Die Standhaftigkeit im Glauben

Geliebte Gottes! 

Zwei biblische Gestalten stehen im Zentrum des Advent: die allerseligste Jungfrau Maria, die Gottesmutter, und der hl. Johannes der Täufer, der Vorläufer des Herrn. Sie sind die unerläßlichen Gestalten des Advents, denn die makellose Jungfrau ist das Eingangstor des Gottessohnes in dieses irdische Tränental, um uns die Erlösung zu bringen. Ohne Gottesmutter kein Menschensohn. – Und Johannes der Täufer ist Sein Wegbereiter. Denn ohne Herold könnte der Erlöser nur schwerlich Aufnahme bei den Menschen finden. Johannes ist derjenige, der dem verheißenen Erlöser vorangeht; der Sein unmittelbares Kommen ankündigt, damit „alle durch ihn zum Glauben gelangten“ (Joh. 1, 7)

Gerade die Schwierigkeit des Glaubens steht im Zentrum des heutigen Evangeliums. Dabei ist es nicht, wie es vielleicht zunächst den Anschein erwecken könnte, der hl. Johannes, der sich schwer tut an die Messianität Jesu zu glauben, sondern dessen Schüler. Die Jünger des Täufers hatten Glaubensschwierigkeiten mit diesem Jesus von Nazareth. Obwohl sie wiederholt durch Johannes den Täufer auf Jesus als den verheißenen Messias hingewiesen wurden, taten sich viele von ihnen schwer damit. Dieser sanfte Wanderprediger aus Nazareth hatte in ihren Augen einfach nicht das Format eines Messias. Jesus entsprach nicht ihren Erwartungen: Statt Gottes Strafgericht an den Römern und den jüdischen Kollaborateuren zu vollziehen, um sie aus dem Land zu fegen, predigte Er fromm und heilte Kranke. Statt ein Heer aufzustellen, sammelte Er das einfache Volk, Frauen und Kinder um sich. Statt sich um die Gunst der Eliten, der Gelehrten und Einflußreichen zu bemühen, machte Er zwölf Männer von niedriger Geburt zu Seinen Vertrauten, überwiegend ungebildete, arme Fischer. Statt die Tenne mit der Wurfschaufel zu reinigen und die Axt an die Wurzel zu setzen, sprach er von Kreuztragen und Feindesliebe; usw. – Das alles bereitete vielen Jüngern des hl. Johannes Glaubensschwierigkeiten. Weil sie sich aufgrund ihrer Vorbehalte dann auch noch sträubten, Jesus persönlich kennenzulernen, um vielleicht so ihre Zweifel überwinden zu können, so blieb dem inzwischen eingekerkerten Täufer kein anderes Mittel, um seine störrischen Jünger irgendwie mit Jesus in Verbindung zu bringen, als daß er sie zu Ihm sandte und Ihn in seinem Namen fragen ließ: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ (Mt. 11, 3). Das war nicht die Frage, des Johannes, sondern die seiner Jünger! Weil aber seine Schüler diese Frage niemals an Jesus herangetragen hätten, deshalb legte sie ihnen der Täufer in den Mund und schickte sie damit in seinem eigenen Namen zum Heiland. 

Unser göttlicher Erlöser versuchte, den Unglauben der Johannesjünger zu heilen, indem Er auf Seine Werke verwies, die Ihn als den verheißenen Messias ausweisen: „Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird die frohe Botschaft verkündet“ (Mt. 11, 5). Diese Werke sind nämlich an zwei Stellen beim Propheten Isaias als Kennzeichen des Messias vorherverkündet. Der Prophet weissagte: „Dann werden die Augen der Blinden geöffnet, und die Ohren der Tauben aufgetan werden; dann wird der Lahme wie ein Hirsch springen, und die Zunge der Stummen wird gelöst werden, denn aufgebrochen sind in der Wüste Wasser, und Ströme in der Öde“ (Is. 35, 5 f). Und weiter läßt Isaias den kommenden Erlöser sprechen: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, weil der Herr mich gesalbt hat; um den Armen frohe Botschaft zu künden, sandte Er mich, um zu heilen, die zerknirschten Herzens sind, und den Gefangenen Nachlaß, den Eingeschlossenen Befreiung zu verkünden“ (Is. 61, 1). Vom tatsächlichen Eintreten dieser Verheißungen konnten und sollten sich die Jünger des hl. Johannes überzeugen. So konnten und sollten sie ihre Glaubensschwierigkeiten überwinden. Statt weiter Ärgernis an dem einfachen Auftreten des Menschensohnes zu nehmen, sollten sie Ihn gläubig annehmen und Ihm fortan nachfolgen. Ob und wieviele von ihnen ihre Glaubensschwierigkeiten tatsächlich überwinden konnten, wird uns im Evangelium nicht berichtet. Fest steht jedoch, daß der Glaube vielen Schwierigkeiten ausgesetzt ist. So ist es auch heute. Die Schwierigkeiten kommen teils aus der Verfassung des Einzelnen, teils aus der Umgebung, in der wir leben, oder aus der Natur des Glaubens selbst.

Die Ursachen von Glaubensschwierigkeiten

Welches sind die Ursachen für Glaubensschwierigkeiten? Die erste Ursache liegt darin, daß viele Menschen dem Irdischen verfallen sind. Wer nur am Irdischen hängt, hat keinen Blick für das Übernatürliche. Erst recht gilt das, wenn einer im Materiellen versinkt. Wer nur an die Materie gebunden ist, der vermag sich nicht zum Geist und erst gar nicht zum Übernatürlichen zu erheben. – Dazu kommt, daß der Glaube Anforderungen an den Menschen stellt. Anforderungen an sein sittliches Verhalten. Wer nicht nach Sittenreinheit strebt, wer sich der Versuchung nicht widersetzt, wer im sittlichen Kampf sich nicht bemüht, der ist in Gefahr, den Glauben zu verlieren oder erst gar nicht zum Glauben zu gelangen. Wenn der Mensch sich vor Gott fürchten muß, weil er ein Sünder ist und die Sünde nicht meiden will, weil er sie so lieb hat, dann ist er in Gefahr, den Glauben aufzugeben. 

Hinzu kommt der Mangel an religiösem Wissen. Der durchschnittliche Christ weiß zu wenig vom Glauben. Der Religionsunterricht war oft mangelhaft, oder was man da gelernt hat, ist in Vergessenheit geraten. Viele Predigten konnten zwar vielleicht kurz den frommen Sinn etwas anregen, konnten aber nicht den Glauben auferbauen. Und selber haben sich viele Katholiken nicht darum bemüht, tiefer in den Glauben einzudringen, Unverständliches zu klären und dadurch lichtvoll den Glauben zu begreifen. Was sie unter der Autorität der Eltern und der Lehrer und vielleicht auch der Priester angenommen haben, das ist bei vielen nicht zur Überzeugung geworden. Sie haben es auswendig gelernt, sie haben es brav aufgesagt, aber es ist nicht ihr persönlicher Besitz geworden. Und deswegen fallen sie um, wenn Glaubensschwierigkeiten auftreten. 

Der zweite Grund für die Glaubensschwierigkeiten ist in den äußeren Lebensumständen zu finden. Da ist zuerst das menschliche Versagen in der Kirche. Schon allein der Zusammenbruch durch das sog. 2. Vatikanum stellt für viele gutwillige Katholiken eine ernste Glaubensprüfung dar. Hinzu kommt noch das Chaos, die Uneinigkeit und – Gott sei es geklagt – auch die Skandale im traditionellen Klerus. Das Göttliche ist immer schon Menschenhänden anvertraut worden. Und Menschenhände sind nie so rein, wie sie vor Gott sein sollen. Menschen geben das Göttliche weiter mit all ihrer Unzulänglichkeit und ihrer Schwäche. Skandale gab es immer wieder in der Geschichte der Kirche. Und man wird sie wohl bis zum Ende der Welt immer wieder finden. Ein jeder von ihnen ist einer zuviel. Aber Skandale sind natürlich kein Argument gegen den Glauben, denn diejenigen, welche sie verursachen, haben sich ja in ihrem Tun vom Glauben entfernt. Sie haben gerade nicht nach dem Glauben gelebt, vielmehr haben sie den Glauben verleugnet. Aber, wie gesagt, solche Skandale können das Vertrauen in die Institution Kirche und in ihre Glaubensverkündigung erschüttern. 

Verantwortlich für Glaubensschwierigkeiten ist jedoch nicht allein der desolate Zustand der Kirche, sondern auch die Verfassung unserer persönlichen Umgebung. Die Gesellschaft trägt nicht mehr. Der heilsame Einfluß der christlichen Kultur ist erloschen. Heute wird man nicht mehr von anderen mitgezogen, um in die Kirche zu gehen, um die Gebote zu erfüllen, um nach den Geboten zu leben. Die Umgebung ist indifferent, also gleichgültig, und gar nicht mehr so selten sogar sarkastisch und haßerfüllt eingestellt. 

Der dritte Grund für die Glaubensschwierigkeiten liegt schließlich in der Natur des Glaubens selbst begründet. Denn der Glaube ist an sich eine schwierige Angelegenheit. Der Glaube übersteigt die Vernunft des Menschen. Der Mensch muß sein Nicht-Begreifen eingestehen und blind für wahr halten, was Gott sagt. Und zwar nur aus dem Grund, weil Gott es sagt! Das ist schwer. Denken wir etwa an das Leid in der Welt und an die Lehre von der weisen Vorsehung Gottes; oder an das Geheimnis, wie der ewig unwandelbare Gott ein Mensch werden kann, oder an das Geheimnis des Allerheiligsten Altarsakraments, daß der Sohn Gottes mit Gottheit und Menschheit, mit Leib und Seele, mit Fleisch und Blut, ganz im Ganzen und ganz in jedem kleinsten Teil der hl. Hostie enthalten ist. So ist es mit allen Glaubensgeheimnissen. Sie geben dem Geist Schwierigkeiten auf, Schwierigkeiten, die nicht verstandesmäßig zu überwinden sind. Wenn wir diese Schwierigkeiten nicht haben, wenn es uns leicht fällt zu glauben, so ist dieser Umstand nicht einem Verdienst oder einer besonderen Anlage unsererseits zu verdanken, sondern einzig und allein der Gnade Gottes!

Fest steht: Wer einen festen Glauben nicht besitzt, der ist unfähig, ihn zum Traggerüst seines Lebens zu machen. Deshalb verweist Jesus, nachdem die Johannesjünger wieder weggegangen waren, auf den vorbildlichen Glauben des hl. Johannes des Täufers. Damit versuchte Er dem Volk und uns klar zu machen, welche Eigenschaften der Mensch besitzen muß, die seinem Glauben Standhaftigkeit verleihen. Drei Eigenschaften können wir ausmachen, die den Glauben des hl. Johannes besonders auszeichneten: 

  1. die Festigkeit seines Charakters; 
  2. sein abgetötetes Leben; und 
  3. die übernatürliche Gnade Gottes. 

Die Charakterfestigkeit

Das versammelte Volk, welches Zeuge von dem Besuch der Johannesjünger geworden war und die Frage gehört hatte „Bis du es der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“, hätte nun zu der falschen Annahme gelangen können, daß Johannes der Täufer, im Gefängnis schmachtend, an Jesu Messianität irre geworden sei und ernstlich an Ihm zu zweifeln begonnen habe. Das Volk hätte meinen können, wie es die protestantische Exegese ebenfalls fälschlich getan hat, daß die Worte Jesu vom Ärgernis – „selig, wer sich an mir nicht ärgert“ (Mt. 11, 6) – dem Täufer als Warnung gelten sollten. – Aber Jesus duldet nicht, daß auf Seinen treuesten Diener und Vorläufer auch nur der Schatten eines Zweifels falle. Deshalb trat Christus selbst für die Glaubensfestigkeit des hl. Johannes ein. Der Täufer hatte zuvor oftmals Jesus durch sein Zeugnis und seinen Wandel verherrlicht. So sollte der Täufer nun durch Christus verherrlicht werden, wie geschrieben steht: „Wer Mich ehrt, den werde Ich ehren; wer Mich aber verachtet, der soll verächtlich werden“ (1. Kg. 2, 30). So tritt Jesus vor dem versammelten Volk für den Täufer ein und fragt: „Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste? Was wollte ihr denn sehen? Etwa ein Schilfrohr, das vom Winde hin und her getrieben wird?“ (Mt. 11, 6). Mit anderen Worten: Könnt ihr wohl ernsthaft glauben, daß Johannes, der ein strenges, hartes Leben in der Wüste führte, den ihr selbst als einen unbeugsamen, heiligen Mann kennengelernt habt und verehrt; könnt ihr wohl ernsthaft glauben, dieser Mann sei nun auf einmal ein schwankendes Schilfrohr geworden? Seid ihr nicht gerade deshalb zu ihm hinausgeströmt, um an diesem Prediger voll Unerschrockenheit und Festigkeit euch festzuhalten und geistig zu stärken? – Das Volk konnte sich leicht selbst die Antwort geben. – Nein, Johannes war kein „Rohr, das von jedem Wind hin und her getrieben wird.“ Sie konnten sagen: Wir wissen es alle, daß er ein Mann von festem Charakter war. Wir wissen, wie er kein Ansehen der Person gekannt hat und selbst dem König Herodes dessen Ehebruch mit seiner Schwägerin vorhielt; wie er den Hohen und den Niedrigen gleichermaßen unerschrocken die Wahrheit sagte; wie ihn weder die schmeichelhafte Gesandtschaft des Hohen Rates noch die hinterhältigen Fragen der Pharisäer noch der Zorn, die Zwangsmaßnahmen und die Kerkerhaft des wutschäumenden Herodes dazu bringen konnten, von den Grundsätzen des Glaubens und des göttlichen Sittengesetzes auch nur einen Millimeter abzurücken.

Ein Schilfrohr wäre hingegen derjenige, der 1. ohne Festigkeit und Entschiedenheit, nur mit unentschlossener Halbheit das Gute will und dann, wenn es darauf ankommt, doch aus Schwachheit umfällt und sich willfährig anpaßt. Eine solche schwache Seele unterliegt dem leisesten Hauch der Versuchung. Sie hat ihren Blick nicht fest auf den Willen Gottes gerichtet, sondern blickt auf die anderen Menschen. Sie schaut nach rechts uns nach links. Was machen die anderen? Eine solche Seele nimmt falsche Rücksicht, d.h. sie nimmt allzu menschliche Rücksicht auf Kosten Gottes. Statt eine Situation mit den Augen des Glaubens zu beurteilen, urteilt sie mit den Augen der Welt und paßt sich dem bequemen Weg der breiten Masse an. Sie tut, was die anderen tun. 

Einem Schilfrohr gleicht jedoch 2. auch derjenige, bei dem der Zweck die Mittel heiligt; bei dem Selbstsucht und Erfolg mehr gilt als die Gebote der Religion und das Urteil des Gewissens. Wie etwa bei den meisten Vertretern der politischen Klasse heute, die je nach Zeit und Umständen ihre Meinung in grundsätzlichen Fragen aus charakterloser Berechnung ändern, eben so, wie es gerade nützlich erscheint; je nachdem welches Ziel gerade erreicht werden soll.

So handelte Johannes der Täufer nicht! Er lehrte, widerlegte, mahnte und strafte. Er blieb fest, auch wenn sich die Mächtigen gegen ihn stellten. Und je nachdrücklicher er Buße predigte, desto zahlreicher umringte ihn die Volksmenge. Denn das Volk sehnt sich zu allen Zeiten nach der Wahrheit und nach solchen, die unbeugsam für die Wahrheit eintreten. Mochte auch das Natterngezücht der Pharisäer Gift und Galle spucken und ein liederlicher König Ketten schmieden.

Die aufrichtigen Menschen damals wußten instinktiv, daß dieser Mann kein Schilfrohr war, das sich von Glaubenszweifeln hin und her bewegen ließ, sondern eine hohe und aufrecht stehende Säule, zu der man aufblicken kann, an der man sich orientieren kann, auf die man sich stützen und an der man sich festhalten kann. Das war Johannes der Täufer: nicht Schilfrohr, sondern eine unüberwindliche Säule des Glaubens. Seine Charakterfestigkeit ist sein Ruhm. In seiner Festigkeit ist er uns Vorbild.

Das abgetötete Leben

Doch Christus fuhr fort das Volk zu fragen: „Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste? Was wolltet ihr denn sehen? Einen Menschen, mit weichlichen Kleidern angetan?“ (Mt. 11, 8) „Seht, die in prächtigen Kleidern und in Üppigkeit leben, sind in den Palästen der Könige“ (Lk. 7, 25)

Hatte Jesus zuvor die Festigkeit der Grundsätze am hl. Johannes hervorgehoben, so beglaubigte Er als dessen zweite Eigenschaft sein abgetötetes Leben. „Warum seid ihr hinausgegangen?“ Ihr müßt es selbst bekennen: Hätte euch ein Mann in weichlichen Kleidern, d.h. in Aufmachung der neuesten Mode und in den Genüssen des Lebens schwelgend von einem luxuriösen Palast aus Straf- und Bußpredigten gehalten, ihr hättet weder den Prediger ernst genommen, noch seinem Wort Beachtung geschenkt. Wer Wasser predigt, selbst aber Wein trinkt, dessen Worte zerschellen am Widerspruch des eigenen Lebenswandels. – Wessen Worte Gehör finden sollen, dessen Taten müssen unbedingt mit ihnen in Einklang stehen, sonst entsteht eine unerträgliche Kakophonie. Das Glaubensbekenntnis durch die Taten darf dem Glaubensbekenntnis der Lippen nicht widersprechen. Der hl. Papst Gregor der Große sagt dazu: „Es heißt: Wer glaubt und sich taufen läßt, der wird selig werden. Wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. Vielleicht denkt nun ein jeder bei sich: Ich glaube, also werde ich selig. Das ist wahr, wenn deine Werke dem Glauben entsprechen. Denn echt ist der Glaube nur dann, wenn einer dem, was er in Worten behauptet, mit den Werken nicht widerspricht. So kommt es, daß Paulus von einigen falschen Gläubigen sagt: Sie geben vor, Gott zu kennen, aber mit den Werken verleugnen sie Ihn“ (hom. in Ev. 29; PL 76, 1214 f.)

Die Worte des hl. Johannes standen in Harmonie mit seinem Lebensstil. Er lebte in der Einsamkeit der Wüste, trug ein unbequemes Gewand aus beißendem Kamelhaar, verschmähte alle Lebensgenüsse, wies jedes alkoholische Getränk zurück und ernährte sich statt dessen von Heuschrecken und wildem Honig. An diesem Leben wird jedermann sichtbar, daß Johannes mit seiner Predigt nicht die eigene Ehre und seinen eigenen Vorteil suchen konnte, sondern einzig die Ehre Gottes und das Heil der Seelen. Aus seinem Mund klangen die rauhen, strengen Worte der Buße. Doch waren sie nie zu scharf, weil er durch sein eigenes Beispiel bezeugt hat, daß nicht nur das Volk, sondern auch er selbst der Buße bedürfe, um im Glauben standhaft bleiben zu können. Das war damals der Gedanke, welcher die Volksscharen beeindruckte, sie an die Ufer des Jordan zur Bußtaufe hinaustrieb und sie dem herben Büßerbeispiel des Täufers nacheifern ließ. 

Christus stellt Seinem Vorläufer mit diesen Fragen ein Lob aus, das für jeden Prediger ebenso wie für alle Vorgesetzten, Eltern, Lehrer und Erzieher eine überaus wichtige Mahnung enthält. Vergebens sucht derjenige andere zu bessern, der mit seinen Taten das wieder einreißt, was er mit Worten aufgebaut hat.

Konnte man aber nun von einem derart willensstarken Menschen wie dem hl. Johannes, der sein Fleisch in Dienstbarkeit gebracht hatte, ernsthaft annehmen, daß ihn die Entbehrungen der Kerkerhaft und die dort erfahrene harte Behandlung durch die Knechte des Herodes derart zermürbt haben könnten, daß er in seinem Glauben unsicher und in seinem Christusbekenntnis ins Wanken geraten wäre? Daß er auf einmal eine Rückversicherung nötig habe, daß derjenige, den er am Jordan gleich einer Posaune als „Lamm Gottes, welches hinweg nimmt die Sünde der Welt“ (vgl. Joh. 1, 29) verkündet hatte, weil er den „den Geist gleich einer Taube vom Himmel auf Ihn herniedersteigen“ (vgl. Joh. 1, 32) sah, wirklich der Messias sei? – Niemals! Wer sich durch ein abgetötetes Leben gestählt, wer sich von der Anhänglichkeit an die Geschöpfen losgelöst und sich von ihnen unabhängig gemacht hat, den zwingt auch keine harte Kerkerhaft in die Knie.

Es liegt aber in diesem Lob des Täufers auch noch eine weitere sehr ernste Lehre. Unter allen Tugenden dieses großen Heiligen hebt der Heiland vor allem dessen Abtötung und Selbstverleugnung hervor. Auf dieselben Tugenden gründet Christus auch das Gebäude der christlichen Vollkommenheit. Denn ohne tägliches Kreuztragen, ohne Selbstverleugnung und ohne Gewaltgebrauch gegen sich selbst kann diese nicht erreicht werden. – Unausrottbar wurzeln in jedem von uns die Folgen der Erbsünde. Die ungeordneten Triebe und Neigungen des Menschen können nur durch Bußwerke in Verbindung mit Gebet im Zaum gehalten werden. – Das haben uns auch die christlichen Jahrhunderte des Altertums und des Mittelalters in Gestalt unzähliger heiliger Märtyrer, Einsiedler und Büßer jeden Standes, Alters und Geschlechts als ermunternde Denkmäler hinterlassen. Ein hl. Papst Pius V., ein hl. Pfarrer von Ars, ein hl. Franz von Assisi, eine hl. Maria Magdalena, eine hl. Elisabeth von Thüringen – um nur einige Beispiele großer Büßer zu nennen –; sie alle waren groß in der Überwindung ihrer selbst, und deshalb konnte die Gnade Gottes aus ihnen jene leuchtenden Heiligengestalten formen, die wir bewundern und verehren.

Und heute? Wie weit sind wir doch davon entfernt, ihrem Beispiel nachzueifern? – Das beginnt schon im zwischenmenschlichen Miteinander. Statt Strenge gegen uns selbst fordern wir, daß andere streng behandelt würden; für uns aber fordern wir stets Verständnis und Rücksichtnahme ein. Statt auf die eigenen Wünsche zu verzichten, fordern wir von den anderen, sie sollen sich unseren Vorlieben und Vorstellungen anpassen. Statt ihnen in erlaubten Dingen gerne nachzugeben und gefällig zu sein, pochen wir auf unseren Willen und sind beleidigt, wenn diesem nicht entsprochen wird. – Hinzu kommt außerdem, daß auch wir Kinder unserer Zeit sind. Auch an uns ist die Novus-Ordo-Propaganda, Bußwerke seien eine übertriebene, antiquierte Selbstquälerei, nicht spurlos vorübergegangen. – Dabei ist gerade in der Verweichlichung der Christenheit eine der Hauptursachen zu erblicken, die dem Glaubensabfall und den daraus resultierenden Strafgerichten Gottes den Weg gebahnt hat. Eine gesunde Askese schützt, bewahrt und festigt den Glauben. – Ferner sind die heiligen Büßer nicht nur Vorbilder, sie waren auch Blitzableiter für ihre jeweilige Zeit. Zu allen Zeiten wurde viel und schwer gesündigt. Wieviel Schuld und wie viele Strafen aber wurden doch von zahlreichen Büßern früherer Zeiten von der Welt abgewandt, weil sich Gottes Zorn durch deren Bußwerke versöhnen ließ? Wo aber keine Blitzableiter mehr sind, weil sie ausgestorben sind, dort schlagen notwendigerweise die Blitze ungehindert ein. Wundern wir uns also nicht, daß die Welt, in der wir leben, so im Argen liegt und daß auch wir darunter zu leiden haben. Wundern wir uns nicht über den Verfall des Glaubens und der Sitten, über die Zunahme der Ungerechtigkeiten aller Art. – Folgen wir deshalb in diesem Advent dem Beispiel des hl. Johannes. Nehmen wir das härene Gewand einer Bußübung auf, – etwa morgens früher als gewöhnlich aufzustehen, etwas mehr dem Gebet zu obliegen, weniger Medienkonsum. Mäßigen wir uns im Genuß durch das „jesuitische Fasten“. D.h. man verzichte bei Tisch oder nehme weniger von den Speisen, die man gerne hat und greife statt dessen mehr zu denjenigen, die dem Gaumen nicht so zusagen. Auch das richtige Fasten, d.h. die einmalige Sättigung am Tag, sollte im Advent nicht völlig fehlen. – So wird unsere Seele durch die Loslösung von den fleischlichen Lüsten empfänglicher für die übernatürliche Welt des Glaubens und gleichzeitig gefestigt und geschützt vor so mancher Versuchung gegen die Reinheit.

Das Gnadenleben

Schließlich gipfelt die Lobrede Jesu auf Seinen Vorläufer in der Frage: „Oder was seid ihr hinausgegangen? Was wolltet ihr denn sehen? Einen Propheten? Ja. Ich sage euch, mehr als einen Propheten“ (Mt. 11, 9). – Die höhere Sendung des Täufers und seine prophetische Beziehung zu Christus waren dem Volk nicht unbekannt. Denn der Ruf von den wundersamen Umständen bei seiner Geburt hatte sich damals „im ganzen Gebirge von Judäa“, verbreitet „und alle, die das gehört hatten, nahmen es sich zu Herzen“ (Lk. 1, 65 f.). Auch der prophetische Ausspruch seines Vaters Zacharias war wohl nicht vergessen worden: „Und du, Kind wirst ein Prophet des Höchsten genannt werden“ (Lk. 1, 76)

Christus bestätigt nun in aller Öffentlichkeit, daß Johannes ein Prophet ist, ja „mehr als ein Prophet.“ Bestand die Hauptaufgabe der alttestamentlichen Propheten darin, vom Messias zu weissagen, so stand Johannes auf einer ungleich höheren Stufe. Seine überragende Würde bestand darin, unmittelbarer Wegbereiter zu sein. Nicht nur den Messias aus weiter, weiter Ferne in der Zukunft zu erkennen und skizzenhaft zu beschreiben, wie es die übrigen Propheten getan haben, sondern ihn mit eigenen Augen im Fleische zu schauen, ihn mit Händen zu greifen und auf Ihn hinweisen, Ihm dienen zu können. 

Jesus wendet die Prophetie des Malachias auf den hl. Johannes an, in der Johannes ein „Engel“ genannt wird: „Siehe, ich sende meinen Engel vor deinem Angesichte her, der deinen Weg vor dir bereiten soll“ (Mal. 3, 1). In der Tat war Johannes einem Engel vergleichbar. Er war im Mutterschoß wunderbar geheiligt und vom Heiligen Geist im Eifer für Christus „begeistert“ worden. Sein Leben war dem eines Engels vergleichbar durch seine Jungfräulichkeit, durch seine Entsagung, da er mehr von unsichtbarer als von sichtbarer Speise lebte; einem Engel, d.h. einem Glaubensboten, ausgesandt von Gott zum Dienst an den Seelen „damit alle zum Glauben kämen durch ihn“ (Joh. 1, 7). Er ist Bote Gottes, Werkzeug des Heiligen Geistes. Geheiligt durch das übernatürliche Gnadenleben und geleitet durch die sieben Gaben des Schöpfergeistes. Selbst Heilig und andere heiligend.

In der engelhaften Heiligkeit des hl. Johannes finden wir das dritte Merkmal, durch das unserem Glauben Standhaftigkeit verliehen wird – das übernatürliche Leben der Gnade und der Geistesgaben. Was nützen Festigkeit und Bußeifer ohne Gnade? Ohne den Stand der heiligmachenden Gnade ist alles eitel, denn ohne Gnade ist sowohl der festeste Glaube als auch die staunenswerteste Askese nutzlos. Letzte Ursache für unser Ausharren im Glauben und im Glaubensbekenntnis ist die übernatürliche Kraft der Gnade. Deshalb müssen wir uns, um im Glauben standhaft zu bleiben, vor allem darum bemühen, beständig im Stand der heiligmachenden Gnade zu leben. 

Die Engel sind uns in ihrer Natur weit überlegen. Einzig im Besitz der Gnade können wir gewissermaßen mit ihnen gleichziehen. Deshalb müssen wir durch die Kraft der göttlichen Gnade „Engel“ werden und bleiben. Engel in uns selbst und zugleich Engel unseren Mitmenschen, damit durch die Reinheit unseres Lebenswandels „alle zum Glauben kämen“, die Gottes Vorsehung an den Weg unseres Lebens gestellt hat. 

Den Glauben bewahren!

Fassen wir die Lobesrede Christi auf den hl. Johannes zusammen, so finden wir an ihm: 1. einen Mann von unbeugsamer Glaubenstreue aufgrund seiner charakterlichen Festigkeit, 2. einen Mann von größter Sittenreinheit durch ein abgetötetes Leben und 3. einen Mann des Wohlgefallens Gottes durch ein Leben im Stande der heiligmachenden Gnade und aus der Kraft der sieben Gaben des Heiligen Geistes. – Diese drei Eigenschaften haben seinem Glauben eine unüberwindliche Standhaftigkeit und Beharrlichkeit bis in den Tod verliehen. Sie haben ihm einen so großen Einfluß auf die Herzen der Menschen gegeben und ihn vor Gott so groß gemacht. – Dieselben Eigenschaften sollen sich auch bei jedem Gläubigen finden. Ohne Glauben können wir weder Gott gefallen noch den Nächsten für ihr Heil dienlich sein. So wollen wir uns nach dem Vorbild des hl. Johannes rüsten, denn wir wissen nicht, was uns noch bevorsteht und inwieweit die Standfestigkeit unseres Glaubens noch geprüft werden wird; vielleicht bis zur Kerkerhaft? vielleicht gar bis zum Martyrium, wie bei Johannes dem Täufer? – Wir wollen uns rüsten, damit wir am Ende nicht Schilfrohr, nicht Weichling, nicht Irrlicht sind, sondern mit dem hl. Paulus sprechen dürfen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt“ (2. Tim. 4, 7). Amen.

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