Der Ehemann: Mann, Ritter, Christ

Geliebte Gottes!

Vor einigen Wochen haben wir am Fest der hl. Mutter Anna von dem Brief des hl. Apostel Petrus gehört, den er an die Gemeinden in Kleinasien geschrieben hat und dabei die Frauenwelt zur Übung der christlichen Tugenden aufgerufen hat. Sie sollten ohne Worte, sondern durch ihr Vorbild ihr Männer entweder von der Wahrheit des katholischen Glaubens überzeugen, oder sie für die religiöse Praxis gewinnen. Wir sagten dabei, daß der erste Papst sich dabei vor allem, aber nicht nur an die Frauen wandte. Er richtete auch einige Worte an die Männer, an die Ehemänner. Auch diese wenigen Verse sind dicht mit Inhalt gefüllt. Und wir wollen das Fest des hl. Joachim, des Gemahls der hl. Anna und Vaters der allerseligsten Jungfrau Maria, zum Anlaß nehmen, auch diese Verse genauer in Augenschein zu nehmen. „Ihr Männer“, so heißt es da, „seid verständig im Verkehr mit euren Frauen als dem schwächeren Teil! Erweist ihnen Achtung, denn sie sind mit euch Erben der Gnade des Lebens. Dann wird euer Gebet nicht behindert sein“ (1. Petr. 3, 7). Diese wenigen Worten enthalten einen dreifachen Aufruf an die Ehegatten. Nämlich einen Appell an den Ehegatten als Mann, einen Appell an den Ehegatten als Ritter und einen Appell an den Ehegatten als Christ.

Der Gatte als Mann

Der erste Appell an den Ehegatten spricht ihn an als Mann. „Ihr Männer, seid verständig mit euren Frauen als dem schwächeren Teil!“ Die Frauen hören es nicht so gern, wenn von ihnen als dem „schwächeren Teil“ gesprochen wird. Aber der Sinn dieser Worte, zu denen der Heilige Geist den hl. Petrus inspiriert hat, ist klar: Die Frau ist zarter als der Mann. Sie ist körperlich und seelisch in der Regel nicht so robust wie der Mann. Das ist gemeint mit dem „schwächeren Teil“. Es besagt nicht, daß die Frau nicht viele Eigenschaften, Qualitäten und Anlagen hat, in denen sie sich als stärker erweist, etwa in ihrer Leidensfähigkeit. „Ihr Männer, seid verständig im Umgang mit euren Frauen!“ Hier ist ein Appell an die Kraft des Mannes gerichtet, die man die Vernunft nennt. Sie hat zwei Kräfte: den Verstand und den Willen. Der Mann soll als Ehegatte die Vernunft bewähren. Das bedeutet ein Dreifaches: Einmal muß er mit der Vernunft erkennen, daß er dazu aufgerufen ist, durch seine tägliche Arbeit den Unterhalt für seine Frau und seine Kinder zu erwerben. Die erste Standespflicht des Mannes besteht seit dem Sündenfall in der Arbeit; in der Leistung. Gott hat gesagt: „Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen“ (Gen. 3, 19). Dem Mann ist die Pflichterfüllung aufgetragen. Eine Frau kann von ihrem Mann erwarten, daß er durch Arbeit den Unterhalt für seine Familie verdient. Das ist eine klare Forderung der Vernunft. Dazu hat Gott ihm seine körperlichen Kräfte und seine seelischen Befähigungen, die sich insbesondere auf sachliche Dinge, auf „Tat“-Sachen richten, gegeben, damit er durch Arbeit den Unterhalt für seine Familie sicherstellt.

Die Vernunft lehrt ihn an zweiter Stelle die Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit ist die Tugend, die jedem das geben will und gibt, was dem anderen zusteht, was dem anderen zukommt. Der Mann vermag mit der Vernunft zu begreifen, daß man von einem anderen nicht etwas erwarten soll und kann, ja, nicht erwarten darf, was der andere nicht leisten kann bzw. was man selber zu leisten nicht gewillt ist. Die Vernunft fordert vom Mann Gerechtigkeit. Und zwar Gerechtigkeit zuerst im Verhältnis zu seiner Frau. Diese Gerechtigkeit drückt sich darin aus, daß der Mann seiner Frau etwas gewähren muß, bevor er etwas von ihr verlangt. Der berühmte Gesellenvater Adolf Kolping hat einmal den Satz gesagt: „Wenn der Mann will, daß seine Frau eine sehr gute Frau sei, dann sei er zuerst ein sehr guter Mann. Und wenn eine Frau will, daß ihr Mann ein sehr guter Mann sei, dann sei sie zuvor eine sehr gute Frau! Jeder muß zuerst anfangen, und keiner darf auf den anderen warten, sonst kommen beide zu spät, viel zu spät!“ Kolping sagte hier etwas sehr Wesentliches. Die Gerechtigkeit ist nicht etwas, was beansprucht werden kann. Sie besteht wesentlich darin sie zu leisten. Sie muß gegeben werden. „Jedem das seine!“ Gerecht sein heißt, jemandem sein Recht geben. Und zwar nicht unter der Voraussetzung, daß zuvor meinem Recht genüge getan wurde. Ein Gedanke, der dem modern Menschen fremd geworden ist. Der moderne Mensch versteht sich zuallererst als einen Träger zahlreicher Rechte. Er begreift sich als Träger der sog. Menschenrechte, die ihm prinzipiell und ohne jede Bedingung erlauben sollen, jede Menge Ansprüche einzufordern. – Der Mensch ist jedoch, richtig gedacht, zuerst eine Person, die Pflichterfüllung schuldig ist. Und erst aus dieser geleisteten Pflichterfüllung erwachsen Rechte und Ansprüche. Das hat der moderne Mensch vergessen. Adolf Kolping lebte im 19. Jahrhundert mitten unter dem Volk und kannte seine Gesellen und deren Familien. Er wußte, wenn der eine mit dem Gutsein auf den anderen wartet, dann kommt es nie zu einer wahren, gerechten Ehe, sondern jeder muß von sich aus anfangen, gut zu sein, ohne auf den anderen zu warten, um in dem anderen das Gutsein gleichsam aufzuwecken. Nichts weckt das Gutsein des anderen leichter auf als das eigene Gutsein.

Die Vernunft lehrt den Mann an dritter Stelle kluge Besonnenheit. Sie zeigt ihm, daß Überstürzung, Übereilung und Unbesonnenheit nur Unfrieden und Unordnung in eine Familie bringt. Wo die Vernunft einen Mann beherrscht, da ist er in seinen Handlungen, in seinen Reden, in seinem Planen besonnen. Er hat sich also vorher über das, was er tun oder sagen will, Gedanken gemacht und sich darüber Rechenschaft gegeben. Dann erst redet er. Und dann handelt er. Die Besonnenheit vermeidet Streit. Der Streit tötet die Liebe und daher ist der Streit Gift für eine Familie und Gift für die Ehe. Nichts richtet eine Gemeinschaft so leicht zugrunde wie unbesonnener Streit, oder Streit der aus unüberlegten Worten und Taten oder aus Unbesonnenheit erwächst.

Durch kluge Besonnenheit kann Streit zwischen den Ehegatten durchaus vermeiden. Beispielsweise könnte man sagen: Wenn sich der eine am anderen ärgert, so soll man wenigstens eine Nacht darüber schlafen. Und wenn man dann am anderen Tag die Beschwerde noch immer als angebracht ansieht, dann soll man sie vorbringen. Soweit der Appell an den Ehegatten als Mann.

Der Gatte als Ritter

Ein zweiter Appell des hl. Petrus richtet sich an den Ehemann als Ritter: „Ihr Männer, seid verständig im Umgang mit euren Frauen! Erweist ihnen Achtung!“ Es war immer das Ziel und das Kennzeichen des mittelalterlichen Ritterideals, daß der Knappe, der zum Ritter geschlagen wurde, Zucht und Maß in seinem ganzen Leben gelobt und beweist. Zucht und Maß auf allen Gebieten. Wo aber ist Selbstbeherrschung und Maßhaltung notwendiger als in einer Gemeinschaft, die so innig, so nahe und so eng ist wie die Ehe? Hier kommt beinahe alles auf Zucht und Maßhalten an. Die unaufhörliche Arbeit an sich selbst, die eben zur Zucht und zum Maßhalten führt, kann dem Ehemann nicht erlassen werden. Jeder hat schon einmal von dem klassischen Anstands- und Benimmbuch: „Über den Umgang mit Menschen“, besser bekannt unter dem Namen seines Verfassers: Adolf Knigge. Im „Knigge“ kann man lesen: „Wenn du willst, daß deine Frau dich vor allen anderen ehren und lieben soll, dann verlaß dich nicht darauf, daß sie es dir am Altare versprochen hat, sondern biete alle Kräfte auf, daß du besser seiest als jeder andere, und das in jeder Hinsicht!“ Ein sehr weiser Rat! Wenn du willst, daß deine Frau dich achten, ehren und lieben soll, dann trachte danach, daß du dessen wert bist – mehr als alle anderen Männer. D.h. daß du zu ihr besser bist als alle anderen Männer – und zwar in jeglicher Hinsicht! Das gehört zum Ideals des Ritters. Dieser muß unermüdlich an sich selbst arbeiten, daß er die eigenen Launen und Leidenschaften – de des Zornes und die des Begehrens – erkennt und niederhält; sie überwindet, daß er die Tugenden herausarbeitet, auf die jede Gemeinschaft, am meisten aber natürlich die Ehe, angewiesen ist. Zum ritterlichen Ideal gehört auch der Schutz der Schwachen, der Bedrängten und natürlich erst recht der Frauen. Der Mann, der das ritterliche ideal in seiner Ehe verwirklichen will, muß ein Schützer seiner Frau sein. Dieser Schutz kann extreme Formen annehmen, etwa wie es in Kriegs- und Nachkriegszeiten oft geschehen ist, wo sich so mancher heldenhafte Ehemann vor seine Frau gestellt hat und dafür den Tod erlitten hat. Der Schutz ist aber auch im täglichen Leben notwendig, etwa angesichts von Schwächen der Frau. Wie leicht wird sie das Opfer von Klatsch und Tratsch, von übler Nachrede! Dann muß ein Mann sich schützend vor seine Frau stellen und sie in Schutz nehmen. Er muß eine feste Burg für seine Gemahlin sein. Das verlangt seine ritterliche Pflicht. Am meisten aber wird der Mann das ritterliche Ideal erfüllen, wenn er seine Frau ehrt, wenn er ihr Ehrerbietung erweist. „Erweist ihnen Achtung!“, so heißt es im 1. Petrusbrief. Achtung ist ja in etwa dasselbe wie Ehrerbietung. Der Mann muß also für die Dauer des ganzen Ehelebens mit Achtung und Ehrerbietung seiner Frau gegenübertreten. Kaiserin Maria Theresia, die ihrem Mann 16 Kinder geboren hat, hatte einmal an eine ihrer Töchter geschrieben: „Die törichte Liebe vergeht, aber man muß sich gegenseitig achten und ehren!“ Achten und ehren ist nicht immer leicht, wenn man so eng zusammen lebt, wie es in der Ehe der Fall ist, wo man sich so gut kennt, daß auch die verborgensten Fehler, Schwächen und Abgründe eines Menschen sich auftun. Gerade deswegen ist es so notwendig, Achtung und Ehrerbietung zu bewahre, damit man sich nicht gemein macht, damit die Ehe nicht zu einer Schlammschlacht wird, damit nicht das Schäbige, Niedrige im Menschen die Oberhand gewinnt. Die Ehrung und die Achtung muß der Mann seiner Ehefrau erweisen bis zum Ende des Lebens. „Wenn du willst, daß nicht andere deine Frau ehren, dann mußt du sie ehren“, schreibt der heilige Johannes Chrysostomus, der offensichtlich in seinem Bischofsamt nicht nur ein begnadeter Redner, sondern auch ein Kenner der Menschen und der Ehen gewesen ist. Wenn du deine Frau ehrst, hat sie es nicht nötig, von anderen geehrt zu werden. Damit weist er auf eine Gefahr hin, vor der die Frau geschützt werden muß. Wenn ein Mann gleichgültig wird gegenüber seiner Frau, wenn er rücksichtslos und teilnahmslos wird, dann besteht die Gefahr, daß die Frau die vermißte Ehre und Achtung dort sucht, wo sie sie nicht suchen darf. Davor muß sie der Ritter schützen.

Der Gatte als Christ

Der dritte Appell des hl. Petrus richtet sich an den Christen im Mann. „Ehret eure Frauen, denn sie sind Miterben der Gnade des Lebens!“ Darin besteht ja die tiefste Verbindung zwischen den Gatten – die Gemeinschaft mit Gott. Sie haben am Altar nicht nur einen rein menschlichen Vertrag abgeschlossen, sondern sie haben sich am Altar im Angesicht des Allerhöchsten durch Gott und mit Gott zu einem immerwährenden Bund vereinigt. Sie sind zu einer Art Drei-Einigkeit geworden. Ja, zu einer Drei-Einigkeit, nicht lediglich zu einer Zwei-Einigkeit. Die tiefste Vereinigung der Brautleute ist jene, die in Gott gründet ist. Gott ist der Dritte im Bunde. Und diese Gemeinschaft müssen die Eheleute auch pflegen und leben. Sie bewähren sie im gemeinsamen Gebet, im gemeinsamen Meßbesuch, im gemeinsamen Sakramentenempfang, auch in der gemeinsamen Erinnerung, nicht nur an den Tauf- bzw. Namenstag, sondern an jenen Tag, wo sie vor dem Traualtar knieten, um sich gegenseitig unverbrüchliche Treue zu gelobten. Diese Gemeinschaft ist die tiefste, und sie muß nicht nur im Gedächtnis haftenbleiben, etwa im Familienalbum oder der Familienchronik, als wäre die Sache längst abgeschlossen. Die eheliche Lebens- und Liebesgemeinschaft muß stets lebendig gehalten werden, damit man sich nicht allmählich voneinander entfernt. Sie muß täglich geübt werden. Die täglich geübte Gemeinschaft in Gott hier auf Erden ist nur ein Anfang. Sie soll sich fortsetzen und vollenden in der Ewigkeit. Die Ehegatten sollen sich gegenseitig unterstützen um ihr letztes und eigentliches Ziel zu erreichen. Beide sind „Erben“ der Gnade des ewigen Lebens. Über ihnen liegt der Schimmer, der Glanz der ewigen Herrlichkeit. Mann und Frau sind geschwisterlich verbunden durch das gemeinsame Harren auf die Vollendung in der Ewigkeit. Wenn der Mann das bedenkt, dann wird er mit Ehrfurcht vor seiner Frau stehen, dann wird er ihr mit Ehrfurcht begegnen, dann wir er begreifen, daß die Frau nicht ein Spielzeug des Mannes ist.

Die Gemeinschaft auf Erden wird einmal abbrechen. Die Ehe ist nur für diese irdische Lebenszeit eingerichtet. Sie dient der Fortpflanzung und der Erhaltung des Lebens. Wenn einst nicht mehr gestorben wird, dann braucht auch nicht mehr geboren zu werden. In der Ewigkeit wird nicht mehr gestorben. Deswegen ist dort die Ehe hinfällig geworden. Wenn die Ehe aber eine Gemeinschaft für dieses irdische Leben ist, dann teilt sie auch das Schicksal dieser Zeit. Auch die Ehe ist in das Wort des hl. Paulus eingeschlossen, wenn er sagt: „Die Gestalt dieser Welt vergeht“ (1. Kor. 7, 31). Und der Völkerapostel fügt mahnend hinzu: „Diejenigen, die Frauen haben, seien wie solche, die keine haben!“ (1. Kor. 7, 29). Eine unüberhörbare Aufforderung auch zur Enthaltsamkeit in der Ehe. Diejenigen, die Frauen haben, sollen sein wie solche, die keine haben. Die Ehe, wie jede irdische Wirklichkeit, mahnt durch ihre Vergänglichkeit den Menschen, sie nicht hemmungslos, sondern in der rechten Weise, d.h. sinnvoll zu gebrauchen. Auch von ihr gilt das bekannte Sprichwort: „Die Welt ist eine Brücke. Gehe hinüber, aber baue dein Haus nicht auf ihr!“ Ja, die Welt, auch die Ehe, ist eine Brücke, d.h. ein Mittel zum Zweck. Ein Mittel, um auf die andere Seite zu kommen. Gebrauche es recht! Gehe hinüber, aber baue dein Haus nicht auf ihr! Die Ehe darf kein Götzendienst, kein Selbstzweck werden. Der Gedanke an die Vergänglichkeit ihres Bundes soll beiden Ehegatten die nötige Distanz auch im intimen Bereich der Ehe geben. Es gibt ein höheres Ziel als das. „Ein jeder“, so mahnt nochmals der hl. Paulus „soll seine Frau in Ehrbarkeit und Heiligkeit besitzen, nicht in sinnlicher Leidenschaft wie die Heiden, die Gott nicht kennen“ (1. Thess. 4, 3).

Es ist ein dreifacher Appell, der von dem Wort des hl. Apostels Petrus an die Ehemänner ergeht: Ein Appell an den Mann. Ein Appell an den Ritter. Und ein Appell an den Christen. Im Laufe der Kirchengeschichte – und das muß ja auch einmal gesagt werden – haben viele, haben sehr viele Männer sich bemüht, diesen dreifachen Appell zu hören und nach ihm zu leben. Sie haben ihr Leben ausgerichtet nach diesem dreifachen Ausruf: „Ihr Männer, seid verständig im Umgang mit euren Frauen als dem schwächeren Teil! Erweist ihnen Ehre und Achtung, denn sie sind Miterben der Gnade des Lebens“ (1. Petr. 3, 7). Amen.

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