Von der Einsetzung und dem Empfang der Letzten Ölung

Geliebte Gottes!

Das hl. Kreuz ist heute hoch über uns aufgerichtet und wir sinken anbetend vor unserem erhöhten Erlöser nieder. Schon die hl. Väter und Lehrer der Kirche erkannten in dem Baum des hl. Kreuzes den neuen „Baum des Lebens“. Der erste „Baum des Lebens“ (vgl. Gen. 2,9) stand ja einst in der Mitte des Paradieses und die Früchte dieses Baumes sollten denen, welche sie genießen, leibliche Unsterblichkeit verleihen. Nach der ersten Sünde wurden die Stammeltern aus dem Paradies vertrieben (Gen. 3,23 f.). Fortan blieb ihnen und ihrer gesamten Nachkommenschaft der Zugang zu dem Baum und seinen Früchten verwehrt und die Menschen fielen dem Tode anheim. – In der Fülle der Zeiten aber gefiel es Gott in Seiner unendlichen Barmherzigkeit, einen neuen „Baum des Lebens“ zu pflanzen: den Baum des heiligen Kreuzes. Der Saft, der diesen Baum belebt und fruchtbar macht, ist nichts Geringeres als das zur Sühne unserer Sünden vergossene Blut des göttlichen Opferlammes Jesus Christus. Seine übernatürliche Lebenskraft sammelt sich in sieben herrlichen Früchten, deren Genuß dem gefallenen Menschengeschlecht nicht einfach nur leibliche Unsterblichkeit, sondern Anteil am ewigen Leben Gottes verleiht. Diese sieben Früchte am Baum des heiligen Kreuzes sind die sieben hl. Sakramente, von denen wir schon vor zwei Wochen eines besonders in Augenschein genommen haben, nämlich das hl. Sakrament der Letzten Ölung.

Dabei haben wir gesagt, daß jedes Sakrament drei Wesensmerkmale besitzt. Es ist nämlich 1. ein äußeres Zeichen, welches 2. eine innere Gnade vermittelt. Und das geschieht 3. kraft der Einsetzung durch unseren göttlichen Erlöser Jesus Christus. Die ersten beiden Merkmale – also das äußere Zeichen und die innere Gnade – der Letzten Ölung haben wir bei dieser Gelegenheit bereits betrachtet. Das äußere Zeichen besteht in der Salbung der fünf Sinne mit dem hl. Krankenöl und dem Gebet des Priesters. Die innere Gnade besteht in der göttlichen Gnade zum Heil der Seele und öfters auch zum Wohle des Leibes.

Was also noch übrigbleibt, das ist

  1. der Nachweis der Einsetzung durch Jesus Christus,
  2. die Erklärung wenigstens das Allernötigste über den Empfang der Letzten Ölung. Und
  3. müssen wir uns auch Gedanken machen über den Tod ohne Priester und ohne die hl. Sakramente.

Die Einsetzung durch Jesus Christus

Woher wissen wir also, daß unser Heiland, Jesus Christus, die Letzte Ölung eingesetzt hat? – Wir wissen es zum einen aus der Heiligen Schrift und zum anderen aus der beständigen Lehre der Kirche.

Ersteres bestreiten die Protestanten. Sie behaupten, die Letzte Ölung sei eine bloße Erfindung der „Papisten“, also der katholischen Kirche, und in Wirklichkeit gar kein Sakrament, weil man in der Heiligen Schrift nirgends etwas von der Einsetzung dieses Sakramentes durch Jesus Christus lesen könne.

a) Ein unzulänglicher Beweis

Um die katholische Lehre zu verteidigen, hat es nun Gelehrte gegeben, welche die Einsetzung der hl. Ölung daraus ableiten wollten, daß beim hl. Evangelisten Markus berichtet wird, die Apostel hätten viele Kranke mit Öl gesalbt und dadurch geheilt. „Sie salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.“ (Mk. 6,13). Gewiß, diese Worte stehen in der Heiligen Schrift, aber es ist mehr als zweifelhaft, ob die Apostel damals schon Priester waren; sie wurden ja erst beim Letzten Abendmahl zu Priestern des Neuen Bundes geweiht. Mehr als zweifelhaft ist ferner, ob diese Kranken zuvor schon das Sakrament der Taufe empfangen hatten und ob sie schwerkrank waren. Mehr als zweifelhaft ist schließlich auch, ob den Geheilten außer der körperlichen Heilung, von der uns der Evangelist berichtet, auch innere Gnade zuteil geworden ist. Kurz, es ist mehr als zweifelhaft, ob diese Salbung schon das Sakrament der Letzten Ölung gewesen ist. – Das Konzil von Trient lehrt in seiner 17. Sitzung, daß diese vom Evangelisten Markus überlieferte Begebenheit der äußeren Heilung durch die Salbung der Apostel eine vorbereitende Andeutung des Sakraments der Letzten Ölung gewesen ist, so wie das Wandlungswunder auf der Hochzeit zu Kana und das Wunder von der Brotvermehrung eine Andeutung und Vorbereitung auf die Einsetzung des Allerheiligsten Altarsakramentes gewesen sind.

b) Ein gültiger Beweis

Es gibt aber eine andere Stelle in der Heiligen Schrift, aus welcher die Einsetzung der Letzten Ölung mit Fug und Recht abgeleitet werden kann. Diese Stelle findet sich im Brief des hl. Apostels Jakobus. Dort liest man: „Ist jemand krank unter euch, so rufe er die Priester der Kirche zu sich, und sie sollen über ihn beten und ihn mit Öl salben im Namen des Herrn, und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken zum Heile sein, und der Herr wird ihn aufrichten, und wenn er Sünden auf sich hat, so werden sie ihm vergeben werden.“ (Jak. 5,14 f.).

Ohne Zweifel ist in diesen Worten von der Letzten Ölung und zwar von dem Sakrament der Letzten Ölung die Rede. Es wird der Empfänger des Sakraments bezeichnet: „Ist jemand krank unter euch“. Desgleichen der Spender: „So rufe er die Priester der Kirche.“ Auch das äußere Zeichen ist angegeben: „Sie sollen über ihn beten und ihn mit Öl salben im Namen des Herrn.“ Nicht weniger ist die innere Gnade angegeben. Nämlich 1. die für den Leib: „Der Herr wird ihn aufrichten.“ und 2. auch die für die Seele: „Und wenn er in Sünden ist, so werden sie ihm nachgelassen werden.“ – Nach allem, was wir bisher über die Letzte Ölung gehört haben, steht fest, daß hier von diesem Sakrament die Rede ist. Aber mit welchen Worten bitteschön sagt der Apostel denn, daß der Heiland die Letzte Ölung eingesetzt hat?

Das ist nicht direkt und ausdrücklich gesagt, aber doch indirekt! Denn so viel ist doch klar, daß der hl. Jakobus die hl. Ölung als ein Sakrament mit unfehlbarer Wirkung beschreibt! Immer wenn das sakramentale Zeichen gesetzt wird, treten diese Wirkungen ein: „Der Herr wird ihn aufrichten. Wenn er Sünden auf sich hat, so werden sie ihm nachgelassen werden.“ Wer wird aber nun vom hl. Apostel als derjenige bezeichnet, der diese Wirkungen unfehlbar hervorbringt? Der Herr! Also Jesus Christus! „Der Herr [!] wird ihn aufrichten.“ Wir wissen aber, daß bei jedem wahren Sakrament, das ein Priester spendet, in Wirklichkeit Christus derjenige ist, der es spendet. Wenn der Priester das Taufwasser über den Täufling ausgießt und dabei die Taufformel spricht, so ist es Christus, der tauft. Spricht der Priester die Worte der Lossprechung im Bußgericht, so ist es Christus, der den reumütigen Büßer von seinen Sünden losspricht. Weil bei der Spendung der hl. Sakramente Christus tätig ist, bringen die hl. Sakramente stets unfehlbar ihre heilbringende und heiligende Wirkung hervor, egal wie sündhaft der Priester sein mag, der sie verwaltet. Christus selbst ist bei der Letzten Ölung tätig, indem Er den leiblichen Beschwerden eine gewisse Erleichterung verschafft. „Der Herr wird ihn aufrichten.“ Noch viel mehr muß aber Christus tätig sein, um die Wirkung der Letzten Ölung im Hinblick auf die Seele hervorzubringen! Diese Wirkung besteht ja im Nachlaß der Sünden, nicht nur von läßlichen, sondern u. U. auch von Todsünden, die nicht mehr gebeichtet werden können! „Wer aber kann Sünden nachlassen als Gott allein?“ (Mk. 2,7). Niemand! Niemand kann Sünden nachlassen, als Gott allein! Nach dem Zeugnis des Apostels wohnt aber nun der Letzten Ölung die allein Gott Selbst vorbehaltene Kraft inne, Sünden zu vergeben: „Wenn er Sünden auf sich hat, so werden sie ihm nachgelassen werden.“ Diese göttliche Kraft konnte aber weder ein Engel noch die hl. Kirche noch die hl. Apostel oder sonst irgendein Geschöpf mit dem äußeren Zeichen der Letzten Ölung verknüpfen. Das konnte nur von Gott bzw. von dem wesensgleichen Gottessohn Jesus Christus vollbracht werden. Und daraus folgt nun mit Notwendigkeit: Wenn die Letzte Ölung die Kraft hat, Sünden nachzulassen, wie es der hl. Apostel Jakobus in seinem Brief lehrt, dann muß sie notwendigerweise von Jesus Christus, dem Sohn Gottes, eingesetzt worden sein. Das ist folglich indirekt ausgesprochen im Jakobusbrief: Jesus Christus hat die Letzte Ölung eingesetzt. Der Brief des hl. Apostels Jakobus findet sich in der Heiligen Schrift. Also geht aus der Heiligen Schrift hervor, daß Jesus Christus das Sakrament der Letzten Ölung eingesetzt hat, „quod erat demonstrandum“.

Auch folgende Überlegung untermauert unseren Schriftbeweis. Warum hätte der hl. Jakobus den Gläubigen dieses Sakrament empfohlen? Warum sonst hätten die Gläubigen dieser Mahnung stets Folge geleistet? Sie haben ja tatsächlich dieses Sakrament bei schwerer Krankheit von den Priestern erbeten. Aus der Tatsache, daß die Letzte Ölung, die wir heute haben, schon zur Zeit der hl. Apostel in Übung und Gebrauch gewesen ist – und zwar mit Wissen, auf Anraten und ohne Widerspruch der hl. Apostel –, beweist die Einsetzung durch Christus. Wie gesagt: Die Apostel konnten keine Sakramente einsetzen. Nicht sie, sondern allein Gott ist Herr über die übernatürliche Gnade. Sie waren nur Verwalter und Diener. Das wußten die Apostel. Wenn nun Christus die Letzte Ölung nicht eingesetzt hätte, hätten sie dann lehren oder dulden dürfen, daß eine Salbung in Übung und Gebrauch kam, die nicht von Christus eingesetzt wurde und folglich auch keinerlei übernatürliche Wirkungen hervorbringen konnte? Nie und nimmer! Wenn sie das geduldet hätten, dann wären die Apostel nicht die ersten Boten und Verkünder des Evangeliums und der wahren von Gott geoffenbarten Lehre, sondern schon deren erste Fälscher gewesen; nicht die Säulen der katholischen Kirche, sondern ihre Zerstörer! So wahr es aber ist, daß die hl. Apostel die wahren Verkünder der Lehre Jesu Christi gewesen sind, so wahr ist auch, daß die hl. Ölung von Jesus Christus als eines der hl. sieben Sakramente eingesetzt worden ist, durch das uns die in Seinem Leiden und Sterben am Kreuz verdienten Erlösungsgnaden zugewendet werden sollen. Sonst hätte die Letzte Ölung nicht mit Wissen und auf Anraten und unter den Augen der hl. Apostel gespendet werden können.

Mit der soeben dargelegten Lehre der Heiligen Schrift stimmt sodann – wenig verwunderlich – die Lehre der hl. Väter, der ältesten Konzilien sowie die ganze Praxis der katholischen Kirche überein.

Erklärungen zum Empfang der Letzten Ölung

Nachdem wir also das äußere Zeichen, die innere Gnade und die Einsetzung der Letzten Ölung durch Jesus Christus kennengelernt haben, bleibt uns nur noch übrig, einige Bemerkungen über den Empfang dieses hl. Sakramentes zu machen. Dabei kommen in Betracht: die Person des Empfängers, der Zeitpunkt und die Wiederholung der Spendung und schließlich die Art und Weise des Empfanges selbst.

a) Der Empfänger der Letzten Ölung

Zunächst die Person des Empfängers. Wer kann und soll das Sakrament der Letzten Ölung empfangen? Der Katechismus gibt die Antwort: „Jeder katholische Christ, der zum Gebrauch der Vernunft gelangt und gefährlich krank ist.“ – Drei Bedingungen müssen also gleichzeitig erfüllt sein, damit jemand das Sakrament der Letzten Ölung empfangen kann.

Erstens: Der Empfänger muß ein Katholik sein. Das bedarf an sich keiner weiteren Begründung. Denn nur ein Katholik ist von der Kirche zum Empfang dieses hl. Sakramentes zugelassen. Auch wird nur ein Katholik die zum gültigen Empfang erforderliche Absicht haben, dieses hl. Sakrament empfangen zu wollen. Das Vorhandensein dieser Absicht wird von der Kirche auch bei schon bewußtlosen Kranken angenommen, wenn sie sich ernsthaft bemüht haben, christlich zu leben. Der Wille, katholisch zu leben, schließt ja immer auch den Wunsch ein, katholisch zu sterben, und damit auch den Wunsch, nach Möglichkeit die Letzte Ölung zu empfangen, selbst wenn schon der Zustand der Bewußtlosigkeit eingetreten sein sollte. – Einzig jenen Katholiken, die unbußfertig in einer offenkundigen Todsünde verharren wollen, muß die Letzte Ölung verweigert werden.

Zweitens: Der Empfänger muß zum Gebrauch der Vernunft gelangt sein. Kleine Kinder, die zwar getauft und die auch gefährlich krank sind, können also die Letzte Ölung noch nicht empfangen. Sehr wohl können aber jene Kinder, die schon zur Schule gehen oder die bereits beichten, dieses hl. Sakrament empfangen.

Drittens: Der Empfänger der Letzten Ölung muß schwerkrank sein. Das ist der Fall, wenn er von einer lebensgefährlichen Krankheit befallen ist bzw. unter einer lebensgefährlichen Verletzung leidet. D. h., wenn die schwere Krankheit bzw. Verletzung derart ist, daß sie begründeterweise einen tödlichen Verlauf nehmen kann.

Bei schweren Krankheiten kann dabei die eigentliche Todesgefahr noch in weiter Ferne liegen. Der Kranke kann also voraussichtlich noch Monate, vielleicht sogar Jahre leben. Klassisches Beispiel hierfür ist etwa die Krebserkrankung. Im Frühstadium ist die Todesgefahr noch in weiter Ferne; ja, der Betroffene fühlt sich vielleicht noch gar nicht einmal krank. Weil aber die Erkrankung an Krebs begründeterweise (!) einen tödlichen Verlauf nehmen kann, kann nach einer sicheren Diagnose sofort die Letzte Ölung empfangen werden. Es ist nicht nötig, daß der Empfänger schon am Sterben ist, auch nicht, daß der Tod nahe ist, auch nicht, daß der Tod wahrscheinlich ist. Es ist nur nötig, daß die Krankheit mit der Gefahr des Todes verbunden ist. – Nach den Bestimmungen des kirchlichen Rechtes fällt ferner auch die Altersschwäche unter die Kategorie der „schweren Krankheiten“ (vgl. CIC, can. 940 § 1), weil nämlich auch das Alter eine Krankheit – also eine mit Gebrechen einhergehende Schwächung der Körperkräfte – ist, die sicher zum Tode führen wird. Die Möglichkeit zum Empfang der Letzten Ölung darf dabei jedoch nicht an einem bestimmten Alter festgemacht werden, wie das bei der unwirksamen „Krankensalbung“ der „konziliaren Kirche“ mißbräuchlicherweise gehandhabt wird, sondern der Greis muß sich tatsächlich in einer aktuellen Todesgefahr bzw. sich aufgrund der Altersgebrechen in einem Zustand des körperlichen Verfalles oder der Pflegebedürftigkeit befinden.

Für den Empfang der Letzten Ölung müssen also schwere Krankheit und Todesgefahr zusammenkommen! Krankheit alleine genügt nicht. Es muß eine gefährliche Krankheit sein. Verletzung allein genügt nicht. – Die Todesgefahr allein genügt nicht, sondern die Todesgefahr muß eine Folge der Krankheit bzw. der Verletzung sein. So befinden sich beispielsweise die Soldaten vor der Schlacht ganz offensichtlich in Todesgefahr. Einige, vielleicht sogar viele, vielleicht sogar die meisten werden fallen. Aber man dürfte ihnen die Letzte Ölung nicht spenden, weil sie nicht krank bzw. noch nicht schwer verletzt sind. Gleiches gilt für andere Fälle, in denen Lebensgefahr nur in Aussicht steht, aber noch nicht eingetreten ist. Etwa bei zum Tode verurteilten Schwerverbrechern vor ihrer Hinrichtung, bei Wöchnerinnen vor einer komplizierten Entbindung oder bei Patienten vor einer schweren Operation. In all diesen Fällen steht die Todesgefahr in Aussicht, ohne eingetreten zu sein.

Wo die drei Bedingungen – 1. ein Katholik, 2. mit Vernunftgebrauch und 3. wenigstens einer entfernten Todesgefahr als Folge einer aktuellen schweren Krankheit – erfüllt sind, da kann der Kranke nicht bloß die Letzte Ölung empfangen, sondern er soll es auch tun.

b) Die Zeit des Empfanges

Was die Zeit des Empfangs der Letzten Ölung betrifft, so soll der Kranke dieses hl. Sakrament, wenn möglich, empfangen, während er noch bei guter Besinnung ist. Es ist klar, daß die Sakramente umso mehr ihre heilbringende Wirkung entfalten können, je besser der Empfänger disponiert ist und mit lebendigen innerlichen Akten mitwirkt. Je größer der Glaube, je inniger die Andacht, je herzlicher die Reue über die begangenen Sünden beim Empfänger ist, desto besser! Daß aber ein Kranker, der bei voller Besinnung ist, in der Übung dieser Tugenden einen Kranken übertrifft, der bereits bewußtlos daliegt, ist offensichtlich und bedarf keines weiteren Beweises.

Warum wird der Empfang der Letzten Ölung also so oft hinausgeschoben, daß der Kranke das Bewußtsein bereits verloren hat und keinen Akt des Glaubens, der Hoffnung, der Reue und der übernatürlichen Liebe mehr erwecken kann? Warum wird bisweilen bis zur Sterbestunde damit gewartet? – Etwa, weil der Kranke die hl. Sakramente nicht empfangen will? Keineswegs, sondern weil seine Umgebung sich scheut, sich selber die Wahrheit des nahenden Todes einzugestehen, oder weil sich die Angehörigen scheuen, den Kranken mit der Wahrheit zu konfrontieren, daß sein Leiden bedenklich ist. Sie täuschen sich und den Kranken in selbstsüchtiger und unverantwortlicher Weise, wenn sie sich einreden, dieser Zustand habe nichts zu sagen. Oder man wolle den Kranken schonen, nicht aufregen. – Wenn aber nun einmal das Leben merklich bedroht ist oder schon zu Ende geht, dann kann man dem Kranken die Aufregung nicht ersparen. Es wäre eine falsche Schonung, ihn über den Ernst der Lage hinwegzutäuschen. Außerdem fühlt der Schwerkranke oftmals sehr wohl, daß sein Leiden bedenklich ist. Wer will so grausam sein, ihn der Gnade, des Trostes, der Stärkung zu berauben, die ihm für seine letzte Stunde so nötig ist?

c) Die Häufigkeit des Empfanges

Wie oft kann die Letzte Ölung empfangen werden? – Da die Letzte Ölung der Seele keinen bleibenden Charakter einprägt, wie das bei der hl. Taufe, der Firmung und beim Weihesakrament geschieht, kann sie öfters empfangen werden.

Wie oft? – In jeder gefährlichen Krankheit einmal! Die Wirksamkeit des Sakramentes dauert nämlich so lange an, wie die Krankheit und die Todesgefahr dauern, für welche die hl. Ölung gespendet wurde.

Wenn sich also nach erfolgter Genesung die gleiche Krankheit erneut einstellt, kann man die Letzte Ölung erneut empfangen. Etwa bei einer Krebserkrankung, die nach dem Empfang der Letzten Ölung erfolgreich ausgeheilt wurde, dann aber nach einiger Zeit – wie es bisweilen vorkommt – erneut auftritt. Beim erneuten Auftreten kann die hl. Ölung erneut gegeben werden, weil zwar mit der gleichen Krankheit doch eine neue Todesgefahr vorliegt.

Die Letzte Ölung muß sodann erneut gespendet werden, wenn sich der Kranke von der einer gefährlichen Krankheit erholt hat, nunmehr aber von einer anderen schweren Krankheit befallen wurde. Hier liegt mit der anderen Krankheit ebenfalls eine neue Todesgefahr vor.

Anders verhält es sich hingegen, wenn zu einer bestehenden Todesgefahr, die bereits mit der Letzten Ölung versehen wurde, eine neue, zusätzliche Todesgefahr hinzukommt. Etwa wenn sich zu einer bedrohlichen Lungenentzündung, die schon mit der hl. Ölung versehen wurde, noch ein schwerer Schlaganfall dazugesellt. In diesem Falle kann man die Letzte Ölung nicht wiederholen, weil bei ein und derselben Todesgefahr die hl. Ölung nur einmal empfangen werden kann (vgl. CIC, can. 940 § 2). Die Todesgefahr besteht aber schon seit der Lungenentzündung und hat seitdem nicht aufgehört. Folglich wirkt die hl. Ölung fort, auch wenn mit dem Schlaganfall zu der bestehenden eine neue Todesgefahr hinzugekommen ist. Die hl. Ölung kann nicht wiederholt werden.

d) Die Vorbereitung auf den Empfang

Wie soll der Kranke die Letzte Ölung empfangen? – Antwort: „Der Kranke soll die Letzte Ölung im Stande der Gnade empfangen. Er soll also, wenn es möglich ist, vorher beichten oder – wenn er nicht mehr beichten kann – doch wenigstens vollkommene Reue (also den Akt der Liebesreue) erwecken. Er soll ferner diejenigen Tugenden erwecken, die sich für einen Kranken und Sterbenden besonders geziemen.“ Was sind das für Tugenden? – Das sind Glaube, Hoffnung, Liebe, Reue, Hingabe und Ergebung in den Willen Gottes. Das sind die Tugenden, wodurch die Seele in übernatürlichen Verkehr und in innige Vereinigung mit Gott tritt.

Was tut derjenige, der von einem steilen Felsen stürzt? Er ergreift mit beiden Händen jeden Baum und jedes Strauchwerk – und wäre es ein Strauch mit spitzen Dornen – an dem er sich irgendwie festhalten kann. Was tut der Seemann, wenn sein Schiff unter seinen Füßen versinkt? Er hält sich mit beiden Händen an den schwimmenden Trümmern des Schiffes fest. Was soll der Kranke tun, wenn die ganze Welt unter seinen Füßen versinkt? Er soll sich anklammern mit beiden Händen, also mit allen Fasern des Herzens. Woran? Er soll sich anklammern an Gott! Wie? Mit seinem Verstand; indem er glaubt, was Gott geoffenbart hat. Mit seinem Herzen; indem er sich anklammert an die ewigen Güter, die Gott verheißen hat. Mit Seiner Liebe; indem er sich anklammert an das höchste Gut, das Gott Selber ist. Mit seinem Willen; indem er sich ganz dem hl. Willen Gottes unterwirft und Ihm das Opfer des Lebens willig bringt.

Der Tod ohne Priester

Der große Kardinal Manning (1808–1892) von Westminster in England hat ein Buch über das Priestertum geschrieben. Darin findet sich auch ein Kapitel, welches dem „Tod des Priesters“ gewidmet ist. Darin heißt es: „Wir [Priester] werden endlich auch selber auf das Sterbebett kommen. Wird dieser Tag unverhofft über uns kommen? Und werden wir Zeit haben, die Sterbesakramente zu empfangen?“ Und der Kardinal beantwortet die Frage: „Priester sterben oft ohne dieselben. … Viele Priester leben allein in großer Entfernung von ihren Mitbrüdern.“ – Was damals Ende des 19. Jahrhunderts für die Priester im anglikanischen England gegolten hat, das gilt heute in der papstlosen Zeit für fast alle Katholiken. Die Entfernungen sind groß. Die wenigen katholischen Priester können nicht überall zur Stelle sein.

Das Sakrament der Letzten Ölung ist eine große Gnade. Und selig, wem es vergönnt ist, dieses hl. Sakrament empfangen zu können. Sein großer Nutzen sollte uns allen jetzt klar sein. Nichtsdestotrotz müssen wir uns auch auf den Fall einstellen, daß u. U. kein Priester zur Stelle sein kann, um uns die Letzte Ölung zu spenden. Diese Aussicht soll uns kein Anlaß zur Verzweiflung sein. Bedenken wir: Jeder Christ muß ohnehin stets und überall auf den Tod gefaßt sein. Der Herr sagt: „Wachet, denn ihr wißt nicht, zu welcher Stunde euer Herr kommen wird!“ (Mt. 24,42). Auch früher ist es öfter vorgekommen, daß jemand unerwartet und ohne Sakramente starb. Es gab Fälle, wo sich das ereignete, obwohl ein Priester sogar in demselben Haus wohnte.

Bischof Konrad Martin von Paderborn (1812–1879) belehrte seine Diözesanen über den „Tod ohne Priester“ wie folgt: „In Todesgefahr erwecket, wenn ihr einen rechtgläubigen Priester nicht haben könnt, einen Akt der vollkommenen Reue, der mit dem Verlangen nach dem hl. Sakrament die Seele von den ihr anhaftenden Sünden reinigt. Wohl ist zu einer solchen vollkommenen Reue die göttliche Gnade erforderlich, aber Gott wird diese Gnade euch reichlich geben, wenn ihr ihn demütig darum bittet.“ (Gemeinden ohne Seelsorger, S. 34–52).

Um sich für diese göttliche Gnade zu disponieren und würdig zu machen, gab der nämliche Bischof folgende Weisungen von größter Wichtigkeit:

  1. Bewahre stets die heiligmachende Gnade, dann bist du wenigstens vor der Hölle gesichert. Fliehe also die schwere Sünde und die Gelegenheit dazu.
  2. Sei fleißig und gewissenhaft in der Erfüllung deiner Christen- und Standespflichten. Ein treuer Arbeiter braucht nicht zu erschrecken, wenn er plötzlich vor seinen Herrn gerufen wird.
  3. Erfülle solche Bedingungen, wodurch du in der Todesstunde einen vollkommenen Ablaß erhalten kannst. Etwa indem du Gott jetzt schon alle Leiden der Todesstunde aufopferst und alle Umstände, welche die göttliche Vorsehung für deinen Tod vorherbestimmt hat, jetzt schon willig annimmst.
  4. Erwecke öfters eine vollkommene Reue über deine Sünden. Wer darin geübt ist, wird es auch im entscheidenden Augenblick vermögen.
  5. Versöhne dich mit deinen Feinden. Bitte um Verzeihung, wen du beleidigt hast, und verzeihe allen deinen Beleidigern. Erstatte fremdes Gut. Ersetze den durch Wort oder Tat angerichteten Schaden so viel als möglich. Ordne deine zeitlichen Angelegenheiten. Und schließlich
  6. Bete recht oft um die Gnade eines seligen Todes.

Wir wollen schließen mit den tröstlichen Worten des Bischofs Konrad Martin: „Gott will das Heil aller Menschen und darum gibt er auch allen die hinreichende Gnade dazu: Das ist Glaubenssatz. Er hat zwei Arten von Gnadenmitteln angeordnet, durch welche der Mensch die Gnade sich aneignen soll, nämlich die Sakramente und das Gebet. Ist nun der Empfang der hl. Sakramente unmöglich, dann knüpft Gott umso größere Gnade an das mit dem Verlangen nach den Sakramenten verbundene Gebet; versiegt die eine Quelle, dann wird die andere umso reichlicher fließen. So kann die Wassertaufe durch die Begierde- und Bluttaufe, die wirkliche Kommunion durch die geistige Kommunion, das Bußsakrament durch die vollkommene Reue ersetzt werden. Demgemäß lehrt ja auch der Glaube, daß diejenigen, welche ohne ihre Schuld außerhalb der wahren Kirche stehen, aber die Wahrheit ernstlich suchen und die Gebote halten, gerettet werden. Um wieviel mehr dürfen die treuen Kinder der Kirche Rettung und Heil hoffen.“

Bitten wir schließlich die unter dem Baum des heiligen Kreuzes stehende „neue Eva“, die uns von ihrem am Kreuz erhöhten göttlichen Sohn zur Mutter gegeben wurde. Bitten wir Maria bei dieser hl. Messe um die Gnade eines guten Todes, wie wir es bei jedem andächtig gebeteten „Ave Maria“ tun: „Heilige Maria, Muttergottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes.“ Amen.

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