Zum Fest der hl. Mutter Anna
Waffen und Schmuck der Frau
Geliebte Gottes!
Über die Mutter der jungfräulichen Gottesgebärerin und damit über die Großmutter unseres Herrn und Erlösers herrscht in der Heiligen Schrift ein tiefes Schweigen. Alles, was uns von den Lebensverhältnissen der hl. Anna bekannt geworden ist, beruht auf frommer Überlieferung, apokryphen Texten oder mystischer Schau in Privatoffenbarungen, wie etwa jene, die Maria von Agreda oder Anna-Katharina Emmerich zuteil geworden sind.
Das Leben der hl. Anna wird vielleicht deshalb in der heutigen Liturgie mit einem Acker verglichen. Es liegt ruhig, still und unscheinbar da und birgt doch große Schätze in sich. Der größte Schatz im Lebensacker der hl. Anna ist zweifelsohne ihre Erwählung, die unbefleckt empfangene Jungfrau und Gottesmutter Maria zur Welt zu bringen und damit die von Gott beschlossene Erlösung der ganzen Menschengeschlechtes einzuleiten. Wir wissen, daß Gott jedoch Gnaden dieser Größenordnung nicht willkürlich verteilt, sondern ein hohen Grand der Vollkommenheit voraussetzt. Wir müssen also annehmen, daß das Innenleben der hl. Mutter Anna insgesamt reich war an wertvollen Tugend und inneren Vorzügen, so wie sie in der Lesung aus dem Buch der Sprüche Salomons beschrieben werden.
Worte an die Frauenwelt
Auch im Neuen Testament finden sich ein ähnliche Texte. Etwa die Worte des hl. Petrus, jenes Apostels, von dem wir sicher wissen, daß er verheiratet war, mit denen er sich in seinem ersten Brief, den er an die Gemeinden in Kleinasien geschrieben hat, an die Frauenwelt richtete. Er wendet sich auch an die Männer. Aber mehrere Verse finden sich in diesem Brief, die an die Frauen gerichtet sind, an die Ehefrauen, um sie zum Tugendstreben zu ermuntern. – Wie war das damals? Die Frauen waren die ersten, welche die Heilsbotschaft des Evangeliums Christi angenommen haben. Nicht alle Männer folgten ihnen auf dem Weg ins Christentum. Diejenigen, die sich dem Wort Gottes verschlossen, waren selbstverständlich mißtrauisch gegen den „neuen“ Glauben ihrer Frauen. Die Frau mußte versuchen, ihren Mann von der Qualität und Güte des katholischen Glaubens zu überzeugen.
Die Situation von damals hat sich im Vergleich zu heute nicht wesentlich gewandelt. Trotz aller Änderungen, die sich in den vergangenen Jahrhunderten zugetragen haben, ist auch heute noch die Frauenwelt aufgeschlossener für die Religion als die Männerwelt. Auch heute sind die Frauen unter den Gottesdienstbesuchern und unter den religiös Praktizierenden in der Mehrzahl. Die Männer sind zu einem erheblichen Teil anders eingestellt. Deswegen ist es auch heute die Aufgabe der Frauen, ihre Männer zu gewinnen, zu gewinnen für die Wertschätzung der heiligen Religion, zu gewinnen für die Praxis des religiösen Lebens, zu gewinnen für ein einträchtiges Eheleben aus dem Glauben, so wie wir es zweifelsohne im Leben der hl. Mutter Anna vorgefunden hätten.
Der Apostel Petrus mahnt die Frauen, es als ihre höchste und schönste Bestimmung anzusehen, die Männer für ein gläubiges, zuverlässiges, eifriges religiöses Leben zu gewinnen. Wie sollten sie das anstellen? Petrus spricht dazu einmal von den „Waffen der Frau“ und zum andern vom „Schmuck der Frau“. – Die Waffen, die er der Frau in die Hand legt, sind ganz andere, als sie sich vielleicht mancher vorstellt. Er schreibt: „Ihr Frauen sollt untertan sein euren Männern, damit auch jene, die dem Wort [Gottes] sich nicht unterwerfen, durch das Verhalten der Frauen ohne Worte gewonnen werden, wenn sie eure lautere, gottesfürchtige Lebensführung sehen“ (1. Petr. 3, 1). Ohne Worte sollen die Männer gewonnen werden! Die Frau soll nicht unaufhörlich auf den Mann einreden. Das hat in der Regel wenig Wirkung, kann sogar das Gegenteil bewirken, weil der Mann sich gegen dieses lästige Auf-ihn-Eindringen zur Wehr setzt und sein Herz erst recht verschließt und verhärtet gegen die heilige Religion. Freilich sei nichts gegen das Wort gesagt. Worte sind wichtig und notwendig, wenn es die rechten Worte sind, wenn sie zur rechten Zeit gesprochen werden.
Aber Worte allein genügen nicht. Petrus fordert die Frauen auf, ihre Männer zu gewinnen durch ihren Wandel, durch ihre Lebensführung. Das Beispiel redet eben lauter als die Worte. Das Beispiel predigt vor allen Dingen eindringlicher als es Worte vermögen. In der Ehe fallen bekanntlich alle Hüllen. Hier kennt man sich, wie man sich sonst nirgends und sonst niemals kennenlernt. In der Ehe durchschaut einer den anderen bis in die letzten Tiefen. Deswegen ist es entscheidend, daß die Frau, wenn diese Tiefen bloßliegen, ein Wesen zeigt, das dem Mann anziehend, erwärmend und gewinnend vorkommt.
Die Waffen der Frau
Wie soll der Wandel nach dem hl. Petrus sein, um den Mann zu gewinnen? Er beginnt mit der Dienstwilligkeit. „Ihr Frauen sollt untertan sein euren Männern.“ Eine Gattin muß dienstwillig, fleißig, unermüdlich tätig sein für das gemeinsame Wohl. Sie muß ihr Haus in Ordnung halten. Das ist eine unbedingte Voraussetzung für alles, was darauf aufbaut. Die Frau muß in treuer Pflichterfüllung ihren Dienst im Haus gegenüber dem Ehemann und den Kindern tun. Diese Aufgabe ist an sich so beanspruchend, daß es eines der größten Attentate auf das Eheglück heutiger Paare darstellt, die Frauen ins Berufsleben zu zwingen. Unter dieser Doppelbelastung von Beruf und Heim kann es nur zu einer Vernachlässigung entweder des einen oder des anderen Aufgabenfeldes kommen, oder, was noch wahrscheinlicher ist, auf beiden Gebieten. Das erste Mittel der Frau zu gewinnen, ist ihre dienstwillige Sorge um ihr Heim und ihre Familie.
An zweiter Stelle spricht der Apostel von einer „lauteren Lebensführung“. Lauter ist das Leben, wenn es rein ist. Rein im umfassenden Sinn ist ein Lebenswandel, wenn er selbstlos, ehrlich und von sittlichen Grundsätzen geprägt ist. Rein heißt frei von aller Beimischung des Bösen, frei von aller Beimischung von Selbstsucht. Die Frau soll ihren Dienst tun mit lauterem Herzen. Alles was Unehrlichkeit, Verstecktheit, Verstellung oder Doppelleben bedeutet, muß dem Wandel der Frau fern sein. Ihr Leben muß durchsichtig sein wie das kristallklare Wasser eines Bergsees, durch das man bis auf den Grund schauen kann, dann ist es lauter nach dem Willen des Apostels Petrus.
Und schließlich neben der Lauterkeit nennt der Apostel die heilige Gottesfurcht als die dritte gewinnende Waffe der Frau. Wohlgemerkt die heilige Gottesfurcht, nicht die knechtliche Furcht, die nur aus Angst vor Strafe das Böse meidet, sondern die heilige Ehrfurcht, die es aus Liebe zu Gott ablehnt, etwas zu tun, was Gott betrüben könnte. Sie ist eine heilige Scheu, Gott irgendwie zu kränken, Ihm zu nahe zu treten, Ihn zu beleidigen. Das Herz der Frau muß von dieser heiligen Scheu durchdrungen sein. Nur so wirkt ihr religiöses Leben in den Augen anderer glaubhaft. Das bedeutet einen sittlichen Wandel in jeder Hinsicht: im Denken, im Reden, im Tun und im Unterlassen. Im Offizium der hl. Anna betet die Kirche heute den Pslamvers: „Confige timore tuo carnes meas“ – „Durchbohre mein Fleisch mit der Furcht vor Dir“ (Ps. 118, 120). Das ist das Gebet für die Frauen. Heilige Gottesfurcht muß sie durchdringen. Durchbohre mich mit der Furcht vor Dir, mit heiliger Gottesfurcht, die sich scheut, das Böse zu tun, aus Liebe zu Dir, dem heiligen und gewaltigen Gott! – Das sind die Waffen der Frau, von denen der hl. Petrus spricht. Ihr Lebenswandel soll den Mann für den christlichen Glauben gewinnen. Ihr Vorbild soll ihn überzeugen: wenn sie dienstfertig ist, wenn sie durch und durch lauter ist und wenn sie in heiliger Gottesfurcht lebt.
Der Schmuck der Frau
Der erste Papst spricht auch vom „Schmuck der Frau“, und zwar sagt er zunächst, was diesen Schmuck nicht ausmacht: „Euer Schmuck bestehe nicht in Äußerem, im Haargeflecht, im Anlegen von Gold oder im Tragen von Kleidern“ (1. Petr. 3, 3). Der Schmuck der christlichen Frau besteht nicht in äußerlichem Gepränge. Nicht in einer kunstvollen Frisur, nicht in kostbarem Geschmeide, auch nicht in teuren Kleidern. Wohlgemerkt! Der hl. Petrus sagt nichts dagegen, daß eine Frau ihr Haar pflegt. Er sagt nichts dagegen, daß sie sich schön macht und sich zu gegebenem Anlaß schmückt. Er sagt auch nichts gegen schöne Kleider. Er sagt nur, daß derlei Dinge die christliche Frau nicht aus der Menge ungläubiger Frauen heraushebt. Diese Schönheitspflege ist notwendig und selbstverständlich. Eine Frau soll sich pflegen. Sie soll ordentlich und adrett aussehen. Das ist sie sich, ihrem Gatten, ihren Kindern und ihrer Umgebung schuldig! Diese Dinge sind also durchaus am Platz. Aber sie sind nur natürlich – nicht übernatürlich! Die Heiden beachten derlei Dinge auch. Auch Ungläubige pflegen sich. Darin besteht noch nichts spezifisch Christliches. Deswegen fährt der hl. Petrus fort: „Vielmehr ist es der verborgene Herzensmensch in der Unwandelbarkeit eines bescheidenen und ruhigen Geistes, der kostbar ist vor Gott“ (1. Petr. 3, 4-6). Der hl. Petrus hebt mit diesen Worten hervor, daß der wahre Schmuck der christlichen Frau in ihren verinnerlichten Tugenden besteht. Er sagt, das ist ein innerliches, verborgenes Leben. Das sind die Dinge, die man mit den Augen nicht sieht, wie etwa die Frisur und den Schmuck. Wenigstens nicht auf den ersten Blick. Dieser Schmuck ruht im Herzen, wo er Gott vor Augen steht. Darunter ist die Herzensbildung zu verstehen. Es sind die Tugenden, die sich eine Frau erworben hat. Das macht ihren inneren Schmuck aus.
Innere Tugenden erwirbt man sich durch beständige Übung derselben, durch tägliches Bemühen. Wir alle kommen mit Schwächen und Fehlern zur Welt, und bedauerlicherweise vermehren wir sie oft noch im Laufe unserer Lebensjahre. Deswegen bedarf es der immerwährenden Arbeit an sich selbst, um ein innerlicher, ein innerlich wertvoller und vor allem ein in den Augen Gottes wertvoller Mensch zu werden.
Die Tugend der Sanftmut
Petrus benennt auch diese inneren Werte, die der Frau gut stehen. Ihr Schmuck besteht in der „Unwandelbarkeit eines bescheidenen und ruhigen Geistes“. Dieser beständig bescheidene und ruhige Geist ist nichts anderes als die Tugend der Sanftmut. Die Frauen sollen sanften und milden Gemütes sein. Die Sanftmut ist heute eine zumeist vergessene Tugend. Heute heißt es: „Laß dir bloß nichts gefallen!“ „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“ So hören wir es aber nicht aus dem Mund Christi und Seiner Apostel. Petrus fordert ein sanftes, mildes Gemüt! Was versteht man darunter? – Sanftmut ist gemäß Definition „der vernünftig geregelte Affekt des Zornes“. Sanftmütig ist, wer aus Liebe zu Gott sich nicht aufregt, wenn ihm Unrecht geschieht. Der Sanftmütige schweigt und bleibt höflich und dienstfertig, auch bei erlittenem Unrecht. Wer sanftmütig ist, gewinnt den Zornigen. Er bricht den Zorn. Und umgekehrt:
Der Zornige fühlt sich bestätigt, wenn der andere ebenfalls zornig reagiert. Wenn der andere in gleicher Weise aufbrausend wird, dann fühlt er sich in seinem Zorn gerechtfertigt. Der Zornige kommt aber zur Einsicht, falls ein Funke Verstand und Edelmut in ihm ist, wenn er auf die Sanftmut des anderen stößt. Leider scheint nicht selten ein Grund für heftige Streitigkeiten in den Ehen darin zu bestehen, daß bei einem Wortwechsel von beiden immer mehr Öl ins Feuer gegossen wird – sowohl von den Männern als auch von den Frauen. Daß der Zorn mit Zorn beantwortet wir, statt ihn mit Sanftmut auszulöschen. Überhaupt muß man an die Tugend der Sanftmut noch einige andere Ermahnungen knüpfen. Dazu gehört, daß die Frauen ihren Männern auch einmal Ruhe gönnen. Es gibt Frauen, die fortwährend auf ihre Männer einreden, die ihnen keine Rast gönnen, die sie mit allen Kleinigkeiten behelligen. Daß das die Männer ungeduldig macht und zum Zorn reizt, ist gar keine Frage. Frauen haben eine große Begabung für kleine Dinge. Das ist ein großer Wert. Denn die kleinen Dinge machen das Leben angenehm. Doch hat diese Gabe auch ihre Schattenseite. Diese Begabung für kleine Dinge artet manchmal in eine verbissene Kleinlichkeit aus. Manchmal mutet es fast einer Art Rache an, daß sie sich an kleinlichen Dingen derart festbeißen, statt großmütig darüber hinwegzugehen.
Zur Sanftmut gehört auch das Nachgeben-können. Das betrifft freilich nicht nur die Frauen, sondern beide Ehepartner. Jeder muß nachgeben können, denn wie soll denn eine gemeinsame Aktion in der Familie zustande kommen, wenn jeder auf seinem, dem anderen widersprechenden Standpunkt beharrt? Nachgiebigkeit ist von beiden verlangt. Nachgiebigkeit ist nicht Schwäche. Nachgiebigkeit ist innere Stärke, ist Arbeit an sich selbst. Man besiegt nämlich das eigene Sich-durchsetzen-Wollen; man besiegt den Trotz, der in einem aufsteigt; man wird Herr über den eigenen Stolz, über das eigene Sich-behaupten-Wollen. Es hat keinen Zweck, zu fragen: „Warum soll ich nachgeben, wenn ich doch im Recht bin?“ wenn der andere es einfach nicht einsieht! Man kann noch so oft im Recht sein. Aber wenn es der andere nicht einsieht, dann hilft es nichts. Und wenn eine Gemeinsamkeit in der Ehe, in der Familie sein soll, dann muß einer von beiden nachgeben. Erst recht, wenn es sich um unwichtige Dinge handelt. Es muß dabei nicht zwangsläufig der Klügere sein, der nachgeben soll. Aber zweifelsohne wird es der christlichere Gatte sein, der es tut. Einzig dann ist strikte Unnachgiebigkeit für den Katholiken erforderlich, wo Nachgiebigkeit gleichbedeutend mit Sünde wäre. Die Einwilligung zur Sünde dürfen wir nie geben – auch nicht dem Ehegatten.
Die Wirkung: gewinnen und bestärken
Das sind die „Waffen der Frau“ und der „Schmuck der Frau“, wie sie von der Mutter der allerseligsten Jungfrau Maria, wie sie von der hl. Mutter Anna ohne Zweifel gebraucht und an ihre makellose Tochter weitergegeben worden sind. Der Schmuck der inneren Tugenden, insbesondere das Kleinod der Sanftmut. Sie sind dazu in der Lage, die Männer für die katholische Religion zu gewinnen und gläubige Männer in ihrem Glauben und in ihrer Glaubenspraxis zu bestärken. Es gibt Männer, die sich sogar dazu bekennen: „Daß ich den Weg zum Glauben gefunden habe, verdanke ich meiner Frau. Meine Bekehrung verdanke ich meiner Frau.“ Das Gebet ist für die Bekehrung eines Menschen – erst recht des Ehegatten – unbedingte Voraussetzung. Gerade das Gebet zur hl. Mutter Anna. Doch darf und kann das Gebet den vorbildliche Lebenswandel nicht ersetzen.
In apostolischer Zeit haben sich bekehrte Ehemänner dem Beispiel ihrer Frauen dankbar gezeigt. In einer lateinischen Inschrift aus dem 1. Jahrhundert legt ein Christ aus Syrakus folgendes Zeugnis von seiner Gemahlin ab: „Euskia, die etwa 25 Jahre makellos, gut und würdig lebte, starb am Feste meiner Herrin Luzia. An sie reicht kein Menschenlob, so christlich, so gläubig und vollkommen war sie. Sie hat ihrem Mann viel Gutes erwiesen.“ So hat ein Gatte seiner Frau auf ihr Grabdenkmal geschrieben. – Und ein anderer ließ schreiben: „Flavius Crispinus weiht dieses Grabmal der Aurelia Anias, seiner wohlverdienten Gattin, die 28 Jahre alt geworden ist. 9 Jahre hatte ich sie zur Gemahlin in aller Liebe, ohne daß sie je meinem Herzen weh getan. Lebe wohl, meine Teure, lebe in Frieden mit den Heiligen, lebe mit Christus!“ Diese herrlichen Zeugnisse müssen wir uns zu Herzen nehmen und diesem Beispiel nacheifern. Gott gebe allen christlichen Ehefrauen auf die Fürbitte der hl. Mutter Anna die Gnade, ihre Männer entweder für den Glauben zu gewinnen oder sie darin zu bestärken, indem sie Gott zur Ehre die Waffen und den Schmuck ihres Standes recht zu gebrauchen wissen und ihn auch tatsächlich zum Einsatz bringen. Amen.