Das Kleid der Gottesmutter

Geliebte Gottes!

Die hl. Bernadette Soubirous erklärte nach der letzten Erscheinung der Gottesmutter in Lourdes, am 16. Juli 1858, dem Fest unserer Lieben Frau vom Berge Karmel: „Nie habe ich sie so schön gesehen!“ Die Wahl dieses Datums für ihren letzten Besuch in der Lourdesgrotte, legt nahe, daß die unbefleckte Jungfrau unsere Aufmerksamkeit besonders auf ihren Titel als „Unsere Liebe Frau vom Berge Karmel“ lenken wollte; auf ihre Vorliebe für den Karmeliterorden und auf die Privilegien, welche sie diesem Orden erwirkt hatte.

Auffällig ist außerdem, daß Maria auch später, bei ihrer letzten Erscheinung in Fatima, am 13. Oktober 1917, ebenfalls auf den Karmel verwiesen hat. War sie doch den drei Kindern als „Unsere Liebe Frau vom Berge Karmel“, mit dem Skapulier in der Hand, erschienen. Was hat es nun mit dem Karmel und dem „braunen Skapulier vom Berge Karmel“ auf sich?

Der Berg Karmel

Die Geschichte des Skapuliers hängt, wie der Name schon sagt, eng mit dem Karmelgebirge im Heiligen Land zusammen. Die Schönheit dieses Berges in Galiläa, der wie ein Vorgebirge aus der Esdrelonebene über dem Mittelmeer emporragt, wurde schon von den Propheten des Alten Bundes besungen. Besonders eng ist das an Wundern reiche Leben und Wirken des hl. Propheten Elias mit dem Karmel verbunden. Am Fuß des Karmel triumphierte Elias über die Baalspriester, als sein ganz mit Wasser durchtränktes Brandopfer zur Gänze von einem himmlischen Gottesfeuer aufgezehrt wurde (vgl. 1 Kön. 18, 30 ff.). Später verbrannten auf das Gebet des Propheten 50 Soldaten bei lebendigem Leib ebenfalls durch ein vom Himmel herabstoßendes, göttliches Feuer. (vgl. 2 Kön. 1, 9 ff.). Aufgrund des Glaubensabfalls Israels hatte das Gebet des Fürsten aller alttestamentlichen Propheten, vom Karmel aus, eine Dürre über das Land hereinbrechen lassen (vgl. 1 Kön. 17, 1 ff.), die 3 ½ Jahre währte. Für uns von Bedeutung sind vor allem die Umstände, wie diese Dürreplage zu Ende ging.

Nachdem Israel die heidnischen Baalspriester, auf den Befehl des Elias hin, bestraft hatte, betete der Prophet abermals auf dem Gipfel des Karmel. Siebenmal schickte er seinen Diener Giezi auf eine zum Meer gewandte Anhöhe um nach einer Regenwolke Ausschau zu halten. „Beim siebten Mal meldete er: Eine Wolke erhebt sich aus dem Meer, so klein wie eine Menschenhand. … Nicht lange danach verfinsterte sich der Himmel vor Sturmwolken, und es fiel ein starker Regen“ (1. Kön. 18, 44 f.). Die kleine Wolke am Horizont war immer größer und größer geworden und bescherte dem nach Wasser lechzenden Land ergiebigen Regen.

Später erblickten viele Kommentatoren und Ausleger der Heiligen Schrift in dieser so wohltuenden Wolke ein Vorbild der Jungfrau Maria, die durch ihre verborgenen, in den Augen Gottes jedoch so kostbaren Tugenden den Strom der Gnade in der Gestalt ihres göttlichen Sohnes, des heißersehnten Erlösers Jesus Christus, auf die Welt herabrief, um die seit dem Sündenfall herrschende „Gnaden-Dürre“ zu beenden.

Der Karmeliterorden

Elias versammelte auf dem Berge Karmel seine Jünger, wo sie ein jungfräuliches Leben führten. Später wurde Elias in einem feurigen Wagen in den Himmel entrückt und wurde dabei sowohl zu einem Vorbild für die Himmelfahrt Christi als auch zum Amt eines Vorboten des Weltenrichters am Ende der Zeiten bestellt.

Bis zur Geburt Christi führten Eremiten, dem Beispiel des Propheten Elias folgend, auf dem Berge Karmel ein Leben des Gebetes und der Abtötung. Nach Pfingsten empfingen die frommen Einsiedler die Taufe und kehrten zurück auf ihr heiliges Gebirge. Im 12. Jahrhundert, zur Zeit der Kreuzzüge, ließen sich abendländische Mönche auf dem Karmel nieder. Diese Mönche, die seither Karmeliter genannt wurden, errichteten dort erstmals eine schöne, kleine Kirche mit dem Titel „Für unsere Liebe Frau“ auf dem Karmel. Diese Tatsache zeigt, daß der entstehende Orden ganz besonders der Gottesmutter geweiht war, die fortan auch Fürstin und Mutter des Karmel genannt wurde. Die hl. Theresa von Avila hat gesagt: „Dieser Orden gehört ihr [Maria]. Sie ist unsere Königin und unsere Patronin.“ Und als ihre Königin verlangte die allerseligste Jungfrau ihren treuen Dienern vom Berge Karmel auch vieles ab: Es mangelte ihnen nicht an Kreuzen, Heimsuchungen und Leiden aller Art. Doch Maria lehrte die Karmeliter, die Leiden zu schätzen, welche sie von der Sünde reinigten, von der Anhänglichkeit der Welt befreiten, sie zu einem Brandopfer für die Bekehrung der Sünder werden ließen, und sie auf die höchsten Gipfel der Vollkommenheit und des übernatürlichen Glücks emporführten. Trotz der blutigen Verfolgung durch die Mohammedaner dachten die Karmeliter nicht daran den Karmel zu verlassen. Doch gewährte der Prior des Klosters einer bestimmten Anzahl von Brüdern, das Heilige Land zu verlassen, um in ihre jeweiligen Heimatländer zurückzukehren und dort Klöster des Ordens zu errichten.

Das braune Skapulier

Die allerseligste Jungfrau Maria erschien zum ersten Mal im Jahre 1251 als „Unsere Liebe Frau vom Berge Karmel“. Bei ihrer Erscheinung am 16. Juli jenes Jahres offenbarte sie sich dem heiligen Simon Stock, dem sechsten General des Karmeliterordens. Dieser Heilige, geboren 1164, entstammte einer vornehmen englischen Familie. In jüngeren Jahren war er wahrscheinlich Zeuge der begeisterten Anfänge des Ordens in der Nähe der Elias-Quelle auf dem Karmel sowie der zahlreichen Schwierigkeiten, die sich aus der Rückkehr der Mönche ins Abendland ergaben. Simon Stock hatte den Karmeliterorden durch eine schwere Krisenzeit zu führen, da der Ordensnachwuchs in einem solchen Ausmaß versiegte, daß der Fortbestand des Ordens gefährdet war. In seiner Not wandte er sich mit kindlichem Vertrauen an die allerseligste Jungfrau Maria, um bei ihr sein Herz zu erleichtern. Er klagte ihr die Verfolgungen, die der Karmeliterorden zu erleiden habe und denen er zu unterliegen drohe. Er beschwor die Gottesmutter unter Tränen, diese Ordensfamilie, die sie an Kindesstatt angenommen hatte, nicht zu verlassen und ihm irgendein Zeichen ihres besonderen mütterlichen Schutzes zu geben. Die allerseligste Jungfrau erschien ihm und reichte ihm das Skapulier wobei sie sprach: „Mein Sohn, empfange das Skapulier deines Ordens. Es ist das Zeichen der besonderen Begünstigungen, die ich für dich und die Kinder des Karmels erlangt habe. Wer in diesem Gewand stirbt, wird vor dem ewigen Feuer bewahrt bleiben. Es ist ein Zeichen des Heiles, ein Schutzmittel in Gefahren, das Unterpfand eines besonderen Friedens und besonderen Schutzes.“

Einem Bericht zufolge bewies das Skapulier schon schnell seine große Macht. Ein englischer Adliger, der durch sein Leben in der ganzen Gegend Anstoß erregt hatte, bekehrte sich auf dem Sterbebett, als der hl. Simon Stock sein Skapulier über den Sterbenden ausbreitete. Daraufhin erst offenbarte der Heilige seinen Mitbrüdern den wunderbaren Ursprung und das heilbringende Geheimnis jenes braunen Gewandes. „Wer in diesem Gewand stirbt, wird vor dem ewigen Feuer bewahrt bleiben.“ Die Kunde von dem einzigartigen Privileg, welches an das Skapulier der Karmeliter gebunden war, verbreitete sich wie ein Lauffeuer und der Orden erfreute sich, weit über den Tod des hl. Simon Stock im Jahr 1265 hinaus, wieder eines regen Zulaufs.

Doch auch zahlreiche Menschen des weltlichen Standes eilten herbei, und wollten an der verheißenen Gunst, die den Karmelitern zuteil geworden war, Anteil haben. Dies veranlaßte den Orden einen Weg zu finden, der den Zugang zum sog. „braunen Skapulier“ auch jenen eröffnete, welche keine Ordensberufung, sondern ihren Stand in der Welt hatten. So wurden die ersten Skapulierbruderschaften gegründet. – Von den Päpsten bestätigt und empfohlen, verbreitete sich das „Skapulier Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel“ sehr rasch in allen Ländern der katholischen Welt. Der hl. König Ludwig IX. von Frankreich zählte damals zusammen mit dem hl. König Edward II. von England, zu den prominentesten Mitgliedern der Bruderschaft. Und die Reihe der Heiligen wurde in der Folge immer länger. Erwähnt seien lediglich die heiligen Kardinäle Robert Bellarmin und Karl Borromäus, der hl. Kirchenlehrer Alphons von Liguori, der hl. Jugendapostel Johannes Bosco und die bereits eingangs erwähnte hl. Bernadette Soubirous.

Papst Pius XII. schrieb in seinem Brief „Neminem profecto“ vom 11. Februar 1950: „Es handelt sich nicht um eine Sache von geringer Bedeutung, sondern um die Erlangung des ewigen Lebens kraft dieses Versprechens der seligsten Jungfrau, von dem die Tradition berichtet. Es geht also um die wichtigste Angelegenheit überhaupt und um die Art und Weise, wie sie ganz sicher zu Ende zu führen ist. Das Skapulier als Gewand der Jungfrau ist das Zeichen und das Unterpfand für den Schutz der Gottesmutter.“ Und bei einer anderen Gelegenheit fügte derselbe Papst hinzu: „Wie viele Seelen hatten unter menschlich verzweifelten Umständen ihre letzte Bekehrung und ihr ewiges Heil dem Skapulier zu verdanken, mit dem sie bekleidet waren! Wie viele spürten dank ihm auch in Gefahren für Leib und Seele den mütterlichen Schutz Mariens!“

Das Samstagsprivileg

Viele Päpste haben die Gläubigen ermahnt, das Skapulier zu tragen. Unter den zahlreichen Gunsterweisen des Apostolischen Stuhles ragt besonders das sogenannte „Samstagsprivileg“ hervor, das Papst Johannes XXII. am 3. März 1317 mit der „Bulla Sabbatina“ gewährte. Vorangegangen war eine Erscheinung der Gottesmutter, in der die allerseligste Jungfrau dem Heiligen Vater versprach, diejenigen, welche ihr Skapulier tragen, am Samstag nach deren Tod aus dem Fegfeuer zu befreien. Es wurden zwei Bedingungen festgelegt, um in den Genuß dieser neuen Verheißung zu kommen: Und zwar die Einhaltung der standesgemäßen Keuschheit; sowie das Beten des „Kleinen Offiziums zu Ehren der seligsten Jungfrau“.

Bei dem sog. „Samstagsprivileg“ handelt es sich also offenbar um eine Art vollkommenen Ablaß, der an dem auf den Tod folgenden Samstag wirksam wird. Obwohl die historische Echtheit dieser Erscheinung häufig bestritten wird, so gibt es nur wenige Ablässe, die von päpstlicher Seite so oft und so feierlich bestätigt wurden, wie das „Samstagsprivileg“. Es seien nur genannt die Päpste Clemens VII. (1530), Paul III. (1530 und 1549), Pius IV. (1561), der hl. Pius V. (1566), der hl. Pius X. (1910), Benedikt XV. (1916) und schließlich der bereits erwähnte Papst Pius XII. (1950).

Vom hl. Johannes vom Kreuz wird berichtet, wie er sich am Vorabend seines Todes mit Wohlgefallen vorstellte, wie die Gottesmutter am Samstag mit ihrem Beistand und ihrer Gunst zum Fegfeuer hinab eilen werde, und wie sie von dort die Seelen der Karmeliter und jener Personen herausholen würde, welche ihr heiliges Skapulier getragen hätten. Und die vertrauensvolle Vorfreude des Heiligen wurde nicht enttäuscht. Er starb in den ersten Minuten des 14. Dezember 1591. Ein Samstag. Die hl. Theresa von Avila berichtet in ihrer Selbstbiographie vom Tod des Heiligen: „Als ein sehr guter Pater unseres Ordens [der hl. Johannes vom Kreuz] schwerkrank war, erfuhr ich in einer großen inneren Andacht, die mich beim Hören der Messe am Samstag überkam, daß er gestorben war, und ich sah ihn in den Himmel emporsteigen, ohne ins Fegfeuer zu kommen. Ich habe seither erfahren, daß er wirklich in derselben Stunde gestorben war, in der ich ihn gesehen hatte. Ich war sehr erstaunt darüber, daß er nicht durch das Fegfeuer gegangen war, doch man [die himmlische Stimme] sagte mir, wenn er es hatte vermeiden können, so deshalb, weil er die Regel seines Gelübdes getreu befolgt hatte und weil ihm die dem Orden gewährte Gnade – nämlich das Samstagsprivileg – zuteil geworden war.“ (Kap. 38,31). Das Erstaunen der hl. Theresa, daß dieser im Ruf der Heiligkeit stehende Priester ohne Fegfeuer in den Himmel eingegangen war, sollte uns auf zwei Dinge hinweisen: 1. daß wir zumeist eine viel zu geringe Vorstellung von dem erforderlichen Grad der Heiligkeit haben, welcher notwendig ist, um in den Himmel einzugehen. Die Heilige ging ja ganz offenbar davon aus, daß selbst dieser große Gottesgelehrte, meisterhafte Beter und von allem Weltlichen ganz und gar losgelöste Mystiker, Johannes vom Kreuz, nicht würdig gewesen wäre, unmittelbar in den Himmel einzugehen. Und 2. daß in Folge dessen das hl. Skapulier vom Berge Karmel nicht hoch genug geschätzt werden kann, da es nicht nur von der ewigen Verdammnis, sondern auch von der qualvollen Läuterung durch das Fegfeuer zu retten vermag.

Gewand des Heiles

In der Heiligen Schrift kommt dem Gewand eine zweifache Bedeutung zu. Einerseits erinnert es an den Sündenfall. Denn erst der Verlust der ursprünglichen Unschuld machte es für die ersten Menschen notwendig, ihre Blöße zu bedecken. Wobei die Blöße des Leibes nur ein sinnfälliges Zeichen für die entblößte Seele ist, die das Kleid der heiligmachenden Gnade mit der Sünde zerrissen hatte. So erinnert uns das Gewand zunächst an die Sünde und die darauffolgende Scham. „Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten, daß sie nackt waren. Sie hefteten Feigenlaub zusammen und machten sich Schürzen daraus. … Gott, der Herr, machte Adam und seiner Frau Fellröcke und bekleidete sie“ (Gen. 3, 7. 21).

Später wurde der Sohn Gottes, durch das Wirken des Heiligen Geistes in das unbefleckte Fleisch und Blut der allerseligsten Jungfrau Maria eingekleidet, um die Erlösung von den Sünden zu bringen. Am Kreuz hüllte sich unser göttlicher Erlöser Jesus Christus selbst ganz in den Purpurmantel seines kostbaren Blutes ein und wirkte daraus durch Sein Leiden und Sterben ein neues, übernatürliches und makelloses Kleid, welches die Blöße unserer Seele bedecken sollte. Beim Empfang der hl. Taufe wird jedem wiedergeborenen Gotteskind, wie im Gleichnis vom verlorenen Sohn (vgl. Lk. 15, 22), sofort das beste Gewand – versinnbildet durch das weiße Taufkleid – angelegt, nämlich die heiligmachende Gnade, zusammen mit dem Schmuck der eingegossenen Tugenden und der sieben Gaben des Heiligen Geistes. So wurde es dem hl. Apostel Johannes in der Geheimen Offenbarung beschrieben: „Es sind jene [Seelen], die von großer Drangsal [von der Sünde und ihren Folgen] kommen. Sie haben ihre Gewänder weiß gemacht im Blut des Lammes. Darum sind sie vor dem Throne Gottes und dienen Ihm Tag und Nacht im Tempel“ (Offb. 7, 14 f.). Somit ist das Gewand auch das äußere Zeichen der Erlösung; der Ausweis für die Wiederaufnahme in die Familie Gottes. Schon der Prophet Isaias hatte im Alten Bund die Einkleidung in das Heil des Erlösers besungen: „Freudig jubeln will ich dem Herrn, jauchzen soll meine Seele in meinem Gott! Denn Er bekleidet mich mit Gewändern des Heiles, legt mir den Mantel der Gerechtigkeit an, gleich einem Bräutigam, der sich schmückt mit dem Turban, und gleich einer Braut, die ihr Geschmeide anlegt“ (Is. 61, 10). Und der hl. Apostel Paulus benennt noch genauer, welche Kleidungsstücke vom Streiter Christi anzulegen sind: „So legt denn an die Vollrüstung Gottes, … eure Lenden umgürtet mit der Wahrheit, angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit …, ergreift den Schild des Glaubens …. nehmt den Helm des Heiles“ (Eph. 6, 13-18).

In gleicher Weise ist auch das Skapulier vom Berge Karmel ein heilbringendes Gewand, eine geistige Rüstung, die das darunterliegende reine Gnadengewand schützt; ein geistiger Schild, der die Angriffe des bösen Feindes abwehrt; der Schutzmantel, unter dem die allerseligste Jungfrau ihre treuen Kinder birgt. Dieses Gewand ist auch ein Zeichen der Zugehörigkeit. Wie die Farbe und die Form einer Uniform anzeigt, zu welcher Streitmacht der Soldat gehört, so zeigt das Skapulier an, daß der Träger der Gottesmutter gehört, ihr geweiht ist, für sie streitet und kämpft.

Der Geist von dem die Träger des Skapuliers durchdrungen sein soll, ist zweifelsohne kein anderer als jener, der die wahren Verehrer Mariens beseelt, und den der hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort mit den Worten beschreibt: „Alle Handlungen durch Maria, mit Maria, in Maria und für Maria tun.“ Und die Gottesmutter verpflichtet sich ihrerseits, dem Träger ihres Gewandes beizustehen, vor allem in seinem entscheidendsten Kampf – in der Stunde des Todes. Sie, die „hervortritt wie das aufsteigende Morgenrot, schön wie der Mond, auserkoren wie die Sonne und furchtbar wie ein geordnetes Kriegsheer“ (Hld. 6, 9).

Eine falsche Rechnung

Freilich erheben sich gegen das Skapulier nicht wenige Einwände. Der am beharrlichsten vorgetragene ist vermutlich der, daß das christliche Leben durch die Verheißungen des Skapuliers jeglichen Ernstes beraubt werde. Als „Heilsgarantie“ dispensiere es ja von der Pflicht, sein Leben zu bessern, den Geboten Gottes zu gehorchen und sich zu heiligen. Der Sünder könne sich, nachdem er das Skapulier empfangen hat, schrankenlos und hemmungslos allen Sünden und Lastern hingeben, ohne um sein ewiges Heil besorgt sein zu müssen. Er dürfte ja sagen: „Da ich das Skapulier trage, bin ich mir sicher, daß ich nicht verdammt werde.“

Darauf ist zu antworten, daß derjenige, der die Verehrung der Gottesmutter so schändlich mißbrauchen wollte, sich ihrer Gunst unwürdig macht. Auf das Skapulier zu zählen, um freier sündigen zu können, wäre eine Beleidigung der Unbefleckten. Und wenngleich Christus das Ihm zugefügte Unrecht langmütig und geduldig erträgt, so ist Er doch um so eifersüchtiger darauf bedacht, die Ehre Seiner Mutter zu schützen: „Gott läßt Seiner nicht spotten“ (Gal. 6, 7)! Solange ein solcher Mensch also das Skapulier tatsächlich anbehalten würde, solange darf er sich der Verheißungen Mariens auch sicher sein. Die Gottesmutter steht treu zu ihrem Wort. Doch es könnte durchaus geschehen, daß der Tod ihn in einem Augenblick ereilt, in dem er das Skapulier verloren oder nachdem es ihm seine Umgebung abgenommen hat. Vielleicht wird er es aufgrund seines unbußfertigen Zustandes im Laufe der Zeit sogar von selbst ablegen.

Der selige Jesuitenpater Claude de la Colombière, der Beichtvater der hl. Margareta Maria Alacoque, berichtet von einem verstockten Sünder, der, von Verzweiflung übermannt, mehrfach vergeblich versucht hatte, sich zu ertränken, weil er ein Skapulier trug. Als er es sich aber vom Leibe riß und sich sodann erneut ins Wasser stürzte, ertrank er im Nu. Er starb in Sünde. Aber er konnte erst sterben, nachdem er sich dieses heilbringenden Gewandes entledigt hatte. Und P. La Colombière schloß daraus: „Wenn ihr in euren Sünden sterben wollt, werdet ihr sterben; aber ihr werdet nicht im Skapulier sterben“ (35. Pred.).

Man kann also grundsätzlich davon ausgehen, daß der Heuchler, der das Skapulier nicht dazu trägt, um Maria Ehre zu machen, sondern um weiterhin zu sündigen und nach Belieben Gottes Willen zu trotzen, von den hohen Verheißungen ausgeschlossen ist. Hingegen für denjenigen, der sich aufrichtig und ehrlich bemüht, aber trotzdem, aus welchen Gründen auch immer, in Todsünde fällt, für den wird die Gottesmutter eher ein Wunder wirken, damit er sich bekehrt und wenigstens seine Sünden bereut, ehe er stirbt.

Die Skapulierträger

Was ist also zu tun, um in den Genuß aller genannten Verheißungen der Königin vom Berge Karmel zu kommen? – Um ein Mitglied der Skapulierbruderschaft Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel zu werden, muß man sich von einem Priester ein Skapulier aus braunem, gewebtem Wollstoff auflegen lassen, wobei ein Teil auf der Brust und ein Teil auf dem Rücken getragen wird. Die einzigen Verpflichtungen, die man dabei auf sich nimmt bestehen darin:

  1. das Skapulier immer zu tragen (auch während der Nacht), wobei es selbstverständlich beim Waschen abgelegt werden kann;
  2. die Muttergottes zu verehren, ohne daß dabei jedoch besondere Gebetsübungen eingehalten werden müßten.

Wenn das Skapulier einmal feierlich aufgelegt wurde, so braucht es später, wenn es ersetzt werden muß, nur ausgewechselt zu werden. Wer damit bekleidet stirbt, der wird nicht verdammt werden. Der hl. Papst Pius X. hat außerdem die Möglichkeit eingeräumt, nach der erfolgten Auflegung, das Stoffskapulier durch eine Skapuliermedaille zu ersetzen, die auf der einen Seite das Herz-Jesu-Bild und auf der anderen Seite das Bild der allerseligsten Jungfrau eingeprägt trägt. Bei dieser Gelegenheit hat der Heilige Vater auch alle Ablässe, darunter ausdrücklich das Samstagsprivileg, auf die Medaille übertragen.

Um aber in den Genuß eben dieses Samstagsprivilegs zu kommen, ist außerdem Folgendes notwendig:

  1. Die Übung der standesgemäßen Keuschheit. Hierzu sei bemerkt, daß dabei den Pflichten eines jeden Christen eigentlich nichts hinzugefügt wird, weil jeder zu einer standesgemäßen Keuschheit verpflichtet ist.
  2. Das tägliche Beten des „Kleinen Offiziums der allerseligsten Jungfrau“. Weil sich für die meisten die Rezitation der Tagzeiten des kleinen Marien-Offiziums als zu schwierig erweist, haben die Päpste den Priestern bei der Auflegung des Skapuliers erlaubt, diese Pflicht zu ersetzen, wahlweise entweder durch den täglichen Rosenkranz, oder durch die Beobachtung der Abstinenz von Fleischspeisen, nicht nur freitags, sondern zudem auch an jedem Mittwoch und Samstag.

Schließlich sei noch hinzugefügt: Wenn hier von „Verpflichtungen“ und „Pflicht“ gesprochen wurde, so sei ausdrücklich gesagt, daß sich diese allein auf die Verheißungen beziehen! Wer die Verheißungen erlangen will, muß diese Bedingungen erfüllen. Insofern sind sie Pflicht. Versäumnisse sind jedoch keine Sünde. Man kann also das Skapulier auch wieder ablegen und aufhören es zu tragen, ohne sich dabei zu versündigen. Es kommen einem dann allerdings auch die Verheißungen nicht mehr zugute.

Maria wird in jedem Fall an ihren gegebenen Verheißungen festhalten und jenen, die ihr Kleid tragen, im Leben wie im Sterben sowohl ihren mächtigen Schutz, als auch den heilbringenden, die ewige Dürre abwendenden Gnadenregen vom Berge Karmel angedeihen lassen. Das wird dem Skapulierträger bei der Auflegungszeremonie zugesichert, wenn der Priester sagt: „Nimm dieses geweihte Gewand entgegen und bete zur allerseligsten Jungfrau, du mögest es durch ihre Verdienste ohne Makel tragen, daß es dich gegen alle Widerwärtigkeiten verteidige und dich zum ewigen Leben führe.“ Amen.

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