtig, so finden wir im Beichtvater einen Richter, dessen Urteilsspruch stets mit „Freispruch!“ endet: „Ich spreche dich los von deinen Sünden.“ Einen Richter, der die Vollmacht hat, uns loszusprechen „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen“; im Namen des allmächtigen Gottes also, im Namen des beleidigten und wieder versöhnten Gottes, im Namen Jesu Christi, der für uns aus Liebe gestorben ist, in der Kraft Seines Blutes, das Er vergossen hat, um uns reinzuwaschen. Welch eine Vollmacht!
Wenn ein weltlicher Richter einen, der in Wirklichkeit schuldig ist, freispricht, so sagt das Gewissen des „Freigesprochenen“: „Du bist doch schuldig!“ Wenn die sogenannte öffentliche Meinung einen Schuldigen freispricht, so sagt dessen innerstes Gewissen: „Und doch bist du schuldig!“ Wenn uns aber dieser Richter freispricht, so werden wir gerade durch diese Worte wirklich rein und unschuldig! Und welcher Schuldige kann am sichersten auf Lossprechung vor diesem Richter hoffen? Nicht derjenige, der am geschicktesten seine Verfehlungen leugnet, der sich am besten entschuldigt, der sich am lautesten verteidigt, der am besten erklären kann, daß eigentlich die anderen schuld sind, wie das vor weltlichen Gerichten so häufig erfolgreich praktiziert wird; nein, derjenige, der sich am demütigsten, am reumütigsten, am aufrichtigsten selber anklagt. „Wäre seine Sünde rot wie Scharlach, sie wird weiß werden wie der Schnee“ (Is. 1, 18).
Das sind die Früchte einer aufrichtigen Beichte. Das Herz wird erleichtert, die Stacheln des schlechten Gewissens verlieren ihre Schärfe, die Verzeihung und die Fülle der Gnade wird mitgeteilt. Es ist, als wenn der Strom des Blutes Christi in die Seele des Sünders strömt, um sie zu reinigen, zu heiligen, zu stärken, zu erleuchten, zu trösten. Beichten wir also stets mit größter Aufrichtigkeit. Wenn Christus hier auf Erden im Bußgericht nicht für uns ein barmherziger Richter wird, dann wird Er uns ein strenger Richter ohne Erbarmen in der Ewigkeit werden. Dann wird Er der Kläger, der Zeuge und der Richter in einer Person sein. Doch welches Gericht hätten wir dann zu erwarten! Scheuen wir uns also nicht, über unsere Seele ein wahres Zeugnis zu geben.
Nehmen wir, bevor wir beichten, stets Zuflucht zur Gottesmutter. Sie ist ja nicht nur die Mutter Gottes, als die wir sie heute feiern. Sie ist eben deshalb auch die Mutter der Barmherzigkeit und die Zuflucht der Sünder. Ihre Fürbitte wird uns die Quellen der Barmherzigkeit ihres göttlichen Sohnes erschließen, wenn wir vor der hl. Beichte beten: „Heilige Maria Muttergottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes.“ Amen.