Fest der hll. Schutzengel
Die Hüter des Heiligtums
Geliebte Gottes!
Der hl. Papst Gregor der Gr. sagt: „Daß Engel existieren, bezeugen beinahe alle Seiten der Heiligen Schrift.“ (in Ev. 9). Genau so ist es. Sowohl die Schriften des Alten als auch die des Neuen Testamentes bezeugen an zahlreichen Stellen und oft bei den bedeutendsten Begebenheiten der Heilsgeschichte das Dasein von geschaffenen, körperlosen Wesen. Diese sind dem Menschen insofern ähnlich, als sie Verstand und freien Willen besitzen. Sie unterscheiden sich vom Menschen jedoch dadurch, daß sie reine Geister sind, also keine Leiber haben.
Die Natur der Engel
Im Schöpfungsbericht heißt es: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Da sprach Gott: ‚Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war. Und Er schied das Licht von der Finsternis.“ (Gen. 1,1-4). Die Väter und Kirchenlehrer hörten aus der Schöpfung des Lichtes und dessen Scheidung von der Finsternis die Erschaffung der Engel heraus. „Die Himmel“, das ist die geistige Welt, die Gott im Anbeginn zugleich mit der sichtbaren, materiellen Welt, also der „Erde“, ins Dasein rief.
Das „Licht“, als erstgeborenes Geschöpf, das sind die reinen Geister, die körperlosen Engel. Sie sind die Erstgeborenen, das erste Erzeugnis der göttlichen Allmacht, und besitzen unter allen Geschöpfen die größte Ähnlichkeit mit Gott. Wie das Licht sind die Engel immaterielle Wesen ohne Körper. Als Geistwesen besitzen die Engel einen Verstand, der aufgrund seiner reinen Geistesnatur alles viel schneller, viel tiefer und viel umfänglicher erkennt, als es je einem Menschen möglich wäre. Sie besitzen eine unmittelbar von Gott eingegossene Erkenntnis, erfassen die ihnen zugänglichen Wahrheiten mit einem einzigen Blick, ganz ohne mühsames und langwieriges Forschen. Auch wenn die Engel von Anfang an die höchste und tiefste Gotteserkenntnis besaßen, allwissend wie Gott waren sie nicht. Darum kennen sie nicht die Geheimnisse Gottes (vgl. 1. Kor. 2,11). Sie besitzen nicht die Herzenserkenntnis (vgl. 3. Kön. 8,39). Auch der Tag und die Stunde des Weltendes und des letzten Gerichtes sind ihnen unbekannt (vgl. Mt. 24,36).
Der Klarheit und Tiefe ihres Verstandes entspricht ihre Macht. Diese findet ihren Widerhall in den Bezeichnungen bestimmter Engelchöre: „Mächte, Gewalten, Herrschaften“. Der Psalmist nennt die Engel „starke Helden, die Gottes Wort vollziehen.“ (Ps. 102,20). Ein einziger Engel erschlug in einer einzigen Nacht 185.000 Mann des assyrischen Heeres vor Jerusalem (vgl. 4. Kön. 19,35). Nach den Worten des hl. Petrus sind die Engel den Menschen bei weitem „überlegen an Stärke und Macht“ (2. Petr. 2,11). Nichtsdestotrotz reicht ihre Macht nur so weit, wie Gott es will. Sie sind nicht allmächtig.
Die Prüfung der Engel
Anfänglich befanden sich die Engel in einem Stand der Pilgerschaft, in welchem sie sich durch ihre freie Mitwirkung mit der göttlichen Gnade das übernatürliche Glück des Himmels verdienen sollten. Denn die Seligkeit des Genusses Gottes von Angesicht zu Angesicht erscheint in der Heiligen Schrift stets als Lohn der Treue gegen Gott. Gott will keinen krönen, der nicht rechtmäßig gekämpft hat. Auch die Engel mußten sich in der Prüfung erweisen. Worin genau diese Prüfung bestand, ist uns unbekannt. Aber wir können aus Andeutungen über das Wesen der Sünde entnehmen, daß es eine Sünde der Auflehnung, des Hochmuts war. Heißt es doch im Buch Jesus Sirach: „Stolz ist der Anfang aller Sünde.“ (Sir. 10,13). Worauf sich der Stolz nun bezogen hat, sagt die Schrift jedoch nicht.
Von den gläubigen Theologen werden jedoch drei Deutungen angeführt. Einmal, daß der Satan von seiner eigenen Herrlichkeit so geblendet war, daß er die Abhängigkeit von Gott nicht ertragen wollte. Er wollte selbstherrlich sein wie Gott und selber bestimmen, was „gut und böse“ ist. So fiel er in die Sünde der Auflehnung gegen Gott. – Eine zweite Erklärung geht davon aus, daß sich der Satan nichts schenken lassen wollte. Die übernatürliche Vollendung des Himmels ist eine Gnade, ein Geschenk. In seinem Stolz wollte der Satan aber der Liebe Gottes nichts zu verdanken haben. Stattdessen wollte er von sich sagen können: „Meine höchste Herrlichkeit habe ich mittels meiner eigenen Leistung selber verdient.“ Er wollte nichts geschenkt haben, sondern verharrte in seiner Selbstgenügsamkeit. So fiel er in die Sünde des eitlen Selbstvertrauens. – Die dritte Erklärung scheint besonders einprägsam. Sie geht von der Tatsache aus, daß der Satan gegen Christus und sein Reich einen wütenden Kampf führte. Daraus kann man ableiten, daß der Teufel es nicht ertrug, sich einem Menschen, nämlich dem menschgewordenen Gottessohn Jesus Christus, unterzuordnen, und daß er nicht damit fertig wurde, daß Gott die niedrige Natur eines Menschen annehmen wollte und sich folglich auch die erhabensten reinen Geister, wie Luzifer, dem Gottmenschen Jesus Christus unterwerfen mußten. Dem habe der Satan seine Parole entgegengeschleudert: „Ich will nicht dienen!“ „Erst recht nicht jemandem, der von Natur aus geringer ist als ich!“ – Wie dem auch sei. Fest steht: Gott „schied das Licht von der Finsternis“. Während die guten Engel zum Lohn in die Himmel eingingen, wurden Satan und sein Anhang in die Tiefe der ewigen Verdammnis verbannt. „Gott hat der Engel, die sich versündigten, nicht geschont, sondern sie in die finsteren Abgründe der Hölle hinabgestoßen, wo sie bis zum Gerichte festgehalten werden.“ (2. Petr. 2,4).
Erscheinungsweisen in der Hl. Schrift
Ihrer Natur nach sind die Engel geschlechtslos, weder Mann noch Frau. Wenn sie aber in der Heiligen Schrift auftreten, so erscheinen sie als Männer, als Hinweis auf das mannhafte, kraftvolle, machtvolle Wesen der Engel. Die Engel sind nicht weichliche, süße, mädchenhafte Wesen, wie sie uns durch verkitschte Kunst bisweilen präsentiert werden. Die kriegerische Mannhaftigkeit der Engel wird noch durch die Ausstattung verstärkt. Schon der Engel am Tor des Paradieses war ein Cherub mit zuckendem Flammenschwert. Auch dem Propheten Balaam und seiner klügeren Eselin trat „ein Engel mit gezücktem Schwert in der Hand entgegen.“ Der hl. Erzengel Michael trägt Schwert und Rüstung, hat er doch die geheimnisvolle Schlacht der Geister im Himmel mit seinem Schlachtruf „Wer ist wie Gott?“ geschlagen und gewonnen. – Häufig erscheinen Engel auch als Jünglinge. So etwa der Erzengel Raphael oder die Engel am leeren Grab des Heilandes. Im Jüngling sind Kraft und Schönheit vermählt. Er ist nicht Kraft allein wie der Mann, nicht Anmut allein wie die Frau. Er ist Kraft in Schönheit, Schönheit in Kraft. Sinnbild des Engels, der seiner Natur nach weder Mann noch Frau ist, aber die Kraft des Mannes und das Anmutige der Frau in sich vereint und ins Übermenschliche vollendet. – Obwohl die Engel von Anbeginn der Zeiten bestehen, altern sie nicht. Ihre Kräfte schwinden nicht, ihre Schönheit verblüht nicht. Ewige Jugend ist ihnen von Natur aus eigen. Dank ihrer Unstofflichkeit ist der Engel unvergänglich, unverwüstlich. Sie sind natürlich keine ewigen Jünglinge, wie der hl. Dionysius vom Areopag zu Recht mahnt. Sie erscheinen ja auch als Feuer, als Winde und Wolken, als Löwen, Stiere und Adler, als Pferde, als Flüsse, Räder und Wagen. Aber die sinnbildliche Art und Weise, wie die Engel in der Heiligen Schrift auftreten, läßt doch Rückschlüsse auf ihr Wesen zu.
Die Engel sind nicht Feuer, aber sie sind wie Feuer, brennend, versengend, alles durchdringend und bezwingend, aufwärts steigend. Die Engel sind nicht Winde und Wolken, aber wie Winde bewegend, wie Wolken schwebend, von oben nach unten, von unten nach oben einwirkend. Die Engel sind nicht Löwen, Stiere, Adler, Pferde, aber herrschaftlicher als Löwen, stärker als Stiere, königlicher als Adler, willfährig wie Pferde gegenüber dem Willen des Allerhöchsten. Engel sind keine pausbackigen, nackten Kleinkinder, die auf den Wolken des Himmels umherbalgen, wie sie oft als Putti in der barocken Kunst dargestellt wurden. Aber als Bewohner des Himmelreiches haben sie eben doch etwas mit den Kindern gemein, sagt doch der Herr: „Wahrlich, Ich sage euch, wenn ihr euch nicht bekehrt und nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen.“ (Mt. 18,3). Ja, die Engel sind „wie die Kinder“. D. h., sie haben etwas den guten Kindern Ähnliches an sich. Sie sind nämlich ganz einfach, ganz unschuldig, durch und durch wahrhaftig und auf das Gute bedacht, demütig und folgsam. Wie die Kinder sind sie nicht viel um sich selbst besorgt und nicht viel mit sich selbst beschäftigt, sind frei von Überheblichkeit und Dünkel, frei von Eigensinn und Trotz, frei von Neid und Selbstsucht.
Jedes der genannten biblischen Sinnbilder birgt ein Element in sich, das dem Wesen der Engel entspricht. Wenn man sie zusammenlegt, wie kleine Steinchen, so ergibt sich daraus zwar kein klares, aber doch ein ahnungsreiches Mosaikbild von dem Wesen der Engel.
Bote Gottes und Hüter des Allerheiligsten
Einer besonderen Erwähnung bedürfen die Flügel der Engel. Geflügelte Wesen kommen auch bei den heidnischen Religionen der Assyrer, Babylonier, Ägypter, Griechen und Etrusker vor. So werden etwa Hermes und Merkur als geflügelte Götterboten dargestellt. Die Flügel der Engel deuten auf die Eile und den Eifer der Engel hin, mit dem sie den Willen des Allerhöchsten unverzüglich zur Ausführung bringen. Sie sind erhaben über Raum und Zeit. Und als solche auch die Boten Gottes.
Das Wort „Engel“ – vom griechischen „ággelos“ bzw. dem lateinischen „angelus“ – bedeutet „Bote“ und entspricht dem Sinn des hebräischen Ausdrucks „mal’ak jahweh“, also „Bote Gottes“. Tiefsinnig weist der hl. Dionysius vom Areopag darauf hin, daß die Engel schon dank ihrer Natur die bestgeeignetsten Boten und Verkünder Gottes sind: „Sie genießen eine reichere Gemeinschaft mit der Gottheit, sie können die Erleuchtungen der Urquelle ungetrübt in sich aufnehmen, in sie strahlt die urgöttliche Erleuchtung unmittelbar ein.“ (Hier. 4). Aber die Flügel weisen die Engel nicht nur als Boten und Vollstrecker der göttlichen Ratschlüsse aus. – Schon im ersten Tempel ließ König Salomon mächtige geflügelte Wesen aufstellen. Und das, obwohl das mosaische Gesetz grundsätzlich keine geschnitzten Bilder duldete. „Salomon machte zwei Cherubim aus Olivenholz, je zehn Ellen hoch [1 Elle = 60 cm; also 6 Meter]. Fünf Ellen [ca. 3 Meter] maß des einen Cherub Flügel, und fünf der des zweiten, somit zehn Ellen von einem Flügelende bis zum andern. Beide Cherubim hatten einerlei Maß und Gestalt. Die Cherubim stellte er in das Allerheiligste des Tempels und ließ die Flügel der Cherubim so sich ausbreiten, daß der eine Flügel die eine Wand berührte, der des anderen die andere. Ihre anderen Flügel stießen inmitten des Hauses aneinander. Er vergoldete die Cherubim. Bei der Tempelweihe brachten die Priester die Bundeslade des Herrn an ihren Ort im Hinterraum des Hauses, in das Allerheiligste, unter die Flügel der Cherubim. Denn die Cherubim breiteten die Flügel über dem Ort der Lade aus. So bedeckten die Cherubim den Ort der Lade und deren Stangen von oben her.“ (3. Kön. 6,23 ff.). Die Bundeslade, dieser kostbarste Schatz des alttestamentlichen Tempels, im Schatten und Schutz der Flügel der Cherubim, läßt die Engel als Wächter und Schützer des Allerheiligsten in Erscheinung treten.
Der Prophet Isaias sah später in einer schrecklich schönen Vision, was Salomons Kunstwerk nur andeutete: „Ich habe den Herrn geschaut, auf hohem und erhabenem Throne thronend. Sein Schleppgewand erfüllte das ganze Heiligtum. Seraphim standen um Ihn her, sechs Schwingen hatte jeder. Mit zweien deckte er sein Angesicht, mit zweien seine Füße, mit zweien schwebte er. Und sie riefen einer dem anderen zu und sprachen: ‚Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Gott der Heerscharen; die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit!‘ Da erbebte die Oberschwelle der Türangeln vor ihrem lauten Rufen, und der Tempel ward von Rauch erfüllt.“ (Is. 6,1–4).
Wie die hl. Engel im Alten Bund das Heiligtum des Bundeszeltes mit ihren Flügeln überschatteten, um das Allerheiligste in ehrfürchtiger Obhut zu bewahren, so tun sie es noch viel mehr an den Heiligtümern des Neuen Bundes. Denn die Tabernakel der katholischen Kirche beherbergen Größeres als die Bundeslade. Sie beherbergen nicht nur den sprossenden Stab des Hohepriesters Aaron, nicht nur die Gesetzestafeln des Moses, nicht nur ein Gefäß mit himmlischen Manna, sondern den wahren Gott selbst; den Gottmenschen Jesus Christus, mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit verborgen unter der Gestalt des Brotes. Deshalb ist auch unser Tabernakel hier in der Kapelle bewacht von den Cherubim, woran die beiden Engeldarstellungen auf der Innenseite der Tabernakeltüren uns erinnern.
Der himmlische Gottesdienst der Engel
Welches erhabene und ehrfurchtgebietende Schauspiel sich aber jedes Mal bei der hl. Messe abspielt, das können wir mit unseren Augen nicht schauen. Und weil wir es nicht schauen, vergessen wir doch allzu oft die Heiligkeit des Ortes. Damit wir uns aber daran erinnern, daß hier in unserer Kapelle der Himmel auf Erden ist und sich hier die Engel des Himmels in Andacht und ehrfürchtigem Schweigen vor Gott in den Staub werfen, wollen wir denjenigen Apostel anhören, dem von Gott die Augen aufgetan wurden, um uns davon zu berichten. In der Geheimen Offenbarung schreibt der hl. Johannes von der himmlischen Liturgie:
„Siehe, ein Tor war im Himmel geöffnet. Und siehe, ein Thron stand im Himmel. Und auf dem Thron saß Einer. Rings um den Thron waren vierundzwanzig Throne. Und auf den vierundzwanzig Thronen saßen vierundzwanzig Älteste in weißen Gewändern. Auf ihren Häuptern trugen sie goldene Kränze. Und sieben goldene Leuchter brennen vor dem Thron. Es sind die sieben Geister Gottes. Und in der Mitte vor dem Thron und rings um den Thron sind vier Wesen voller Augen vorne und hinten. Das erste Wesen gleicht einem Löwen, das zweite Wesen einem Stier, das dritte Wesen hat ein Angesicht wie ein Mensch und das vierte gleicht einem fliegenden Adler. Und die vier Wesen haben eins ums andere sechs Flügel. Sie kennen keine Unterbrechung, sondern sprechen bei Tag und bei Nacht: ‚Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr, der Allmächtige, der da war, der da ist und der da kommen wird.‘ – Ich sah in der Rechten dessen, der auf dem Throne saß, ein Buch, das vorne und hinten beschrieben und mit sieben Siegeln versiegelt ist. …
Ich sah mitten vor dem Thron und den vier Lebewesen, inmitten der Ältesten, ein Lamm dastehen, das wie geschlachtet war. Es hatte sieben Hörner und sieben Augen; das sind die sieben Geister Gottes, die in alle Welt ausgesandt sind. Es kam heran und empfing die Buchrolle aus der Rechten dessen, der auf dem Throne saß. Als es diese empfangen hatte, fielen die vier Lebewesen und die vierundzwanzig Ältesten vor dem Lamme nieder. Ein jeder hatte eine Harfe und goldene Schalen voll Weihrauch, das sind die Gebete der Heiligen. Sie sangen ein neues Lied und sprachen: ‚Würdig bist Du, die Buchrolle zu empfangen und ihre Siegel zu öffnen. Du bist geschlachtet worden. Du hast uns losgekauft in Deinem Blut für Gott aus allen Stämmen, Sprachen, Völkern und Nationen.‘ Und ich hörte Stimmen vieler Engel rund um den Thron und um die Lebewesen und die Ältesten. Es waren zehntausendmal zehntausend und tausendmal tausend ihre Zahl. Mit lauter Stimme riefen sie: ‚Würdig ist das Lamm, das geschlachtet ward, Macht, Reichtum, Weisheit, Kraft, Ehre, Herrlichkeit und Lobpreis zu empfangen.‘ Und jedes Geschöpf, das im Himmel und auf der Erde, unter der Erde und auf dem Meere ist, ja alles, was in ihnen ist, hörte ich also sprechen: ‚Dem, Der auf dem Throne sitzt, und dem Lamme sei Lob und Ehre und Herrlichkeit und Macht und Ewigkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit.‘ Und die vier Lebewesen riefen: ‚Amen!‘ Dann warfen sich die Ältesten anbetend nieder.“
(Offb. 4,1-5,14).
Die Engel unter uns
Dieses ehrfurchtgebietende Schauspiel vollzieht sich bei jeder hl. Messe, mag sie auch lediglich im stillen Ritus gefeiert werden, bei dem nur der Priester und der Ministrant einander verstehen. Gott, der Allherrscher, und das „geschlachtete Lamm“ – sie erscheinen auf dem Thron des Altares inmitten der sieben Leuchter. (Würde der Diözesanbischof die hl. Messe zelebrieren, würde auch das Altarkreuz mit einer siebten Kerze beleuchtet.) Gott erscheint auf dem Altar, um sich als Schöpfer und Erlöser die gebührende Ehre erweisen zu lassen. „Ihm, der auf dem Throne sitzt, und dem Lamme sei der Lobpreis und die Ehre.“ Bei dieser triumphalen Huldigung des Himmels finden sich mitten unter den singenden Engeln auch Menschen. Die „vierundzwanzig Ältesten“, die Vertreter des alten und des neuen Volkes Gottes, die Väter der zwölf Stämme Israels und die Apostel, die geistigen Väter des neuen Jerusalems, loben Gott zusammen mit den Engeln. Und diese Ältesten bieten dem Allerhöchsten auch unsere eigenen Gebete wie ein Weihrauchopfer in goldenen Schalen dar.
Schon der Psalmist sieht sich wie in einer Ekstase unter die Engel versetzt: „Vor dem Angesicht der Engel preise ich Dich.“ (Ps. 137,4). Die Kirche bittet vor dem Meßkanon in wunderbaren Worten, daß auch sie und ihre menschlichen Glieder in den Kult, den die Engel dem Allherrscher darbringen, mit einbezogen werden: „Laß auch uns einstimmen, so flehen wir, in den jubelnden Chor der himmlischen Kräfte und der Seraphim!“ So vereint sich die betende Kirche der Pilger mit der himmlischen Liturgie der Engel, während das Lamm Gottes in der Kraft seines am Kreuz vergossenen Blutes jene sieben Siegel am Buch der Heilsgeschichte öffnet, die sonst keiner zu öffnen vermag. Wie der Himmel angesichts des gewaltigen Schauspiels des Opfers Christi und der Entfaltung seiner Wirkung ehrfurchtsvoll in Schweigen verharrt „etwa eine halbe Stunde lang“ (Offb. 8,1), so sollen auch wir in Sammlung und stiller Anbetung dem heiligen Geschehen beim hl. Opfer der Messe beiwohnen und weder uns selbst ablenken lassen noch andere in ihrer Andacht stören. Die Eltern haben auch die Pflicht, ihre Kinder dazu anzuhalten. Der Wohnort Gottes ist ein anderer Ort, ein heiliger Ort. Er ist der Ort der Stille, der Sammlung, der Anbetung. Er darf keine Räuberhöhle sein, aber auch kein Kinderspielplatz. Auch ist das Gotteshaus der falsche Ort, um sich mit den Kindern zu beschäftigen. In der Kapelle beschäftigen wir uns wie die hl. Engel nur mit Gott.
Im 1. Korintherbrief findet sich für die gottesdienstlichen Zusammenkünfte der christlichen Gemeinden eine Anweisung des Völkerapostels, die für Menschen, die vom modernen Zeitgeist geprägt sind, seltsam anmutet. „Urteilt doch selbst: Ist es wirklich passend für eine Frau, unverhüllt zu Gott zu beten? Darum soll die Frau einen Schleier auf dem Haupte tragen – um der Engel willen.“ (1. Kor. 11, 10–16). Diese Weisung des Völkerapostels griff schon der erste Nachfolger des hl. Petrus auf dem Papstthron auf. In der Brevierlesung des hl. Papstes Linus heißt es: „Er verordnete, daß eine Frau nur mit verhülltem Haupte die Kirche betreten dürfe.“ (Römisches Brevier, 23. September). Ein Gesetz, das im Übrigen bis heute in Geltung ist (CIC can. 1262 § 2). Interessant für uns ist vor allem die Begründung des Apostels: „Um der Engel willen.“ Die gesegneten oder gar geweihten Kirchen und Kapellen dieser Erde sind nicht allein Gebetsräume von Menschen, sondern auch voll anbetender Engel. Der Kirchenschriftsteller Origenes sagt: „Wenn die Gläubigen zu den Gottesdiensten versammelt sind, so gibt es zwei Kirchen, jene der Menschen und jene der Engel. Und es ist zu glauben, daß die Engel den Versammlungen der Gläubigen vorstehen.“ Durch die Verhüllung ihres Hauptes bringen die Frauen also ihren Glauben an die Gegenwart der hl. Engel im Gotteshaus und besonders bei der Darbringung des hl. Meßopfers zum Ausdruck. Die Engel sind Hüter des Heiligtums und Hüter der Schöpfungsordnung. Alles, was sich gegen die göttliche Ordnung auflehnt, werfen sie nieder. In der Schöpfungsordnung ist die Frau dem Mann als Gehilfin untergeordnet. Das soll sich deutlich widerspiegeln, wenn Männer und Frauen zum Gottesdienst vor das Angesicht Gottes hintreten. Wie es ungebührlich ist, für den Mann im Gotteshaus oder beim Gebet auch außerhalb des Gotteshauses eine Kopfbedeckung zu tragen, genauso unschicklich ist es für eine Frau, unbedeckten Hauptes den Wohnort Gottes zu betreten. Die Frauen sollen also „um der Engel willen“ Kopfbedeckung tragen, damit die anwesenden himmlischen Geister Zeugen seien von der Ergebenheit der Frau in die göttliche Ordnung. Es spricht also Bände, wenn diese Weisung des Völkerapostels und des kirchlichen Gesetzgebers in unserer emanzipierten und jeder vorgegebenen Ordnung abholden Zeit als „Unterdrückung“ aufgefaßt wird. So sagt auch der hl. Johannes Chrysostomus: „Engel umringen den Priester [wenn er zum Altar schreitet]; das ganze Heiligtum und der Raum um den Altar sind angefüllt mit himmlischen Heerscharen, die sich zu Boden neigen, wie man Soldaten dastehen sieht in Gegenwart des Königs.“ Es ist also keineswegs so, daß die Engel dem hl. Opfer vom Himmel aus zuschauen, sondern sie sind wirklich, wenn auch unsichtbar, zugegen; ja, sie helfen geheimnisvoll bei der hl. Feier mit.
Die Mitwirkung der Engel am irdischen Gottesdienst
Schon bei Beginn des sonntäglichen Hochamtes, des zentralen religiösen Ereignisses der gesamten Woche, betet die Kirche bei der Austeilung des Weihwassers: „Sende gnädig, Herr, vom Himmel her Deinen heiligen Engel, damit er alle, die in diesem Hause weilen, behüte, bewahre, besuche und beschirme!“
Im Confiteor, dem reinigenden Bekenntnis der Sünden – zuerst des Priesters alleine und dann in Stellvertretung für das anwesende Volk durch den Ministranten – stellen wir uns auch den strahlenden Scharen der Engel und bekennen ihrem höchsten Vertreter, „dem heiligen Erzengel Michael, daß ich viel gesündigt habe in Gedanken, Worten und Werken.“
Die Engel jubeln: „Gloria in excelsis Deo“ und die Menschen singen es ihnen freudig nach. So greift das Gotteslob der Engel vom Himmel auf die Erde über und hüllt auch die Menschen in die himmlischen Gesänge der Engel ein.
Wenn dann der Weihrauch bei der Opferung vom Altar zum Himmel aufsteigt, ist es wieder der hl. Michael, dem wir diese erste duftende Gabe an Gott mit dem Gebet empfehlen: „Auf die Fürsprache des hl. Erzengels Michael, der zur Rechten des Rauchopferaltares stand, möge der Herr diesen Weihrauch segnen und als lieblichen Wohlgeruch annehmen.“ Und mögen dabei unsere Gebete und unsere Hingabe an Gott wirklich so vollkommen sein, daß sie durch unsere Akte des Glaubens, der Hoffnung und der übernatürlichen Liebe als lieblicher Duft zum Himmel emporsteigen und nicht aufgrund irgendeiner schuldbaren Ablenkung oder freiwilligen Zerstreuung zu einer stinkenden Rauchwolke verkommen.
Der römische Ritus stößt sodann beim Gesang der Präfation die Tore weit auf für die zum Wunder der hl. Wandlung anschwebenden Engel und stimmt zusammen mit ihnen das Dreimalheilig an: „Es ist in Wahrheit würdig und recht, billig und heilsam, Dir immer und überall dankzusagen, heiliger Herr, allmächtiger ewiger Gott: durch Christus, unseren Herrn. Durch Ihn loben die Engel Deine Majestät, die Herrschaften beten sie an, die Mächte verehren sie zitternd. Die Himmel und die himmlischen Kräfte und die seligen Seraphim feiern sie jubelnd im Chore. Mit ihnen laß, so flehen wir, auch uns einstimmen und voll Ehrfurcht bekennen: Heilig, heilig, heilig, Herr, Gott der Heerscharen. Himmel und Erde sind erfüllt von Deiner Herrlichkeit.“
Nach der erschütternden Erneuerung des Kreuzesopfers wendet sich die Liturgie in einem Gebet an einen hohen Engel: „Demütig bitten wir Dich, allmächtiger Gott; Dein heiliger Engel möge dieses Opfer zu Deinem himmlischen Altar emportragen, vor das Angesicht Deiner göttlichen Majestät.“ Wer ist dieser große, namenlose Engel, dem es verliehen ist, von der Erde das geopferte Lamm vor Gottes Thron hinzutragen? Manche Ausleger sehen in ihm Christus selbst, denn der Erlöser wurde vom Propheten Isaias als „der Engel des großen Ratschlusses“ (Is. 9,6) vorherverkündet. Andere nehmen einen unbekannten hohen Engel an, der die kostbarste Gabe der ganzen Menschheit, mit der wir uns selbst vereint Gott darbringen, zum Allerhöchsten emporträgt.
Der menschliche Priester erhebt am Ende des Kanon die Hostie über den Kelch. Das siebte Siegel wird geöffnet: „Durch Ihn und mit Ihm und in Ihm wird Dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Ehre und Verherrlichung, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Im Himmel antworten den Engeln die Ältesten. Auf Erden sind die Engel die Ministranten der Ältesten und sie antworten: „Amen.“
Ja, im Grunde gibt es nicht zwei Kirchen, die der Engel und die der Menschen, wie Origenes anzunehmen schien. Engel und Menschen finden sich in einem einzigen Gottesdienst zusammen.
Die Hüter unserer Seele
Der vollkommene Gottesdienst der Engel beweist sich schließlich auch in ihrem Dienst an uns Menschen. Sie lieben ja Gott über alles und alles andere in Gott und um Gottes Willen. Die Engel sind nicht nur Hüter und Beschützer der Bundeslade oder des Tabernakels oder der Kirche, sondern eines jeden Heiligtums, das Gott geweiht ist. Zu einem solchen Heiligtum ist auch unsere Seele am Tag unserer Taufe geweiht worden. Daran erinnert uns der Völkerapostel: „Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1. Kor. 3,16). Jeder Mensch ist dazu geschaffen, ein Heiligtum Gottes zu werden und zu bleiben. Gott will in der Seele eines jeden Menschen wohnen. Aufgrund unserer Schwäche, die uns zur Sünde geneigt macht, sind wir stets in Gefahr. Deshalb hat Gott jedem Menschen einen Engel als Hüter seiner Seele zur Seite gestellt.
Gott wohnt in der Seele des Getauften durch die heiligmachende Gnade. Wenn wir uns im Gnadenstand befinden, dann ist auch unsere Seele ein „Zelt des Allerhöchsten“, das von den Schwingen unseres Schutzengels überschattet wird. – Erst recht ist das der Fall im Augenblick, wo Gott Selbst in unsere Seele einzieht. Bei der hl. Kommunion helfen uns die hl. Engel. Sie falten uns die Hände, stützen unser schwerfälliges Beten und tragen in goldenen Schalen unsere Tränen sowohl der Danksagung als auch der Reue über unsere Sünden zum Herzen des göttlichen Heilandes. Dabei schauen sie nicht geringschätzig auf unser unbeholfenes, oft nur wenige Augenblicke gesammeltes Beten bei der Danksagung herab. Nein, sie knien neben uns und veredeln, verfeinern unsere Akte und Worte, die wir an den göttlichen Freund in unserem Herzen richten.
Unsere Schutzengel bleiben auch über die Zeit in der Kapelle hinaus die Hüter des Heiligtums unserer Seele. Denn sie wissen besser als wir, was der Völkerapostel sagt: „Wir tragen diesen Schatz in irdenen Gefäßen.“ (2. Kor. 4,7). Der hl. Schutzengel weiß um unsere Schwäche. Er betet für uns. Er begleitet uns, warnt uns und streitet für uns, damit das Heiligtum Gottes in unserer Seele unangetastet bleibt. Deshalb befolgen wir die Mahnung Gottes in der heutigen Epistel: „Du aber habe acht auf ihn und lausche auf seine Stimme und meine nicht, ihn verschmähen zu dürfen.“ (Ex. 23,21). Wenn wir den Schutzengel fragen könnten, wie wir ihn am besten zu ehren vermögen, würde er sicherlich antworten: „Indem du auf meine Ermahnungen hörst und meine Warnungen nicht in den Wind schlägst.“ Oft und oft spricht er leise, aber doch vernehmlich zu dir: Fliehe die Gefahr! Laß dich nicht verführen! Halte dich im Zügel! Vergilt nicht Böses mit Bösem! Sondern überwinde das Böse durch das Gute! Um ihn zu hören, müssen wir uns täglich sammeln und uns wenigstens in einem kurzen Gebet seiner Leitung anvertrauen. Es sollte unsere selbstverständliche Gewohnheit sein, jeden Morgen und jeden Abend das Gebet und den Schutz des heiligen Engels zu erbitten und ihm zu danken. „Engel Gottes, mein Beschützer! Des Höchsten Vatergüte hat mich Dir anvertraut. Erleuchte mich, schütze, lenke und leite mich heute.“ (300 Tage Ablaß – Berve vom 2. Oktober 1795). Wie Deine Brüder die Hüter des Tabernakels in der Kirche sind, so sei auch Du der Hüter des Heiligtums meiner Seele. Amen.