Erster Sonntag im Advent
Die Vorzeichen der Wiederkunft Christi
Geliebte Gottes!
Der Adventskranz erinnert uns alljährlich an die vier Jahrtausende des Wartens und der Vorbereitung auf die Ankunft des Erlösers Jesus Christus in Bethlehem. Die unverbrüchliche Hoffnung der alttestamentlichen Patriarchen und Propheten wird dargestellt durch die immergrünen Zweige. Die vier Kerzen stehen jeweils für ein Jahrtausend des Wartens auf den Messias. Die von Woche zu Woche zahlreicher werdenden Flammen weisen hin auf die immer deutlicheren Prophetien und Großtaten Gottes, mit denen Er die Erlösung und vor allem den Erlöser vorgebildet hat und die schließlich in Jesus Christus, dem Licht der Welt, das alle Finsternis vertreibt, in Erfüllung gegangen sind. – Doch mit der Menschwerdung des Gottessohnes ist der Weltadvent noch nicht zum Abschluß gekommen. Gerade der erste Adventssonntag eröffnet uns eine Adventsperspektive in die Zukunft. Er richtet unsere Aufmerksamkeit auf die noch bevorstehende zweite Ankunft Christi am Ende der Welt. Auch diese Hoffnung wird durch den Adventskranz versinnbildet. Wie wir in den vier Adventskerzen die nach und nach eintretenden Verheißungen hinsichtlich der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem erblicken dürfen, so können wir ihnen auch die noch bevorstehenden Ereignisse Seiner zweiten Wiederkunft am Ende der Welt zuordnen. So betrachtet stünden die vier Kerzen dann für:
- Die Verkündigung des Evangeliums vor allen Völkern.
- Die Bekehrung des Judentums.
- Der große Glaubensabfall und das Auftreten des Antichrist.
- Die schrecklichen Naturkatastrophen.
Die weltweite Verkündigung des Evangeliums
Das erste Vorzeichen der bevorstehenden Wiederkunft Christi ist die Verkündigung des Evangeliums auf der ganzen Welt. Christus sagt: „Dieses Evangelium vom Reich wird in der ganzen Welt gepredigt werden, allen Völkern zum Zeugnis. Und alsdann wird das Ende kommen“ (Mt. 24, 14). Und beim hl. Markus lesen wir: „Auch muß zuvor bei allen Völkern das Evangelium verkündet werden“ (Mk. 13, 10). – Damit ist jedoch nicht klar und sicher ausgesprochen, daß es vor dem Jüngsten Tag eine Zeit geben müsse, in der die Kirche tatsächlich alle Menschen der Welt umfaßt; in der es keine Ungläubigen, Häretiker und Schismatiker mehr geben dürfe.
Die kirchliche Missionsarbeit des Mittelalters und der Neuzeit bis zum sog. 2. Vatikanum hat den katholischen Glauben tatsächlich auf alle Erdteile gebracht und in praktisch alle Völker eingepflanzt. Vor allem in dem „Heiligen Römischen Reich deutscher Nation“, das in seinem tausendjährigen Bestehen – von der Krönung Kaiser Karls des Großen im Jahre 800 bis zu seiner Auflösung im Jahr 1806 (vgl. Offb. 20, 1-6) – die einzigartige christliche Kultur in sich hervorgebracht und verbreitet hat, fand die Kirche stets kraftvolle Unterstützung in ihrer Mission, die Welt zu Jüngern Christi zu machen. Unter dem Schutz dieses Reiches konnte sich das Senfkörnlein der römischen Kirche zu dem alle Erdteile umspannenden Baum, also zur Weltkirche, entwickeln, in dessen Ästen alle Völker und Nationen guten Willens nisten konnten. – Freilich, wann das Evangelium in den Augen Gottes hinreichend verkündet ist, wissen wir nicht. Doch darf man berechtigterweise annehmen, daß es heute wohl kaum noch eine Nation oder ein Volk geben dürfte, welches noch rein gar nichts von der Existenz der christlichen Religion und von der römisch-katholischen Kirche wüßte, selbst wenn vielleicht viele eine mangelhafte Vorstellung davon haben. Das Evangelium ist an sich bereits allen Völkern verkündet worden. Dieses Vorzeichen der Wiederkunft Christi scheint demzufolge bereits eingetreten zu sein.
Die Bekehrung der Juden
Das zweite Vorzeichen für die sich nähernde zweite Ankunft Christi markiert gewissermaßen den Schlußpunkt jener glorreichen Epoche der alle Völker umspannenden Weltkirche, nämlich die Bekehrung der Juden. – Schon die Propheten des Alten Testamentes haben darüber geweissagt. So lesen wir etwa beim Propheten Oseas: „Denn viele Tage werden die Söhne Israels einsam dasitzen ohne König und ohne Fürst, ohne Opfer und Weihestein, ohne Ephod und Teraphim. Danach werden die Söhne Israels umkehren und den Herrn, ihren Gott, suchen und David, ihren König. Bebend kommen sie dann zum Herrn und Seinem Heil am Ende der Tage“ (Os. 3, 4 f.). Die Juden haben bekanntlich den wahren Messias, unsern Herrn Jesus Christus, verworfen. Deshalb wurde ihnen die Gottesstadt Jerusalem genommen und der Tempel von den Römern geschleift. Seitdem sind die Juden ohne Opfer, ohne Altar und ohne Hohepriester, der das Ephod trägt. – Es wird aber eine Zeit geben, da werden die „Söhne Israels umkehren und den Herrn, ihren Gott, suchen und David“, – also Jesus Christus – „ihren König.“ Wann wird das sein? – Christus sagt: „Jerusalem wird von den Völkern zertreten werden, bis daß die Zeiten der (Heiden-)Völker abgelaufen sind“ (Lk. 21, 24). – D.h. wenn die von Gott bestimmte Zahl der Auserwählten, welche aus dem Heidentum stammen, in das Reich Gottes eingetreten ist; wenn die den Völkern der Welt gewährte Gnadenzeit abgelaufen ist, dann wird das Heil nochmals dem jüdischen Volk zugewandt werden und darin große Frucht bringen. So schreibt der hl. Paulus an die Römer: „Verblendung kam über einen Teil von Israel, bis die Vollzahl der Heiden eingetreten ist, und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht: ‚Aus Zion wird kommen der Retter, er nimmt hinweg die Gottlosigkeit von Jakob‘“ (Röm. 11, 25 f.). Die Verblendung der Juden wird demnach so lange über ihnen bleiben, bis die nicht-jüdischen Völker wieder vom katholischen Glauben abfallen, wodurch sie sich der Gnade Gottes unwürdig machen. Dann wird sich „ganz Israel“ von seiner Gottlosigkeit abwenden, Christus als seinen Gott und Erlöser anerkennen und gerettet werden. Ähnlich wie bei der Verkündigung des Evangeliums vor der ganzen Welt, ist auch hier nicht gemeint, daß sich wirklich jeder einzelne Jude bekehrt, aber doch wenigstens die moralische Gesamtheit des Volkes Israel.
Eine besondere Rolle im Zusammenhang mit der Bekehrung der Juden scheint dabei der Prophet Elias zu spielen. Dieser wird vor der zweiten Ankunft Christi zurückkehren, und auf seine Predigt hin soll sich das auserwählte Volk bekehren. Dies weissagte bereits der Prophet Malachias. Gott spricht durch diesen: „Seht, Ich werde euch den Propheten Elias senden, bevor der große, und furchtbare Tag des Herrn hereinbricht. Er wird der Väter Herz den Söhnen zuwenden, und der Söhne Herz ihren Vätern, damit Ich, wenn Ich komme, nicht die Erde mit dem Fluche treffen müsse“ (Mal. 4, 5 f.). Zum Teil ist diese Weissagung des Malachias schon am hl. Johannes dem Täufer erfüllt, der „im Geiste des Elias“ auftrat und die erste Ankunft Christi vorbereitet hat, indem er damals in den Söhnen Israels den Glauben ihrer Väter erneuerte. Deshalb nannte Jesus den hl. Johannes „Elias“ (vgl. Mt. 11, 14), obwohl Er anderswo (vgl. Mt. 17, 11; Mk. 9, 11) die Verheißung vom persönlichen Wiedererscheinen des Propheten Elias bestätigt hat. – Wie Johannes der Täufer bei der ersten Ankunft Christi dem göttlichen Erlöser ein gläubiges Volk zu bereiten suchte, so wird es vor der zweiten Ankunft des Christkönigs auch der Prophet Elias tun. Elias wird in „der Söhne Herz“ jenen Glauben an Christus erwecken, von dem Abraham, Isaak und Jakob sowie ihrer „Väter Herz“ durchdrungen war. So wird das verirrte Israel, welches dann wieder eine vereinte Nation in seinem angestammten Land sein wird, in den Schoß der katholischen Kirche eingehen.
Die genauen Worte, die Christus in diesem Zusammenhang gebraucht, haben jedoch für uns Katholiken in der papstlosen Zeit einen ganz besonderen Klang. Christus sagt: „Elias wird allerdings kommen und [er] wird alles wiederherstellen“ (Mk. 9, 12). Elias wird „alles wiederherstellen“. Gewiß ist damit vor allem die Renovation des Glaubens und der ruinösen religiösen Praxis des Judentums gemeint. Womöglich deutet Christus aber eine noch viel weitreichendere Wiederherstellung an. – Es muß ja angenommen werden – und für uns scheint es offensichtlich –, daß das Ende der großen Epoche der Heidenkirche unweigerlich von einem Verfall, ja von einem Zusammenbruch der kirchlichen Strukturen begleitet sein wird. Der große Abfall der Heidenvölker vom katholischen Glauben scheint aber, wie wir noch sehen werden, gerade durch die Ausschaltung des Papsttums zur Vollendung zu gelangen, wodurch sich erst der Irrtum ungehindert in aller Welt verbreiten und die Völker von der katholischen Religion losreißen kann. Demnach könnten die Worte Christi von der „Wiederherstellung“ durch Elias auch bedeuten, daß durch den Propheten nicht nur Israel, sondern auch die sich zu dieser Zeit in Verfall befindliche katholische Kirchenhierarchie wiederhergestellt; daß also durch Elias die papstlose Zeit beendet werden wird. – Wie dem auch sei, fest steht jedenfalls, daß Elias durch Wort, Wunderzeichen und Strafgerichte das Gottesvolk wieder in die rechte Ordnung bringen wird.
Ferner wird als sicher angenommen, daß Elias nicht alleine auftreten wird. In der Geheimen Offenbarung berichtet der hl. Evangelist Johannes, daß am Ende der Zeiten „zwei Zeugen“ (vgl. Offb. 11) auftreten werden. Einer der beiden Zeugen ist nach einhelliger Meinung der Väter und Theologen der Prophet Elias. Die Identität des zweiten Zeugen, der zusammen mit Elias dem Antichrist entgegentreten wird, ist hingegen nicht so klar. Die überwiegende Mehrheit der Theologen vertritt die Meinung, daß es sich bei dem zweiten Zeugen um Henoch handeln werde. Manche erblicken in ihm jedoch entweder Moses oder den Propheten Jeremias. – Henoch ist jene Urgestalt aus dem Buch Genesis, der in seinem 365. Lebensjahr wegen seines Glaubens und frommen Wandels von Gott in das Paradies (vgl. Sir. 44, 15) entrückt wurde, ohne den Tod zu schauen (vgl. Gen. 5, 21 ff.; Heb. 11, 5). Weil die Heilige Schrift also – ähnlich wie bei Elias, der ja auf einem Feuerwagen entrückt wurde – nicht von dessen Tod berichtet, so wird wie von Elias auch für Henoch angenommen, daß er immer noch in der Entrückung lebe. Und zwar bis zu dem Zeitpunkt, da Gott am Ende der Zeiten diese beiden alttestamentlichen Gestalten zurückkehren läßt, um den zu verlöschen drohenden Glauben wieder anzufachen. – Nach der gewöhnlichen Lehre der Tradition wird Elias den Juden, Henoch den Heiden das Evangelium predigen. Sie werden der zweiten Ankunft Christi unmittelbar vorausgehen und zu der von Gott bestimmten Zeit vom Antichrist besiegt und getötet werden.
Der große Glaubensabfall und das Auftreten des Antichrist
Das dritte Vorzeichen für die Ankunft Christi zum Weltgericht ist das Auftreten des Antichrist. Ein gigantischer Glaubensabfall steht mit seinem Erscheinen in ursächlichem Zusammenhang. Der hl. Paulus schreibt im 2. Brief an die Thessalonicher: „Zuvor muß der Abfall (ἀποστασία) kommen und der Mensch der Sünde offenbar werden, der Sohn des Verderbens, welcher der Widersacher ist und sich erhebt über alles, was Gott heißt oder göttlich verehrt wird“ (2. Thess. 2, 3 f.)
Christus selbst deutet den Schwund des Glaubens in den letzten Zeiten an, wenn Er die Frage aufwirft: „Wird der Menschensohn, wenn Er kommt, auf Erden noch Glauben vorfinden?“ (Lk. 18, 8). – Der allgemeine Glaubensabfall, gefördert durch falsche Propheten, wird begleitet sein vom Erkalten der Liebe unter den Menschen. Die treuen Christen werden gehaßt und verfolgt werden. Christus sagt ihnen Not und Trübsal voraus wie nie zuvor: „Alsdann werden sie euch der Drangsal überliefern und euch töten. Und ihr werdet verhaßt sein bei allen Völkern um Meines Namens willen. Da werden viele zu Fall kommen und einander verraten und einander hassen. Auch viele falsche Propheten werden auftreten und viele irreführen. Und weil die Gesetzlosigkeit überhandnimmt, wird die Liebe bei vielen erkalten“ (Mt. 24, 9-12). Der hl. Apostel Paulus beschreibt seinem Schüler Timotheus, wie die Menschen dieser letzten Zeit sein werden: „Das aber wisse, daß in den letzten Tagen gefahrvolle Zeiten eintreten werden; denn es werden Menschen sein, die nur sich lieben; geldgierig, prahlerisch, überheblich, schmähsüchtig, gegen die Eltern ungehorsam, undankbar, lasterhaft, lieblos, unverträglich, verleumderisch, unenthaltsam, unbarmherzig, schonungslos, verräterisch, frech, aufgeblasen, die Wollust mehr liebend als Gott, zwar den äußeren Schein der Frömmigkeit an sich tragend, die Kraft derselben aber verleugnend“ (2. Tim. 3, 1 ff.).
Man sagt, der Satan sei der „Affe Gottes“. Weil der Satan in seiner Überheblichkeit Gott ebenbürtig erscheinen will, deshalb versucht er Gott alles nachzumachen. Wie Christus im Alten Testament Seine Vorbilder, Propheten und Vorläufer hatte, die das Volk auf Seine Ankunft vorbereitet haben, so sorgt der Satan dafür, daß auch der Antichrist durch die Jahrhunderte hindurch seine Vorläufer, Propheten und Vorbilder hat, die wiederum diesem durch ihre Verführungskünste ein gottloses Volk bereiten, das seiner würdig ist. – Der hl. Evangelist Johannes warnte schon zu seiner Zeit in seinem ersten Brief vor den „falschen Propheten“ und vor den Verfolgern der jungen Christenheit: „Kinder es ist die letzte Stunde, und wie ihr gehört habt, daß der Antichrist kommt, so sind auch jetzt viele Antichristen aufgestanden. Daran erkennen wir, daß es die letzte Stunde ist“ (1. Joh. 2, 18). Und in seinem zweiten Brief schreibt der Lieblingsjünger: „Denn viele Verführer sind ausgezogen in die Welt, die nicht bekennt, daß Jesus Christus im Fleische gekommen ist. Das ist der Verführer und der Antichrist“ (2. Joh. 7).
Nach dem Urteil der Väter gelten als solche Verführer und Wegbereiter des Antichrist Männer wie etwa der Syrische König Antiochus IV. Epiphanes, der Römische Kaiser Julian der Abtrünnige oder Mohammed, der Stifter des Islam. Sie alle waren Herrschergestalten, welche die wahre Religion blutig mit dem Schwert auszurotten trachteten. Ihrer Herrschaft ging jeweils eine Periode des Glaubensabfalls voraus. Der Herrschaft des Antiochus ging die Vermischung des alttestamentlichen Judentums mit dem hellenistischen Heidentum voran; nachzulesen in den beiden Makkabäer-Büchern. Der Herrschaft Julians des Abtrünnigen ging der großflächige Abfall der Christen zum Arianismus voraus; dem brandschatzenden Mohammed die grassierende Häresie des Nestorius. Und Kardinal Newman stellte bereits Ende des 19. Jahrhunderts fest, daß mit der Französischen Revolution ein Prozeß eingesetzt habe, bei dem sich ganze Nationen nicht nur von der katholischen Religion, sondern vom Christentum insgesamt lossagen. Darin sah er ein Zeichen für das Herannahen des eigentlichen Antichrist.
Die Hauptstelle bezüglich des Antichrist findet sich in dem bereits zitierten 2. Thessalonicherbrief des hl. Apostels Paulus. Dort heiß es weiter: „Der Mensch der Sünde [muß] offenbar werden, der Sohn des Verderbens, welcher der Widersacher ist und sich erhebt über alles, was Gott heißt oder göttlich verehrt wird, so daß er sich in den Tempel Gottes setzt und sich zur Schau stellt, als sei er Gott. Erinnert ihr euch nicht, daß ich euch dies gesagt habe, als ich noch bei euch war? – Auch das, was jetzt noch aufhält, kennt ihr, daß es sich offenbare zu seiner Zeit. Denn das Geheimnis der Bosheit ist bereits wirksam; nur daß der, welcher es jetzt aufhält, aufhalte, bis er aus der Mitte hinweg geräumt wird. Und alsdann wird jener Ruchlose [der Antichrist] offenbar hervortreten, doch der Herr Jesus wird ihn töten mit dem Hauche seines Mundes und zunichte machen, durch den Glanz Seiner Ankunft. – Dessen [des Antichrist] Ankunft erweist sich gemäß der Wirksamkeit des Satans in jeglichem Krafterweis und trügerischen Zeichen und Wundern, und in allem Trug der Ungerechtigkeit für die, welche verlorengehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, um errettet zu werden. Deshalb wird Gott den Trug auf sie wirken lassen, daß sie der Lüge glauben, damit alle gerichtet werden, welche der Wahrheit nicht geglaubt, sondern der Ungerechtigkeit Beifall geschenkt haben“ (2. Thess. 2, 3-12). Der hl. Paulus sagt: 1. Die Ursache des Glaubensabfalls ist die Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber der Wahrheit. Die „Liebe zur Wahrheit“ ist ihnen abhanden gekommen. 2. Weil sich die Menschen der göttlichen Wahrheit unwürdig erwiesen haben, wird Gott es zulassen, daß der Garant der sicheren Wahrheit, der Stellvertreter Jesu Christi auf Erden, welcher durch die Jahrhunderte hindurch mittels seines unfehlbaren Urteils zuverlässig jeden Ansturm des „Geheimnisses der Bosheit“, d.h. der antichristlichen Mächte – ihre Irrtümer und Verführungskünste – aufgehalten hat, eines Tages weggeräumt wird. 3. Durch diesen Dammbruch wird sich die Fülle der Irrtümer erst richtig über die gesamte Menschheit ergießen können. 4. Weil die Menschen der Wahrheit nicht geglaubt haben, läßt Gott es zu, daß der Trug auf sie einwirken kann, ja daß sie die Lüge wie ein Schwamm begierig aufsaugen, ihr Glauben schenken und dem aus ihr resultierenden Unrecht Beifall klatschen werden.
Ist nicht auf dem sog. 2. Vatikanum die „Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit“ in Form des Ökumenismus praktisch inthronisiert worden? Besteht nicht in der Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit das Charakteristikum unserer Zeit? – Das Charakteristikum unserer Zeit ist nicht so sehr die Unmoral. Auch in früheren Zeitaltern herrschte Sittenlosigkeit. Vielleicht sogar noch mehr als heute. Aber das Charakteristikum unserer Zeit ist, daß es die „post-christliche“ Zeit ist, d.h. das Evangelium wurde verkündet und die Menschen haben es mit einem Achselzucken verworfen. Diese moderne Gleichgültigkeit wurde institutionalisiert durch den Ökumenismus des „II. Vatikanums“. Ja, sie wurde nicht nur institutionalisiert, sondern sogar gleichsam konsekriert, als handle es sich dabei um die wahre Religion. Deshalb wird es heute als tugendhaft hingestellt, wenn man der Wahrheit gegenüber gleichgültig ist. Bergoglio wäre überaus zufrieden mit uns, wenn wir den Protestantismus, den Islam, den Buddhismus, den Hinduismus oder sonst eine Religion als gleichwertigen, d.h. gleich-gültigen, Weg zum Heil gelten ließen; wenn auch uns alles egal, alles gleich-gültig wäre. – Frühere Zeiten waren nicht so krank wie die unsere. Denn selbst die heidnischen Römer des Altertums waren, obwohl sie verweltlicht und sittlich verdorben gewesen sind, doch nicht gleichgültig gegenüber der Wahrheit. Sie haben das Christentum anfangs als vermeintlich falsche Religion verfolgt. Und als sie die Wahrheit des Christentums erkannt hatten, haben sie das Knie gebeugt. Heute hingegen kümmern sich die Leute nicht mehr darum, was wahr ist und was falsch. – Die Gleichgültigkeit wird sich einst steigern zu blankem Haß gegen alles, was absolute Wahrheit für sich beansprucht; insbesondere gegen die göttliche Wahrheit und das göttliche Sittengesetz. Die Revolte gegen die ewige Wahrheit wird sich zu einem derart grotesken Höhepunkt steigern, daß die Menschen ihrer Verhärtung im Gotteshaß insofern Ausdruck verleihen, als sie dem Antichrist im Heiligtum Gottes göttliche Ehren erweisen werden. Das wird die vollständige Erfüllung des „Greuels der Verwüstung an heiliger Stätte“ sein, von dem wir am vergangenen Sonntag gehört haben. Der Antichrist – also der Unheilige und Gottlose schlechthin – wird sich im Heiligtum Gottes zur Schau stellen, als sei er Gott.
Dieser letzte Antichrist, der diesen Namen wie kein anderer verdient, wird kommen. Wie an Christus, so werden auch am Antichrist alle Weissagungen und all seine Typen in gesteigerter Form sichtbar werden. Wie Christus dreieinhalb Jahre in aller Öffentlichkeit gewirkt hat, so scheinen auch dem Antichrist dreieinhalb Jahre zugestanden zu werden. So lange wird er an der Spitze eines antichristlichen Weltstaates stehen; eines Weltstaates, der das universale Königtum Christi in gottloser und perverser Weise nachäfft. Er wird die ganze Welt vollständig kontrollieren und unterjochen können. Wir scheinen derzeit gerade mitzuerleben, wie das Kontrollinstrument seiner einstigen Herrschaft entwickelt bzw. geschmiedet wird.
Seit der patristischen Zeit wird die Ansicht vertreten, daß der Antichrist nach der Zerstörung des römischen Reiches kommen werde. Sowohl das antike „Imperium Romanum“ als auch das mittelalterliche „Heilige Römische Reich deutscher Nation“ sind längst untergegangen, ohne daß der Antichrist erschienen wäre. Folglich scheint das antichristliche Reich seinen Höhepunkt erst in einem scheinbar vollständigen Triumph über die römisch-katholische Kirche und das römische Papsttum zu erreichen, mit dem eine völlige Zertrümmerung der göttlichen, kirchlichen und natürlichen Rechtsordnung sowie die vollständige Unterdrückung der katholischen Glaubenspraxis einhergehen wird und dem erst die Wiederkunft Christi selbst Einhalt gebietet.
Die Naturkatastrophen
Schließlich sei noch kurz das vierte und letzte Vorzeichen der bevorstehenden Wiederkunft Christi angeführt: Die Naturkatastrophen. Es werden dem Ende der Welt schreckliche Katastrophen am Himmel und auf Erden vorausgehen, welche die Menschen mit großer Furcht erfüllen werden. Davon berichtet uns das heutige Sonntagsevangelium: „Es werden Zeichen erscheinen an Sonne, Mond und Sternen, und auf Erden wird große Angst unter den Völkern sein wegen des ungestümen Rauschens des Meeres und der Fluten. Die Menschen werden verschmachten vor banger Erwartung der Dinge, die über den ganzen Erdkreis kommen werden; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann werden sie den Menschensohn auf den Wolken kommen sehen mit großer Macht und Herrlichkeit“ (Lk. 21, 25 f.). Bei Seiner Ankunft wird Christus den Antichrist besiegen „mit dem Hauch seines Mundes.“ Er wird Seine Engel aussenden, um die Toten aus ihren Gräbern zu rufen. Nach der Auferstehung des Fleisches wird Christus Gericht halten, Sein Urteil an den Verdammten vollstrecken und zusammen mit Seinen Heiligen in die Ewigkeit des Himmels einziehen.
„Komm, Herr Jesus!“
Der Advent ist die Vorbereitungszeit auf die Ankunft Christi. Dabei sind wir es gewohnt, vor allem Seiner ersten Ankunft im armen Stall von Bethlehem zu gedenken. Wir versetzen uns zurück in die Zeit des Alten Bundes und rufen mit den Propheten „Komm, o komm Emmanuel.“ Doch ist Weihnachten so betrachtet nur ein Gedächtnis an längst Vergangenes, eine Erinnerungsfeier. Denn Christus ist bereits gekommen. Er hat die Erlösung von den Sünden durch Sein Opfer am Kreuz bereits gebracht. – Der erste Adventssonntag richtet unseren Blick in die Zukunft; auf den Tag der zweiten Ankunft Christi. Dieser „Tag des Herrn“ steht noch aus. Ihn erwarten wir in dem noch immer andauernden Weltadvent. Das Weihnachtsfest ist so betrachtet lediglich ein Platzhalter für eben diesen noch ausstehenden jüngsten aller Tage.
Jedes Mal, wenn wir andächtig das „Vater unser“ beten, sprechen wir die Worte: „Zu uns komme Dein Reich“. Damit bekennen wir: Das Königreich Christi ist die katholische Kirche. Dieses Reich ist noch nicht in seiner ganzen Vollendung gekommen. Solange es eine streitende Kirche auf Erden gibt, ist der Triumph Christi noch nicht vollkommen. So lange ist für uns kein vollkommener Friede, keine vollkommene Sicherheit und keine vollkommene Freude zu erwarten. Erst wenn der Herr mit großer Macht und Herrlichkeit wiederkommt, wird Er sich vollkommen an Seiner Kirche verherrlichen. So lange leidet die Kirche und mit ihr auch wir. Doch das ist nur etwas Vorübergehendes. Die Wiederkunft Christi ist der Tag Seines Sieges, der Tag der Freude. Deshalb halten jene, die Christus lieben, sehnsuchtsvoll Ausschau nach diesem Tag. Der Gedanke an das Weltende weckt in ihnen nicht Angst und Schrecken, sondern eine große Vorfreude auf die sich nahende Erlösung. Sie blicken dabei nicht auf sich, sondern sie erheben ihre Häupter zu Christus (vgl. Lk. 21, 28). Es wird Sein Tag sein; der Tag Seiner Herrlichkeit. Der Gedanke an die Freude Christi über Seinen vollkommenen Sieg gibt der liebenden Seele Kraft, jetzt alle Leiden geduldig zu ertragen und für gering zu erachten. Denn es gehört zur Tugend der Gottesliebe, daß wir Gott über alle Dinge lieben; mehr als unser Wohlergehen; mehr als unsere eigenen Interessen; mehr als uns selbst. – Dazu möchte uns der hl. Paulus für diese Adventszeit ermuntern, wenn er sagt: „Ihr selbst wißt ja genau: Der Tag des Herrn – wie ein Dieb in der Nacht, geradeso kommt er. Wenn sie das Wort ‚Friede‘ und ‚Sicherheit‘ sagen, wird sie plötzlich das Verderben überfallen wie die Geburtswehe die Schwangere, und sie werden nicht entkommen. Ihr aber, Brüder, seid nicht in Finsternis. So laßt uns denn nicht schlafen wie die übrigen, sondern wachsam sein und nüchtern. Die Schlafenden schlafen ja nachts und die Trunksüchtigen betrinken sich nachts. Wir aber, die wir dem Tag gehören, wollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil. Denn Gott hat uns nicht bestimmt für das Strafgericht, sondern zur Erlangung des Heils durch unseren Herrn Jesus Christus, der für uns starb, damit wir, ob wir wachen oder schlafen, mit Ihm vereint leben“ (1. Thess. 5, 2-10). So wollen wir den Tag des Herrn erwarten, wie es jene, die Christus lieben, zu allen Zeiten getan haben: Wachsam. Enthaltsam. Hoffnungsfroh. Den Ruf der Kirche nach ihrem Bräutigam auf den Lippen: „Dein Reich komme!“„Komm! Komm, Herr Jesus!“ (Offb. 22, 17.20). Amen.